Berlin. Etwas niedrigere Strompreise im Norden und Osten Deutschlands, etwas höhere im Westen und Süden – das schlagen die europäischen Stromnetzbetreiber vor. Sie wollen damit unter anderem auf die zunehmende Produktion von Windstrom auf dem Meer reagieren. Während Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) den Vorschlag begrüßte, äußerte sich die Bundesregierung ablehnend.
Die Berechnung und Empfehlung stammt vom Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (Entsoe), dem auch die vier deutschen Betreiber der Starkstromleitungen angehören. Während heute ein einheitlicher Börsenstrompreis für Deutschland und Luxemburg gilt, könnten künftig fünf Zonen eingerichtet werden: etwa Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen mit Rheinland-Pfalz, sowie Baden-Württemberg mit Bayern.
Netzbetreiber argumentieren mit Einsparungen für alle
Im Norden läge der Börsenstrompreis dann bei etwa vier Cent pro Kilowattstunde, im Süden bei rund fünf Cent. Alle anderen Kosten und Steuern würden für Unternehmen und Privathaushalte wie heute hinzugerechnet. Den Kalkulationen von Entsoe zufolge sparte das rund 300 Millionen Euro gesamtgesellschaftliche Aufwendungen pro Jahr.
Die Diskussion über ein solches Modell mit zwei oder mehr Strompreisregionen läuft hierzulande seit Jahren. Der Hintergrund: Im Norden sowie auf Nord- und Ostsee wird viel Windstrom produziert, der aber öfters nicht nach Süddeutschland transportiert werden kann, weil dafür noch die Überlandleitungen fehlen. Deshalb schaltet man Windparks ab, obwohl sie liefern könnten.
Das verursacht nicht nur hohe Entschädigungskosten, die auf alle Verbraucher umgelegt werden, sondern Firmen und Privathaushalte im Norden kommen auch nicht in den Genuss niedrigerer Strompreise. Die derzeit „einheitliche Stromzone ist ein Widersinn“, erklärte deshalb am Montag Niedersachsens Energieminister Meyer.
Wirtschaftsministerium: „Positive Auswirkungen überschätzt“
Die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW, die Mitglieder bei Entsoe sind, halten dagegen nichts von den kleineren Preiszonen. Mit gut 300 Millionen Euro jährlich seien die errechneten Einsparungen relativ gering, sie betrügen „nur ein Prozent der Systemkosten“. Im Übrigen gehe der Ausbau der überregionalen Stromnetze, die das Problem verringerten, nun schneller voran.
Das noch von den Grünen geleitete Bundeswirtschaftsministerium erklärte, „die positiven Auswirkungen einer Gebotszonenteilung“ würden „systematisch überschätzt“. Auch die kommende Bundesregierung will laut ihrem Koalitionsvertrag am einheitlichen Börsenstrompreis für ganz Deutschland festhalten.
Die Chancen für die Realisierung des Vorschlags stehen damit nicht gut – wenngleich die EU ihn grundsätzlich auch ohne Zustimmung aus Deutschland durchsetzen könnte.
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