Berlin. Ulrike Malmendier ist Wirtschaftsprofessorin an der amerikanischen Eliteuniversität in Berkeley – und bekommt hautnah mit, was die Politik von Präsident Donald Trump anrichtet. Im Interview erklärt das Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft, welche Schlüsse die künftige Bundesregierung daraus ziehen sollte.
Frau Malmendier, fühlen Sie sich noch wohl an der University of California?
Ulrike Malmendier: In Berkeley fühle ich mich gut aufgehoben. Aber die Umstände sind natürlich unschön.
Was hat sich verändert, seit Donald Trump ins Weiße Haus zurückgekehrt ist?
Malmendier: Sehr viele Kollegen leiden unter den Einschnitten bei der Unterstützung für Forschung. Die Zerschlagung von Geldgebern wie der Entwicklungsbehörde USAID gefährdet viele Projekte etwa in der Entwicklungsökonomie. An vielen Universitäten breitet sich große Unsicherheit aus.
Gibt es Protest?
Malmendier: Das unverfrorene Vorgehen mobilisiert den Protest. Inzwischen gibt es landesweit Kundgebungen für die Wissenschaft. Unter dem Motto „Stand up for Science“ wird an Dutzenden von Universitäten gegen die finanziellen und ideologisch motivierten Einschränkungen protestiert.
Will Trump der freien Wissenschaft den Garaus machen?
Malmendier: Das fürchte ich – vor allem, wenn es um Diversität und Gleichstellung geht. Die Auswirkungen auf Wissenschaft und Wirtschaft sind verheerend. Die USA sind bislang führend darin, weltweit die größten Talente anzuwerben und ihnen komplette Freiheit und starke finanzielle Unterstützung für ihre Arbeit zu bieten, wenn auch unter einem starken Leistungs- und Erfolgsdruck. Aber die Leute, die es an den Top-Universitäten schaffen, bleiben meistens – obwohl viele das ursprünglich gar nicht geplant hatten. Ich dachte auch damals, dass ich nur ein paar Jahre in den USA bleiben würde.
Überlegen Sie, jetzt zurückzukehren?
Malmendier: Da müsste schon ein außergewöhnlich interessantes Angebot kommen. Mein Mann ist ebenfalls Professor an der University of California. Unsere drei Kinder gehen hier gerne zur Schule. Wir sind hier gut eingelebt und vernetzt. Aber grundsätzlich gilt: Die Entwicklung in den USA ist eine Riesenchance für Deutschland und Europa. Ich weiß, dass sehr viele Leute darüber nachdenken wegzugehen.
Ist der deutsche Forschungsstandort konkurrenzfähig?
Malmendier: Appelle, in Deutschland statt in den USA zu forschen, werden jedenfalls nicht reichen. Bei den herausragenden Forschungsbedingungen an den amerikanischen Eliteuniversitäten – Ausstattung, Lehrdeputat und Exzellenz der Studierenden – halten die deutschen Unis nicht so einfach mit. Aber jetzt ist der Moment, um die Verhältnisse grundlegend zu ändern und etwas Großes aufzubauen.
Konkret?
Malmendier: Ich denke an signifikante Investitionen in den Forschungsstandort Deutschland: Dort, wo wir schon jetzt stark sind – etwa Künstliche Intelligenz, Biowissenschaften oder Klimatechnik –, könnten Forschungsschwerpunkte entstehen. Mit so einer Initiative könnte man die Aufmerksamkeit der besten Forscher auf sich ziehen und das Gewicht nach Europa verlagern. Ich fühle mich an die 1930er-Jahre erinnert, in denen Deutschland in wesentlichen Forschungsgebieten führend war. Dann sind viele Wissenschaftler vor den Nazis geflohen. Das war der Anfang vom Aufstieg der USA als Wissenschaftsmacht. Jetzt können wir das umkehren. Trump hat große Sorge um die wissenschaftliche Freiheit und verlässliche finanzielle Förderung ausgelöst. Diese Chance sollte Europa nutzen, um attraktiv zu werden für die besten Köpfe der Welt.
Wie wirkt sich das gigantische Finanzpaket, das der Bundestag jetzt verabschiedet hat, auf den deutschen Standort aus?
Malmendier: Wenn das Geld richtig genutzt wird, können die beschlossenen Sondervermögen außerordentlich helfen und Katalysator für einen langfristigen Wachstumspfad sein. Dazu muss das Geld für langfristige Investitionen eingesetzt werden: In unsere Infrastruktur, in Digitalisierung, und ein großer Teil muss auch in Bildung fließen. Fatal wäre, die Milliarden zur Finanzierung von Wahlgeschenken wie einer höheren Pendlerpauschale oder einer neuen Mütterrente zu nutzen. Dann ist es eine vergebene Chance, und wir verharren in der Stagnation.
Was richtet Trump mit seiner erratischen Zollpolitik an?
Malmendier: Trumps Zickzackkurs bei den Zöllen löst weltweit Unsicherheit aus, und das ist Gift für unternehmerische Investitionen. Es gibt ernsthaft die Gefahr einer Rezession – nicht nur in den USA. Das Szenario einer sogenannten Trumpcession – einer von Trump ausgelösten Talfahrt der Weltwirtschaft – ist durchaus real. Das hätte deutliche Auswirkungen auf Deutschland und Europa.
Welche Antwort empfehlen Sie den Europäern?
Malmendier: Für alle europäischen Länder ist der Rest von Europa der verlässlichste Handelspartner. Diese Stärke müssen wir ausbauen – den europäischen Binnenmarkt stärken, die europäischen Kapitalmärkte harmonisieren und Regulierungshürden abbauen. Das würde unsere Volkswirtschaft stärken und uns unabhängiger machen.
Kann Europa einen Handelskrieg gegen die USA gewinnen?
Malmendier: Handelskriege können nicht gewonnen werden. Jeder verliert. Aber Europa muss geschlossen auf US-Zölle reagieren, um eine Verhandlungslösung zu finden. Es ist wichtig, sich von Trump nicht in die Ecke drängen zu lassen.
Haben Sie Hoffnung, dass sich ein ärmer werdender Elon Musk – die Tesla-Aktie ist eingebrochen – gegen Trump auflehnt?
Malmendier: Der Schaden, den Trumps Politik auslöst, wird Elon Musk nicht kaltlassen. In den USA munkelt man, dass Musk bald seinen Rückzug antritt. Das wird Trump aber nicht aufhalten. Da setze ich eher auf enttäuschte Trump-Wähler, denen klar wird, dass es ihnen persönlich schadet, was gerade passiert. Diese Wähler könnten Trump zum Einlenken zwingen.
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