Berlin. Der Goldpreis klettert auf immer neue Rekorde. Geht dies so weiter oder kann es auch bergab gehen? Was Anleger wissen müssen. Experten verraten ihre Prognosen.
Wie wird sich der Goldpreis bis zum Jahresende entwickeln?
Niemand kann die Entwicklung des Goldpreises seriös vorhersagen. Doch es gibt Einschätzungen von Experten des Edelmetallmarktes. So erwartet die Commerzbank, dass eine Feinunze Gold (31,1 Gramm) zum Jahresende etwa 3000 US-Dollar kostet (etwa 2647 Euro) und damit sinken wird. Aktuell notiert der Goldpreis bei rund 3230 Dollar (2880 Euro). Rohstoffanalyst Carsten Fritsch begründet dies damit, dass sich der „Handelskonflikt mit den USA etwas entspannt, eine Rezession in den USA vermieden wird und die US-Notenbank Fed die Zinsen nicht so stark senken wird, wie dies vom Markt derzeit erwartet wird“.
Die Hamburg Commercial Bank (HCOB) erwartet dagegen einen Anstieg. „Wir können uns einen weiteren Anstieg der Preise vorstellen, erwarten aber nicht, dass die 4000er-Marke in diesem Jahr überschritten wird“, sagt der HCOB-Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia. Er glaubt nicht, dass „die Unsicherheit, die von der US-Wirtschaftspolitik ausgeht, in absehbarer Zeit nennenswert zurückgeht. Damit dürfte auch die Nachfrage nach Gold auf einem erhöhten Niveau bleiben.“
Der Chef von Degussa Goldhandel, Christian Rauch, betrachtet die Entwicklung langfristig: „Seit 2000 Jahren gibt es für den Goldpreis nur eine Richtung – nach oben.“ Gold sei ein gefragter Stabilitätsanker, doch auch hier gelte: „Märkte verlaufen selten linear.“
Welche Gründe könnten einen größeren Kursrückgang auslösen?
Vieles hängt von der Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump ab. „Ein stärkerer Preisrückgang wäre zu erwarten, wenn es zu einer Lösung im Zollkonflikt käme und daraufhin die Zölle deutlich gesenkt oder gar aufgehoben würden“, meint Commerzbank-Analyst Fritsch. Dann würde die Nachfrage nach Gold als sicherer Hafen spürbar nachlassen. In Teilen war das auch schon zu beobachten: Vom Allzeit-Hoch von knapp 3500 Dollar ist der Kurs bereits um rund sieben Prozent zurückgekommen, maßgeblich beeinflusst von der Entspannung im Handelskonflikt.
Auch der HCOB-Volkswirt glaubt, dass nur eine Beruhigung der internationalen Spannungen und eine konstruktivere US-Wirtschaftspolitik dazu beitragen könne, dass weniger Menschen in Gold fliehen. „Das würde zu einem Rückgang des Goldpreises führen.“
Die erratische US-Zollpolitik erhöhe derzeit die Inflation in den USA und schwäche den Dollar. Viele Investoren versuchten, mit Gold eine weitere Entwertung ihrer Vermögenswerte, die sie in US-Dollar halten, abzusichern.
Wie viel Gold gibt es auf der Welt?
Bislang wurden laut World Gold Council etwa 205.000 bis 210.000 Tonnen weltweit gefördert. Zusammengefügt ergibt dieses Gold einen Würfel mit einer Kantenlänge von nur rund 22 Metern. „Jährlich kommen etwa 3500 Tonnen dazu. Das verlängert die Kantenlänge des Würfels um lediglich 13 Zentimeter“, sagt der Degussa-CEO Rauch. Das meiste Gold steckt in Schmuck (46 Prozent), in Goldbarren und Münzen (22 Prozent), liegt bei Zentralbanken (17 Prozent) und in der Industrie (14 Prozent).
Wie viel Gold kann noch gefördert werden?
Gold kommt in der Erdkruste und im Wasser in relativ großer Menge von rund 74 Millionen Tonnen vor, doch nur etwa 0,0002 Prozent sind wirtschaftlich abbaubar, berichtet die Wissenschaftsbehörde United States Geological Survey (USGS). „Das auf Edelmetalle spezialisierte Researchunternehmen Metals Focus schätzt die abbaubaren Reserven auf knapp 54.800 Tonnen, die US-Geologiebehörde auf 64.000 Tonnen“, so Fritsch. Die jährliche Goldnachfrage belaufe sich auf knapp 5000 Tonnen. Doch gäbe es auch noch oberirdische Bestände von rund 216.000 Tonnen. „Diese Menge würde den derzeitigen Bedarf theoretisch für mehr als 40 Jahre decken“, sagt Fritsch. Insofern sei Gold „nicht wirklich knapp“.
Etwas anders bewerten die Lage Wissenschaftler: „Generell gilt für Gold dasselbe wie für andere Rohstoffe auch: Rohstoffe werden, wenn überhaupt, teurer, sie gehen der Welt aber niemals aus“, sagen der Leiter des Bereichs Umwelt am Wirtschaftsforschungsinstitut RWI Essen, Manuel Frondel, und der RWI-Rohstoffexperte Jochen Dehio. Durch technologische Fortschritte im Bergbau und Recycling eröffneten sich immer neue Fördermöglichkeiten. Steigende Goldpreise seien ein weiterer „großer Anreiz dafür, bislang unwirtschaftliche Vorkommen zu erschließen – so lange, bis der Preis dann wieder sinkt“, so die RWI-Wissenschaftler.
Muss der Goldpreis wegen der Knappheit immer steigen?
Die Endlichkeit von Rohstoffen wird oft als Argument genannt, warum deren Preise tendenziell steigen sollten. „Das ist jedoch aus vielerlei Gründen ein Irrtum“, meinen die RWI-Wissenschaftler. So sei auch Öl real, also unter Einbeziehung der Inflation und im Vergleich zu anderen Gütern, „billiger geworden und heute real günstiger als zu Zeiten vor den Ölkrisen der 1970er- Jahre“, sagen Frondel und Dehio. Preise bildeten sich immer aus Angebot und Nachfrage und unterliegen deshalb Schwankungen.
Die mögliche Endlichkeit von Gold ist auch für den HCOB-Chefvolkswirt keine Garantie, dass der Preis immer aufwärts geht: „Auch knappe Güter können überbewertet sein.“ Im Jahr 2000 notierte Gold beispielsweise 70 Prozent niedriger als 20 Jahre zuvor. „2015 konnte gegenüber Ende 2011 ein Kursverlust von rund 40 Prozent verzeichnet werden“, so Cyrus de la Rubia.
Wie wichtig ist Gold für die Industrie?
Für den Goldhandel spielt die Industrie zwar nur eine untergeordnete Rolle, doch die Industrie selbst ist in einigen Bereichen stark auf das Edelmetall angewiesen. Gold wird vor allem für elektronische Anwendungen gebraucht, erläutert der Commerzbank-Analyst Fritsch. In vielen dieser Bereiche sei Gold aufgrund seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften kaum zu ersetzen. 2024 wurden laut World Gold Council nur 326 Tonnen Gold in der Industrie verwendet, was weniger als 7 Prozent der gesamten Goldnachfrage entspricht. „Da der Goldpreis relativ hoch ist, ist es für industrielle Anwendungen häufig zu teuer, um wirtschaftlich eingesetzt werden zu können“, sagen die RWI-Ökonomen. Gold ist ein außergewöhnliches Metall, das nie rostet und fast vollständig recycelbar ist.
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