Mannheim. Hast du ein Tempo?
Bei dieser Frage wissen alle sofort, was gemeint ist. Tempo, 1929 von dem bayerischen Papierfabrikanten Oskar Rosenfelder zum Patent angemeldet, ist eine der bekanntesten deutschen Marken bei Hygieneartikeln. Und gleichzeitig ein Synonym für Papiertaschentücher.
Das Hygiene-Unternehmen Essity produziert Tempo seit 2023 an seinem Mannheimer Standort, der auch für Marken wie Zewa bekannt ist. Von Mannheim aus wird der gesamte deutsche Markt bedient, ein kleiner Anteil geht nach Belgien, Luxemburg und in die Niederlande.
Logo von Tempo hat einen hohen Wiedererkennungswert
Das in dunkelblau gehaltene Markenlogo von Tempo hat einen hohen Wiedererkennungswert, unter anderem durch das schwungvoll wirkende T mit dem langen Deckstrich. Das Logo ist über die vergangenen Jahrzehnte kaum verändert worden. Nun allerdings - zum ersten Mal nach rund 70 Jahren – steht ein „Rebranding“ an, wie Marketing-Fachleute sagen. Heißt im Falle von Tempo: eine veränderte Verpackung und ein modernisiertes Logo.
Das T ist verkürzt, ein Schriftzug weist mit „est. 1929“ (established 1929) auf die fast 100-jährige Geschichte der Marke hin. Die bisher mögliche Lesart „Jempo“ lässt das neue Schriftbild nicht mehr zu. Zwar bleibt das Dunkelblau erhalten, doch gibt es einen stärkeren Farbverlauf hin zu Mittelblau.
Auffallend auf der Verpackung ist zudem, dass der Name nun auf einer Fläche steht, ähnlich einem Parallelogramm mit abgerundeten Ecken. Der Schattenwurf soll die Marke noch stärker hervorheben.
Der Online-Auftritt hat schon einen neuen Anstrich bekommen, sowohl auf der Homepage als auch auf Social Media. Produkte mit dem moderneren Logo und Verpackungsdesign werden bereits gefertigt und ausgeliefert. Nach und nach werden Verbraucherinnen und Verbraucher damit in Berührung kommen. Ob es ihnen gefällt?
Marketing-Experte Florian Stahl: Gelungen und „sehr zeitgemäß“
Florian Stahl, Professor für Marketing an der Universität Mannheim, findet den überarbeiteten Auftritt jedenfalls gelungen und „sehr zeitgemäß“. Es sei ein „Rebranding, das die Identität stärkt und Tempo auch für jüngere Zielgruppen attraktiv hält – ohne die Stammkundschaft zu irritieren“, erklärt Stahl. Das verkürzte T wirke zeitgemäßer, ohne den ikonischen Charakter zu verlieren. Die Ergänzung „est. 1929“ stärke die Wahrnehmung der Marke als traditionsreich und etabliert. Und das typische Blau erhalte den Wiedererkennungswert.
„Die aktuelle Positionierung verbindet Markenresilienz, Alltagsrelevanz und emotionalen Nutzen – Tempo ist in Schnupfenzeiten, bei emotionalen Momenten oder kleinen Missgeschicken stets zur Stelle“, sagt Stahl.
Merkmal resilienter Marken ist, dass sie krisenfest sind. Sie passten sich schnell an, agierten mit Weitsicht und blieben dennoch ihrer Identität treu, erklärt die Berliner Strategieberatungs-Agentur Diffferent. Laut ihrer Studie steht Tempo an der Spitze der resilientesten Marken Deutschlands. Dahinter: Samsung (Unterhaltungselektronik), Nivea (Pflegeprodukte), Coca-Cola (Getränke) und Miele (Haushaltsgeräte). Zu den betrachteten Krisen gehörten in der Studie unter anderem die Corona-Pandemie, die hohe Inflation und „aktuelle geopolitische Verwerfungen“.
Essity in Mannheim hat 2.300 Beschäftigte
In Mannheim wird Tempo mittlerweile auf fünf Anlagen gefertigt. „Wir kommunizieren exakte Produktionsmengen grundsätzlich nicht, können aber sagen, dass wir in Mannheim pro Jahr Einzelpäckchen im hohen dreistelligen Millionenbereich produzieren“, teilt eine Sprecherin von Essity mit. Insgesamt beschäftigt der schwedische Konzern am Standort fast 2.300 Menschen, davon etwa 1.200 in der Produktion.
Rebrandings aus der Region
Der Begriff Rebranding stammt aus dem Marketing und bezeichnet die Veränderung einer etablierten Marke. Das kann ein neues Design sein, ein neues Konzept oder gar ein neuer Name. In der Region gibt es einige bekannte Beispiele für Rebrandings.
Holiday Park: Der Freizeitpark in Haßloch wird ab 28. Juni unter neuem Namen firmieren – unter „Plopsaland Deutschland“. Der Name geht auf den belgischen Betreiber zurück, die Umbenennung soll Teil eines umfassenden, 100 Millionen Euro schweren Zukunftsplans sein.
Heidelberg Materials: Im September 2022 gab der Baustoffkonzern HeidelbergCement bekannt, künftig Heidelberg Materials zu heißen. Materials soll für „ein innovatives Portfolio nachhaltiger und intelligenter Baustoffe sowie digitaler Lösungen“ stehen. Und eben nicht nur für Zement. Klimaschützer allerdings sprachen von Greenwashing.
Capri Sun: 2017 wurde das Fruchtsaftgetränk Capri-Sonne, das in Eppelheim produziert wird, in Capri Sun umbenannt. Der Hersteller wollte die Marke damit internationaler ausrichten. Kurz danach schwappte eine Protestwelle enttäuschter Kunden durchs Netz.
MVV: Nach mehr als drei Jahrzehnten hatte das sternförmige Logo der Mannheimer MVV Energie ausgedient. Der Versorger präsentierte 2017 auf dem Maimarkt sein neues Markenzeichen – farbige, dynamische sogenannte Energieschleifen, die die Buchstaben MVV formen.
SAP: 2014 führte der Walldorfer Softwarekonzern SAP testweise ein orangefarbenes Logo ein. Allerdings waren die Beschäftigten alles andere als begeistert, die internen Diskussionen nahmen überhand. Der damalige Vorstandsvorsitzende Bill McDermott zog die Notbremse. Seither schimmert das Logo wieder in Blau.
2023 war die Tempo-Produktion von Neuss (Nordrhein-Westfalen) nach Mannheim gezogen. Denn Essity ordnete seine Produktionsstandorte neu: Mannheim sollte zum Markenstandort ausgebaut werden und Neuss sich auf Handelsmarken fokussieren. Das sind Produkte, die Essity für Discounter und andere Handelsketten herstellen und die diese dann unter ihren eigenen Marken verkaufen.
Die Taschentuch-Herstellung hat in Mannheim eine lange Tradition. Früher, Essity hieß damals noch SCA, fertigte die Belegschaft hier die Taschentuch-Marke Sofis. 2007 übernahm SCA einen Teil der Hygienepapier-Sparte des US-Konzerns Procter&Gamble – und damit auch die Marke Tempo. Da die Schweden nach Ansicht der EU-Wettbewerbsbehörden dadurch zu viel Macht auf dem Taschentuch-Markt hatten, musste SCA die Marke Softis verkaufen.
Tempo ist in Deutschland nach Angaben von Essity Marktführer – und in vielen anderen Ländern etabliert, darunter Österreich, Schweiz, Italien und Hongkong.
Bleibt noch die Frage, woher der Name Tempo eigentlich stammt. Tatsächlich geht er auf den Zeitgeist der 1920er Jahre zurück. Die Gesellschaft lebte von Geschwindigkeit. Auch Erfinder Oskar Rosenfelder und sein Bruder Emil Rosenfelder empfanden die Zeit schnelllebig, und so war Tempo geboren. Fix aus dem Päckchen geholt, auseinandergefaltet, nach Gebrauch entsorgt – fertig.
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