Finanzen

Attraktive Geldanlagen aus dem Baltikum

Banken aus Estland oder Litauen bieten Zinsen für Tages- oder Festgeld, die die Angebote deutscher Banken deutlich übertreffen. Woran das liegt.

Von 
Sabine Rößing
Lesedauer: 
Einige Banken aus dem Baltikum offerieren derzeit besonders hohe Zinsen auf Festgelder. © picture alliance/dpa

Frankfurt. Wer in diesen Tagen bei den einschlägigen Anlageplattformen nach besonders attraktiven Zinsen für Tages- oder Festgeld sucht, wird vor allem bei Banken aus dem Baltikum fündig: Für Festgelder mit einer Laufzeit von zwei Jahren zahlt aktuell die European Merchant Bank aus Litauen 2,90 Prozent. Die Rietumu Banka aus Lettland bietet 2,75 Prozent. Zum Vergleich: Die beiden zinsstärksten deutschen Institute sind die Bank11 mit einem Zinssatz von 2,45 Prozent und die Varengold Bank mit 2,42 Prozent.

„Einige Banken aus dem Baltikum offerieren derzeit besonders hohe Zinsen auf Festgelder“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer des Vergleichsportals Verivox. Ähnliches gelte für Festgelder mit einem Jahr Laufzeit – die European Merchant Bank und die SME Bank aus Litauen zahlten jeweils 2,70 Prozent Zinsen. Bei Banken mit deutschem Einlagenschutz bekämen Sparer derzeit maximal 2,40 Prozent.

Einlagen bis 100.000 Euro pro Kunde und Bank sind in der EU gesetzlich geschützt

Der Gedanke liegt nahe, dass es sich bei den attraktiven Zinsangeboten auch um Sicherheitsaufschläge handelt. Die baltischen Staaten bekommen aktuelle geopolitische Unsicherheiten insbesondere wegen ihrer räumlichen Nähe zu Russland und durch globale Handelskonflikte zu spüren.

„Viele Kunden suchen beim Zinsvergleich gezielt nach Angeboten deutscher Banken oder entscheiden sich bei Angeboten aus dem Ausland eher für Tages- und Festgeldkonten großer und bekannter Institute“, sagt Maier. Deshalb müssten die hierzulande meist recht unbekannten baltischen Kreditinstitute höhere Zinsen anbieten.

Dabei gilt: Einlagen bis 100.000 Euro pro Kunde und Bank sind in der gesamten Europäischen Union gesetzlich geschützt – auch bei Banken aus Litauen, Lettland oder Estland. Sollte eine Bank ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können, werden Kunden durch den nationalen Einlagensicherungsfonds des jeweiligen Landes entschädigt.

Diese Fonds funktionieren wie ein gemeinsamer Rettungstopf, in den alle Banken einzahlen. In kleineren Ländern sind sie zwar kleiner als in großen Volkswirtschaften wie Deutschland, aber das bedeutet nicht automatisch ein höheres Risiko. „Entscheidend ist die Finanzkraft des Landes hinter dem Sicherungssystem“, sagt Mayer.

Analystin Oertmann: Märkte trotz geopolitischer Herausforderungen widerstandsfähig

Die Renditen baltischer Staatsanleihen liegen über den deutschen Bundesanleihen. Das liegt auch daran, dass die Märkte klein und wenig liquide sind. In Staaten mit höheren Anleiherenditen ist in der Regel auch das allgemeine Zinsniveau höher. Banken müssten attraktivere Zinsen anbieten, um Kunden – insbesondere aus dem Ausland – zu gewinnen, erklärt Maier.

Für ein Misstrauensvotum der Investoren halten Marktbeobachter den Aufschlag allerdings nicht, im Gegenteil: Zwar gebe es seit dem Krieg in der Ukraine eine gewisse geopolitische Risikoprämie, registriert Sophia Oertmann von der DZ-Bank. Bei Litauen sei diese wegen der angrenzenden Landverbindung zwischen Belarus und Kaliningrad tendenziell am größten.

Trotz der geopolitischen Herausforderungen zeigten sich die Märkte aber widerstandsfähig, gestützt durch EU-Sicherheitsgarantien und eine stabile Haushaltsführung. Die Rating-Einstufungen seien stabil: „Innerhalb der Eurozone weisen die baltischen Staaten mit die stärkste Haushaltsdisziplin auf“, betont sie.

Mehr zum Thema

Ratgeber

Kreditanfrage abgelehnt? Neun Tipps für eine bessere Bonität

Veröffentlicht
Von
Christoph Jänsch
Mehr erfahren
Finanzen

Goldpreis auf Rekordhoch – Was hinter der Rally steckt

Veröffentlicht
Von
Sabine Rößing
Mehr erfahren
Finanzen

Schattenbanken wachsen rasant – und mit ihnen die Risiken für Europas Finanzsystem

Veröffentlicht
Von
Sabine Rößing
Mehr erfahren

Auch beim Blick auf die Gesamtverschuldung sehen Analysten keinen Grund zur Sorge: „Strukturell sind alle drei Länder solide Schuldner. Das Wachstum liegt über dem Durchschnitt des Euroraums, die Haushaltsdefizite sind nicht übermäßig hoch und vor allem ist die Verschuldung im Vergleich zur Wirtschaftsleistung gering“, erklärt Günther Welter, Fondsmanager im Rentenbereich bei Union Investment: Baltische Neuemissionen fänden nach wie vor internationale Abnehmer.

In den vergangenen zwei Jahren hätten die Kapitalmärkte Estlands, Lettlands und Litauens angesichts geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit gezeigt, findet auch Florian Schröder, Vorstandschef des German-Baltic Chamber of Commerce. Einen Anstieg der Risikoaufschläge gegenüber deutschen Bundesanleihen habe man tatsächlich zu Beginn des Ukrainekrieges beobachten können. Das habe sich aber inzwischen wieder deutlich beruhigt.

„Die Jahre 2024 bis 2025 haben neuen Optimismus gebracht“, sagt Schröder: „Die Aktienkurse in der gesamten Region – insbesondere in Estland und Litauen – haben sich erholt, wobei mehrere Unternehmen ein zweistelliges Jahreswachstum verzeichnen konnten“. Investoren erachteten die NATO-Mitgliedschaft der baltischen Staaten und ihre enge Anbindung an die EU als wichtige stabilisierende Faktoren.

Plattform-Gründer Valters: „Der eigentliche Schock für das System kam mit dem Ausbruch des Krieges“

Viele betrachteten baltische Aktien gar als unterbewertete, aber sichere Vermögenswerte, ist Martins Valters, Mitbegründer der lettischen Investmentplattform Mintos, überzeugt. Er attestiert den Ländern eine stabile Regierungsführung und eine umsichtige Fiskalpolitik. Die Integration in westliche Verteidigungs- und Energiestrukturen stütze ebenfalls. Der estnische Aktienindex MSCI Estonia liege seit Jahresbeginn bis Oktober 2025 deutlich im Plus.

Investoren richteten ihren Blick zunehmend auf sicherheits- und verteidigungsbezogene Branchen, erneuerbare Energien und Hightech-Sektoren als Wachstumsbereiche, die mit der regionalen Widerstandsfähigkeit verbunden sind, beobachtet Handelskammer-Chef Schröder. Die Region profitiere von Rahmenwerken auf EU-Ebene wie InvestEU und der Kapitalmarktunion, die Zugang zu Finanzmitteln böten.

„Das Wachstum im Baltikum erholt sich, die Bauproduktion steigt und die Immobilienaktivitäten nehmen zu“, sagt auch Plattform-Gründer Valters: „Der eigentliche Schock für das System kam mit dem Ausbruch des Krieges. Seitdem hat sich das Vertrauen der Investoren stetig erholt.“

Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke