Interview

Agrarminister Peter Hauk: Ein Freund klarer Worte

Agrarminister Peter Hauk kritisiert die Überregulierung durch EU und Bund. Bauern nicht mit neuen Pflichten belasten.

Von 
Klaus T. Mende
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Dem baden-württembergischen Agrarminister Peter Hauk (links), hier im Gespräch mit dem Angeltürner Nebenerwerbslandwirt Christian Böres, ist die überbordene Bürokratie ein Dorn im Auge. © Klaus T. Mende

Der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk ist ein Freund klarer Worte - und hält auch mit Kritik nicht hinterm Berg. Bei seiner Visite auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Christian Böres im Boxberger Stadtteil Angeltürn klagt der Bauländer im FN-Interview die Überregulierung durch Bund und EU an. Statt Formularflut und Wartezeiten will er effiziente Genehmigungen, digitale Verfahren und faire Wettbewerbsbedingungen - vom Stallbau bis zum Ökopunktesystem.

Herr Hauk, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und ihre Förderprogramme sowie nationale Vorgaben empfinden viele Landwirte als überbürokratisiert. Wo sehen Sie konkrete Möglichkeiten zur Vereinfachung?

Peter Hauk: Wir haben auf Bundesebene über 200 Vereinfachungsvorschläge, von denen jedoch erst wenige umgesetzt sind. Wir sind da aber hartnäckig am Thema dran. Ein wichtiges Signal war die Abschaffung der Stoffstrombilanz für Landwirte. Sie war unnötige Bürokratie, besonders in Baden-Württemberg, wo der Grundwasserschutz weitgehend im Griff ist bei rund 98,5 Prozent an „grünen Gebieten“. Auch die Kalenderwirtschaft bei der Düngung muss flexibler werden, um den regionalen Unterschieden zwischen der Schwäbischen Alb, dem Rheintal und der Tauber-Odenwald-Region gerecht zu werden. Die EU und auch der Bund dürfen nicht ständig neue Bürokratie aufbauen, wie es unter der Ampel beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz geschehen ist – ein „Bürokratiemonster“, das wir jetzt gemeinsam mit dem Bund grundlegend überarbeiten.

Wie steht es um die Zukunft der Tierhaltungsprämien im Land?

Hauk: Die Zukunft der Prämien ist derzeit ungewiss, da die neue EU-Finanzierungsperiode noch nicht geklärt ist. Der Vorschlag der Kommission, Agrargelder zusammen mit Regional- und Sozialfonds national zu verteilen, ist kritisch zu sehen. Er könnte die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauern schwächen, da der Agrarmarkt der einzige vergemeinschaftete ist. Wir setzen uns jedoch dafür ein, die Tierwohlförderung fortzuführen. Nachdem das Bundesprogramm ausgelaufen ist, wird das Land eigene Programme für den Neu- und Umbau tiergerechter Ställe auflegen.

Das Ökokonto und Ökopunktesystem gilt als recht kompliziert. Wie kann man es besser mit der landwirtschaftlichen Nutzung vereinbaren?

Hauk : Wir brauchen dringend eine Reform des Ökopunkte-Systems. Bisher mussten Bauern oft landwirtschaftliche Flächen für den Naturschutzausgleich extensivieren und stilllegen, was häufig zum doppelten Flächenverlust führte. Künftig wollen wir produktionsintegrierte Kompensationen ermöglichen. Das heißt, Landwirte sollen Ökopunkte verdienen können, indem sie sich verpflichten, umweltfreundliche Maßnahmen auf ihren Flächen durchzuführen – und diese Flächen weiter für die Lebensmittelproduktion nutzen. Auch die Umstellung auf den Bio-Landbau sollte von vornherein als Ausgleichsfläche anerkannt werden.

Viele Betriebe erhalten Post vom Landwirtschaftsamt wegen fehlender Pflanzenarten auf ihren FFH-Flächen, obwohl sie die Bewirtschaftung nicht geändert haben. Ist das gerechtfertigt?

Hauk: Ich weiß nicht, ob es hier immer Sanktionen gibt, aber es ist eine gute Frage. Wir haben heute einen Stickstoffeintrag von fast 40 Kilo pro Hektar aus der Atmosphäre. Wenn ein Landwirt seine Wirtschaft nicht verändert hat, muss das die Ursache sein. Die FFH-Kriterien müssen unter dem Aspekt des Klimawandels und der erhöhten Stickstoffdeposition dringend reformiert werden. Ich befürchte, die Kommission in Brüssel ist derzeit nicht gewillt, sich über dieses Problem zu unterhalten. Das Land sollte deshalb eine Grundsatzklage in Erwägung ziehen. Zudem müssen Mitteilungen über Verluste von Kennarten so früh wie möglich, idealerweise vor dem 30. September, erfolgen.

Gilt die These: Mehr Digitalisierung heißt im Umkehrschluss auch weniger Bürokratisierung?

Hauk : Unbedingt. Wir sind für mehr Digitalisierung, aber nur, wenn sie konsequent ist und nicht zu doppelter Buchführung führt. Beim gemeinsamen Antrag etwa muss man sich auf das Satellitenbild verlassen. Wenn man drei Systeme – Satellit, händische Vermessung, Drohne – nutzt, kommt man zu drei verschiedenen Ergebnissen. Man muss mit Toleranzen leben und darf nicht mit drei Systemen fahren.

Welche Zukunft sehen Sie für Biogasanlagen in Baden-Württemberg?

Hauk : Hoffentlich eine rosige! Ich bin ein großer Fan von Biogasanlagen. Sie können verlässlich netzdienlichen Strom produzieren, weil sie Gas speichern und bedarfsgerecht verstromen können. Das Land setzt sich auf Bundesebene massiv für die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen ein, besonders bei der Netzeinspeisehonorierung sowie der Entbürokratisierung des Emissionsschutz- und Störfallrechts. Wir müssen dafür sorgen, dass Biogasanlagen mindestens die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie Erdgas haben.

In der Branche hört man oft den Begriff „Bauverhinderungsrecht“. Sie setzen sich für eine Entbürokratisierung des Baurechts ein, um Investitionen zu ermöglichen?

Hauk : Wir haben in der Tat ein schwieriges Bau- und Genehmigungsrecht. Das Problem liegt aber nicht nur im eigentlichen Baurecht, sondern vor allem im Wasser- und Immissionsschutzrecht, gerade bei Tierhaltern, die in der Nähe von FFH-Gebieten investieren wollen. Diese Rechtsvorschriften sind zu kompliziert und müssen durchforstet werden. Das Recht ist aber in ganz Baden-Württemberg gleich. Warum im einen Landkreis ein Landwirt 5 Monate, im anderen aber 5 Jahre auf die Stallbaugenehmigung wartet, ist hausgemacht. Die Landräte und Behördenleiter müssen ihre Verwaltungen dringend auf Effizienz trimmen.

Soll ein staatliches Tierhaltungskennzeichen kommen und auch für importiertes Fleisch gelten?

Hauk : Ich bin dafür, aber das staatliche Kennzeichen muss sich am bestehenden System der Initiative Tierwohl orientieren und darf keine neue Bürokratie auslösen. Es muss kompatibel sein. Wenn es kommt, muss es zwingend auch für importiertes Fleisch und die Systemgastronomie/Kantine ausgeweitet werden.

Welche Maßnahmen sehen Sie, um die Auswirkungen von Mercosur und Ukraine-Importen auf die heimische Landwirtschaft abzufedern?

Hauk : Die Ukraine-Importe haben sich sofort am Markt niedergeschlagen. Beim Mercosur-Abkommen sind die Vorkehrungen im Interesse der Landwirtschaft so gut wie bei keinem internationalen Abkommen zuvor, da es uns gelingen muss, die Rodung von Urwäldern in Südamerika aufzuhalten.

Wie will Baden-Württemberg den Zulassungsstau bei Pflanzenschutzmitteln abbauen?

Hauk : Hier haben wir als Land keine Rechtsgrundlage. Der Bundesagrarminister arbeitet derzeit unter Hochdruck an der Bearbeitung von über 300 anhängigen Zulassungen. Die letzte Bundesregierung hatte hier sträflich gehandelt, was zu erfolgreichen Klagen von Firmen geführt hat. Wir müssen hier schneller werden, denn der Klimawandel und invasive Arten wie der Japankäfer oder die asiatische Hornisse sind viel schneller als unsere Bürokratie.

Sind die Kommunen im ländlichen Raum beim Feldwegebau ausreichend unterstützt?

Hauk : Die Instandhaltung der Feldwege ist eine ureigene kommunale Aufgabe. Oft rangieren diese Ausgaben unter „ferner liefen“. Wir unterstützen die Kommunen aber durch unser Feldwege-Modernisierungsprogramm mit 40 Prozent Zuschuss für die Hauptinstandsetzung. Dies ist eine Freiwilligkeitsleistung des Landes, die rege in Anspruch genommen wird.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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