Berlin. Wer zwischen 6 und 18 Jahren alt ist, soll bald jeden Monat zehn Euro vom Staat in ein sogenanntes Altersvorsorgedepot eingezahlt bekommen. Frühstart-Rente heißt das Vorhaben, das Union und SPD in ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag geschrieben haben. Wie die Umsetzung aussehen könnte – und was das für die Rente bringt.
Was ist geplant?
Kommen soll die Frühstart-Rente laut Koalitionsvertrag schon zum 1. Januar. Unklar ist, ob das zu halten ist. Das Bundesfinanzministerium lässt den Zeitplan auf Anfrage offen. „Wir wollen für jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot einzahlen“, heißt es im Koalitionspapier zu dem Vorhaben. Nach dem Erreichen der Volljährigkeit soll das Depot durch private Einzahlungen weiter bespart werden dürfen. Dabei soll aber ein jährlicher Höchstbetrag gelten, ähnlich wie bei Riester. Erträge aus diesen Anlagen sollen bis zur Rente steuerfrei sein. Zugriff auf das Geld gibt es erst im Ruhestand.
Ist das eine gute Idee?
Grundsätzlich ja, wobei man nicht erwarten sollte, dass das bis zur Rente zu erreichende Sparvermögen dann wirklich dabei hilft, die Rentenlücke zu schließen, sagt der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein dieser Redaktion. „Die Frühstart-Rente wird kein ‚Gamechanger‘ in der Altersvorsorge. Aber effizient, flexibel und transparent aufgesetzt, kann ein solches Produkt dabei helfen, Kindern und Jugendlichen die Themen Sparen und Geldanlage näherzubringen“, so Kleinlein weiter.
Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) kann dem Vorhaben auf Anfrage etwas abgewinnen. Bereits für Kinder eine Art Altersvorsorge anzubieten, sei nachvollziehbar, sagt die SoVD-Vorstandschefin Michaela Engelmeier. „Für uns ist allerdings fraglich, ob dies über ein kapitalgedecktes Produkt ausgestaltet sein muss. Denn Investitionen am Aktienmarkt unterliegen teils gravierenden Schwankungen. Der SoVD vertritt hier den Standpunkt: Mit der Rente zockt man nicht“, so Engelmeier weiter.
Wie könnte die Frühstart-Rente umgesetzt werden?
Versicherungsmathematiker Kleinlein setzt auf die Fondsindustrie. Anbieter wie DWS oder Union Investment könnten dafür Produkte auflegen. Aber auch Depotanbieter wie Comdirect, Trade Republic oder Scalable Capital, die bereits Kinderdepots im Angebot haben, könnten Vehikel sein, um das Vorhaben auf den Weg zu bringen.
Der Wirtschaftsweise Martin Werding wirbt gegenüber dieser Redaktion dafür, die Frühstart-Rente mit breit gestreuten Aktienfonds, ETF-Fonds zum Beispiel, umzusetzen. Das könne jedoch schnell angesichts der womöglich vielen Anbieter unübersichtlich werden. „Für Kinder, deren Eltern sich nicht entscheiden können, wohin mit dem Geld, braucht es daher ein Standardangebot“, so Werding, der auf Schweden und Großbritannien verweist, wo dafür unabhängig gemanagte Staatsfonds aufgelegt wurden.
Wie hoch könnte der Höchstbetrag für Einzahlungen sein?
Denkbar ist, sich dabei an der Riester-Systematik zu orientieren. Derzeit liegt der Höchstbetrag für Einzahlungen in einen solchen Vertrag bei jährlich 2100 Euro. „Man könnte zum Beispiel die Obergrenzen von Riester übernehmen, zeitgemäß aufgewertet“, sagt Werding.
Wie viel kann die Frühstart-Rente bringen?
Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein hat für diese Redaktion mehrere Berechnungen aufgestellt. Im kostengünstigsten Fall (Effektivkosten in Höhe von 0,4 Prozent pro Jahr auf das angesparte Kapital) könnten aus den 10 Euro vom Staat, die ein Schüler zwischen 6 und 18 Jahren monatlich erhält, bis zum Renteneintritt gut 29.400 Euro werden. Angenommen wurden dabei sechs Prozent Rendite und, dass nach dem Erreichen der Volljährigkeit keine weiteren Einzahlungen geleistet werden. Das Geld bleibt also bis zur Rente unangetastet.
Wer sich mit 18 dazu entscheidet, das Depot weiter zu besparen, kann bis zum 67. Lebensjahr signifikant höhere Guthaben erzielen, so Kleinleins Berechnungen. Bei 10 Euro zusätzlichen Einzahlungen im Monat kämen bis zur Rente dann knapp 59.000 Euro zusammen, bei 100 Euro monatlichem Sparbetrag kämen 326.000 Euro raus und wer in der Lage ist, sogar 250 Euro jeden Monat einzuzahlen, würde mit 67 Jahren bei satten 771.000 Euro Depotwert liegen. Allerdings: Bereinigt um die Inflation (2 Prozent pro Jahr) hätte der angesparte Betrag dann „nur“ noch eine Kaufkraft in Höhe von 230.400 Euro.
Welche Details könnte man noch regeln?
Zum Beispiel, wie man die Auszahlungsphase gestaltet. Kleinlein schlägt vor, wegzugehen von starren Regelungen wie einer monatlichen Rente, wie es etwa bei den Riester-Verträgen der Fall ist. „Auszahlpläne, zum Beispiel das Geld monatlich bis zum Erreichen des 85. oder 90. Lebensjahr zu erhalten, kommen in vielen Fällen der Lebenswirklichkeit viel näher“, sagt Kleinlein und lässt gleichzeitig kein gutes Haar an Versicherungsunternehmen, die heute lebenslange Renten häufig mit viel zu hohen durchschnittlichen Lebenserwartungen kalkulieren würden. „Je länger die kalkulatorische Lebenserwartung, desto geringer fällt die Rente aus. Damit sind diese Produkte ineffektiv“, so der Experte.
Sollten Eltern auf die Politik warten?
„Nein“, sagt Nadine Graf, Geldanlage-Expertin bei Finanztip, dieser Redaktion. „Wer für sein Kind ein Depot einrichten will, sollte damit nicht warten, sondern sofort anfangen. Dafür gibt es kostenlose Juniordepots von verschiedenen Anbietern, die im Namen des Nachwuchses geführt werden können.“
Was sagt die Politik?
Aus dem Bundestag kommt auch Kritik. Die Frühstart-Rente sei reine Augenwischerei, sagt Sarah Vollath, Abgeordnete der Linken, dieser Redaktion. „Damit gibt die neue Bundesregierung vor, sich um die Rente der jüngeren Generation zu kümmern. Die jährlichen Kosten in Höhe von über einer Milliarde Euro, die aus Steuermitteln finanziert werden, nutzen aber am Ende vor allem einem: dem Kapitalmarkt.“ Das sei der „völlig falsche Einsatz von Steuergeldern“.
Der finanzpolitische Sprecher der Union, Fritz Güntzler, fordert, dass die Frühstart-Rente mit einer reformierten Riester-Rente vereinbar sein soll. „Insbesondere muss sichergestellt sein, dass es einen nahtlosen Übergang von der Frühstart- in die staatlich geförderte Riester-Rente gibt“, so Güntzler gegenüber dieser Redaktion.
Es könnte sich deshalb anbieten, die Einführung einer Frühstart-Rente mit der Reform der Riester-Rente zu verbinden. Die SPD sieht in der Frühstart-Rente ein „gutes Zubrot für das Alter“. Man werde sich in einer Kommission aber „grundsätzlich mit dem Rentensystem auseinandersetzen“, kündigt die Vize-Fraktionschefin Dagmar Schmidt an. Unter anderem soll laut Koalitionsvertrag das Rentenniveau stabil bei mindestens 48 Prozent gehalten werden.
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