Immer mehr Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen. Laut Bundesarbeitsministerium ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage von Beschäftigten aufgrund psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen 2023 auf 130 Millionen Tage gestiegen. Das waren vier Millionen mehr als 2021. Die dadurch verursachten volkswirtschaftlichen Kosten lagen demnach bei 17,2 Milliarden Euro. Die Gründe seien vielfältig, so das Ministerium, zum einen fühlten sich die Menschen durch die aktuellen Krisen belastet, zum anderen gibt es eine größere Offenheit beim Umgang mit psychischen Erkrankungen.
Letzteres ist der Ansatz von Couch:now, einer Plattform für Online-Selbsthilfe. Weil Therapieplätze rar sind und die Hürde, sich überhaupt Hilfe zu holen, hoch, hat das Mannheimer Start-up E-Health Evolutions mit Couch:now die Therapie ins Internet verlegt. Therapeuten, Psychologinnen und Wissenschaftler haben exklusiv Video-Episoden produziert, die sich der Abonnent von Couch:now ansehen kann. Geschäftsführer der E-Health Evolutions GmbH sind Denis Lademann und Andreas Leonhard. Das Start-up gehört zu dem Mannheimer IT-Unternehmen Performance One.
Das Themenspektrum bei Couch:now reicht von Ehe- und Paarproblemen über Einsamkeit bis hin zu Erschöpfung, Stress, Burnout. Bislang gibt es mehr als 300 Videos. Um möglichst individuell die Menschen beraten zu können, leitet eine Künstliche Intelligenz (KI) den Nutzer durch das Programm. Zu Beginn wird ein Fragebogen zur Lebenssituation, dem psychischen Belastungsgrad und den Themen, den den Nutzer beschäftigen, ausgefüllt. Auf Basis der Antworten ermittelt die KI dann, welche Videos für die aktuelle Situation am hilfreichsten sind. Nach jeder angesehenen Episode werden Wohlbefinden, Fortschritte, weitere Fragen und Probleme ermittelt. „Je länger sich der User auf der Plattform bewegt, desto besser lernt die KI ihn kennen und kann ihm immer präziser Inhalte vorschlagen“, erläutert Leonhard das System.
Vor zwei Jahren online gegangen, haben bislang 4000 User die Plattform genutzt. Den 8000 Mitarbeitenden der Stadt Mannheim steht Couch:now derzeit kostenlos zur Verfügung. Hintergrund ist, dass die Wirksamkeit der Methode wissenschaftlich überprüft werden soll. Für ein Jahr, bis August dieses Jahres, können interessierte Stadtmitarbeiter die Plattform nutzen und füllen auf freiwilliger Basis Fragebögen aus, die die Universität Mannheim auswertet.
Erste Ergebnisse liegen bereits vor. „Nach vier bis fünf Wochen sehen die Nutzerinnen und Nutzer einen Rückgang der psychischen Belastungen, wobei das Angebot sowohl von Menschen mit geringem Stresslevel genutzt wird als auch von Mitarbeitenden, die sich stark belastet fühlen“, erklärt Leonhard.
Die Stadt wiederum sieht Couch:now als eine niederschwellige Möglichkeit, sich Hilfe zu holen. „Wir hoffen, dass dieses Angebot auch diejenigen erreichen kann, die sich in einer Belastungssituation (noch) nicht zu einer persönlichen Beratung entschließen konnten“, betont Stadtsprecher Dirk Schuhmann. Die zweite Hoffnung: zu einer Sensibilisierung für die Themen Umgang mit Stress oder Einsamkeit beizutragen.
Im Sommer will die E-Health Evolutions GmbH eine App auf den Markt bringen: harmony. Dort sollen Themen wie Prävention, Ernährung, Bewegung eine Rolle spielen.
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