Ludwigshafen. Die Bundesregierung hat aufgrund von Sicherheitsbedenken kürzlich die Nutzung von Elektronikbauteilen der chinesischer Hersteller Huawei und ZTE in Kernkomponenten des deutschen 5G-Netzes ausgeschlossen. Vergleichbare Befürchtungen gegenüber ausländischer Technik existieren umgekehrt auch in der Volksrepublik China, beispielsweise gegenüber Computertechnik von Intel und AMD.
So hat die chinesische Regierung im März dieses Jahres veranlasst, dass in öffentlichen Institutionen sowie Firmen in Staatseigentum ausschließlich „sichere und zuverlässige“-Prozessoren genutzt werden dürfen. Damit sind Produkte aus chinesischer Herstellung gemeint.
Dieses gegenseitige Misstrauen ist mittlerweile in vielen Bereichen zu beobachten. Ein Blick auf die Rückschläge und Erfolge der chinesischen Halbleiterindustrie kann helfen, diese Entwicklung nachzuvollziehen.
Die Halbleiterindustrie profitierte vom Wettbewerb der Städte
Mit der Erfindung des Transistors im Jahr 1947 und dem Ersatz von Elektronenröhren durch Halbleiter in den 1950er Jahren gab es in vielen Ländern und so auch in der VR China Ambitionen zum Aufbau einer heimischen Halbleiterproduktion. Zwar stellte ab 1960 eine Fabrik in Wuxi erste manuell gefertigte Transistoren her, aber ab 1965 kam die Produktion und Entwicklung aufgrund der Kulturrevolution zum Stillstand.
Danach hatten zunächst die Vereinigten Staaten und später Japan die Technologieherrschaft inne. Technologietransfer nach China fand in den 1980er Jahren durch Einkauf einer Fertigungslinie für Transistoren von Toshiba statt, in der später integrierte Schaltungen für Fernsehgeräte hergestellt wurden. Weitere namhafte internationale Firmen, wie Lucent im Jahr 1994, oder NEC im Jahr 1996 und JAZZ im Jahr 1999 gingen Kooperationen mit chinesischen Unternehmen ein, der steigende Bedarf an Halbleitern wurde allerdings weiter hauptsächlich über Importe gedeckt.
Im Jahr 2000 wollte die chinesische Regierung den Aufbau einer Halbleiterindustrie mit Steuervergünstigungen stimulieren. Städte wie Shanghai, Beijing oder Shenzhen reagierten darauf und wetteiferten mit Steuervergünstigungen gegeneinander, häufig in direktem Wettbewerb, wie zum Beispiel mit dem Slogan der Stadt Shenzhen „Beijing+1“ - also ein Prozent mehr Steuervergünstigungen als Beijing. Das führte zu einem kurzfristigen Boom, wobei allerdings viele der neu gegründeten Unternehmen dem Preiswettbewerb nicht standhalten konnten und wieder verschwanden.
Festlandchinesen in Taiwan wollten zurück in die Heimat
Ein Unternehmen, das diesen Wettkampf überlebt, ist die Firma SMIC. SMIC wurde im Jahr 2000 von Richard Chang gegründet, einem in Taiwan aufgewachsenen Festlandchinesen, der in den USA studierte und arbeitete. Das Geschäftsmodell wurde quasi vom taiwanesischen Branchenführer und seinem vorherigem Arbeitgeber TSMC übernommen. China bot günstige Standortbedingungen, günstiges Land, Wasser und Stromversorgung. Erster Investor war Goldman Sachs, der Bau weiterer Standorte, jeweils eine Investition in Milliardenhöhe, wurde mit öffentlichen Geldern der Lokalregierungen finanziert, etwa in Shanghai, Wuhan und Chengdu.
Hochqualifiziertes Personal wurde von TSMC und UMC abgeworben und mit Aktienoptionsprogrammen und Karrierechancen angelockt. Viele waren gut ausgebildete Festlandchinesen aus Taiwan und den Vereinigten Staaten, die ähnlich wie Chang gern nach Hause wollten und die Chance sahen, ein eigenes Silicon Valley in China aufzubauen. In den Vereinigten Staaten hatten sie häufig geringere Karrierechancen aufgrund ihrer Herkunft, was spöttisch als „Bambus-Decke“ bezeichnet wird, in Anlehnung an die gläserne Decke für Frauen.
Bereits vier Jahre nach der Gründung war SMIC zum weltweit viertgrößten unabhängigen Halbleiterhersteller aufgestiegen. Wegen andauernder wirtschaftlicher Verluste verloren allerdings im Jahr 2009 die städtischen Finanziers in Wuhan und Chengdu die Geduld, Chengdu verkaufte die Fabrik an Texas Instruments. Als Konkurrenz kamen weitere Gründungen wie Ningbo Zhongwei hinzu, die mit Unterstützung aus kommunalen Steuergeldern versuchten, den SMIC-Erfolg zu kopieren. Ningbo Zhongwei scheiterte und verkaufte die Fabrik an den Mischkonzern BYD.
Fehlschläge kennzeichnen die Halbleiterindustrie, und das gilt nicht nur für China, wie das Beispiel des Unternehmens Qimonda aus München zeigt. Ein weiterer Versuch, auf dem Halbleitermarkt zu bestehen, war der Ankauf von ausländischen Unternehmen. Im Jahr 2015 versuchte die Tsinghua Unigroup das US-Unternehmen Micron aufzukaufen, der Versuch scheiterte allerdings. Bei Midea-Kuka war China im Robotik-Bereich erfolgreich.
Es fehlt an Know-how und qualifiziertem Personal
Großinvestitionen des chinesischen Staates zahlen sich häufig nicht aus. Eines der größten Probleme in der Industrie ist das Fehlen von Know-how und qualifiziertem Personal. Dennoch ist die Halbleiterindustrie für die chinesische Wirtschaft sowie sicherheitsstrategisch wichtig. Ziel der chinesischen Regierung ist, bis zum Jahr 2025 70 Prozent der Halbleiter selber herzustellen, um unabhängig zu sein. Halbleitertechnik ist notwendig für die zehn Industriesparten, die China laut aktuellem Fünfjahresplan fördern will, wie zum Beispiel Hochgeschwindigkeitszüge, Schiffbau und Robotik. Die eigentlichen Sterne am chinesischen Halbleiter-Firmament bleiben Huawei und SMIC.
Huawei muss sich vor dem Technologiestreit nicht fürchten
Im Jahr 2020 erließ die US-Regierung Sanktionen gegen China, in deren Folge Huawei den Prozessor seines Premium-Smartphones Mate 60 nicht wie bei den Vorgängermodellen bei TSMC fertigen lassen konnte. SMIC übernahm die Fertigung, ohne die neueste auf EUV-Lithographie basierte Technik zu verwenden - zur weltweiten Verwunderung, weil trotzdem ein modernes, leistungsfähiges Gerät hergestellt wurde.
Huawei hat sich in dem Technologiestreit bisher immer als sehr innovativ gezeigt. Nicht wenige Experten befürchten, dass die Sanktionen das Gegenteil von dem bewirken, was sie sollen - und Huawei gestärkt aus diesem Wettkampf hervorgeht. Neben den Subventionen bilden die 800 Millionen Handy-Nutzer allein in China eine solide Basis, um technologische Innovationen der heimischen Halbleiterindustrie zu fördern.
Insbesondere in ostasiatischen Ländern wurde die Ansiedelung von Spitzentechnologie umfangreich subventioniert, so auch in China. Nicht wenige technologische Entwicklungen finden derzeit in China statt, ein Bann wird daran nichts ändern.
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