Tauber-Odenwald. Kaffeeliebhaber müssen stark sein, wenn sie Steffen Schwarz zuhören: Der Experte aus Mannheim kennt sich bestens aus in der Welt des Kaffeeanbaus. Im Mannheimer Stadtteil Neuostheim, in der Nähe der Hochschule DHBW, betreibt er rund um das beliebte Heißgetränk ein eigenes Forschungs- und Ausbildungszentrum, das Coffee Consulate. Und er kann die immensen Herausforderungen, vor denen die Kaffeewelt steht, in allen Details ausmalen.
Die größte davon: der Klimawandel. Je nach Anbauregion stellt er die Farmer vor verschiedene Probleme. Längere Trockenphasen bekommen den Kaffeepflanzen zum Beispiel gar nicht gut. Sie sind, bis auf ganz wenige Ausnahmen, Flachwurzler und können sich deshalb keine Feuchtigkeit aus tiefen Erdschichten holen. Vor allem nach der Blüte brauchen sie Regen. Bleibt er aus, bildet die Pflanze keine Kaffeekirschen. Und damit auch keine Bohnen, die in der Kirsche enthalten sind.
Immer häufiger kommt der Regen zur falschen Zeit
Dabei ist es gar nicht unbedingt so, dass es in den Kaffee-Anbauregionen der Welt aufgrund des Klimawandels insgesamt zu wenig Niederschlag gibt. „Er kommt aber immer häufiger zur falschen Zeit. Es regnet, wenn es trocken sein soll und es ist zu trocken, wenn es regnen sollte“, fasst Schwarz das Problem bei einer Veranstaltung mit dem Club Kurpfälzer Wirtschaftsjournalisten zusammen.
Regnet es beispielsweise kurz vor der Ernte, können die Kaffeekirschen aufplatzen, was den Ertrag schnell mal halbieren kann. „In Indien zum Beispiel habe ich das in den letzten Jahren häufig gesehen“, sagt Schwarz. Dort sei die Produktion dramatisch heruntergefahren, teils liege der Ertrag bei nur noch 35 Prozent.
Weil es häufiger zwischendurch regnet, sind die Farmer gezwungen, öfter zwischendurch zu ernten - und auch der anschließende Trockungsprozess wird durch zu viel Niederschlag zur falschen Zeit erschwert. Das wiederum wirkt sich unmittelbar auf das Kaffee-Produkt aus: „Es gibt immer weniger Spitzenqualität, das können die Farmer gar nicht anders liefern. Man kann auch nicht mehr alle Geschmacksrichtungen anbieten.“ Gleichzeitig treiben die Probleme die Produktions-Kosten in die Höhe: Laut Schwarz macht das Pflücken und Trocknen mit rund 80 Prozent den Löwenanteil aus. Müssen die Farmer öfter zwischenernten, werde es entsprechend teuer.
Kaffeekirschenkäfer macht den Farmern das Leben schwer
Zuguterletzt begünstigt der Klimawandel Schädlinge, die den Pflanzen zusetzen: So hat der vor allem in Ostafrika verbreitete Kaffeekirschenkäfer laut Schwarz ein verändertes Verdauungsenzym entwickelt, mit verheerenden Folgen: Knabbert der Käfer an den Kaffeekirschen, bilde sich ein Geschmack, der an faulige Kartoffeln erinnere - definitiv nichts, was man gerne morgens in der Tasse hat. Auch der Kaffeerost, ein Pilz, hat es durch den Klimawandel leichter, sich zu verbreiten.
Die größten Produzenten
Der größte Kaffeeproduzent weltweit ist derzeit Brasilien , gefolgt von Vietnam und Kolumbien. Auf Platz vier folgt Indonesien.
Weitere wichtige Produktionsländer sind Äthiopien, Mexiko und Indien .
Getrunken wird der meiste Kaffee ebenfalls in Brasilien. Hier liegt der durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei sechs Kilogramm . Es gibt zwar Länder, in denen der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch um einiges höher liegt. Mit einer Einwohnerzahl von mehr als 210 Millionen Menschen liegt Brasilien beim Gesamtkonsum aber trotzdem vorn.
Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland lag zuletzt bei rund 5,5 Kilogramm im Jahr.
„Wir werden ganz viele Flächen verlieren“, bilanziert Schwarz die Folgen des Klimawandels für den Kaffeeanbau. Das verringerte Angebot trifft gleichzeitig auf eine wachsende Nachfrage, zumindest global betrachtet. Denn während in den gesättigten Märkten wie Deutschland die jüngeren Generationen inzwischen eher zu anderen Koffeinquellen greifen - zum Beispiel Energydrinks - steigt in großen Schwellenländern der Kaffeedurst.
China kauft ganze Ernten auf 20 Jahre im Voraus
So sei beispielsweise in Indien - eigentlich ein klassisches Teetrinker-Land - der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Kaffee auf 93 Gramm gestiegen. Das ist zwar immer noch deutlich weniger als in Deutschland, wo jeder Bundesbürger und jede Bundesbürgerin im Schnitt 5,5 Kilogramm Kaffee pro Jahr verschlürft. Trotzdem ist Schwarz überzeugt: „In fünf Jahren werden die Inder mehr Kaffee trinken als sie selbst produzieren.“ Andernorts sei die Entwicklung ähnlich: „Mexiko exportiert schon fast keinen Kaffee mehr.“
Auch in China wächst der Kaffeedurst. Dort ansässige Händler und Röstereien machen laut Schwarz zunehmend Exklusivverträge vor allem mit asiatischen Kaffee-Farmern, zum Beispiel in Indonesien. „Da werden ganze Märkte auf 20 Jahre im Voraus leergekauft“, sagt Schwarz.
Sinkendes Angebot, wachsende Nachfrage: Das schlägt sich unmittelbar in den Preisen nieder. Kaffee sei derzeit so teuer wie nie. Allein in den letzten drei Jahren ist der Preis an den Börsen in New York - hier wird die Sorte Arabica gehandelt - und London (Sorte Canephora) laut Schwarz um rund 300 Prozent gestiegen. Und der Kaffeeexperte ist sicher: Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. „Der Preis wird sich weiter an die tatsächlichen Produktionskosten anpassen“.
Hoffnung durch andere Pflanzenart
Über dem europäischen Kaffeemarkt schwebt Schwarz zufolge neben alldem auch noch die EU-Entwaldungsverordnung, kurz EUDR. Deren Umsetzung wurde zuletzt verschoben, sie soll nun aber zum Jahresende kommen. Im Kern zielt das Regelwerk darauf ab, dass bestimmte Rohstoffe und Produkte wie Kaffee, Kakao oder Soja künftig in der EU nur noch verkauft werden dürfen, wenn für ihren Anbau kein Wald abgeholzt wurde. Für Kaffeefarmer weltweit bringe die Verordnung Unsicherheit mit sich - nicht zuletzt mit Blick auf die damit verbundene Nachweispflicht, sagt Schwarz. Denkbar sei daher, dass manche Plantagen ihre Kaffeebohnen lieber gleich in andere Regionen verkaufen, zum Beispiel nach Asien, wo die Importvorgaben weniger streng sind.
Sollten sich Kaffeefans also mit Blick auf die schwierigen Rahmenbedingungen langsam aber sicher nach einem neuen Lieblingsgetränk umschauen? Zumindest in einem Punkt kann Schwarz Hoffnung machen: Für Farmer gebe es durchaus Möglichkeiten, die Folgen des Klimawandels zumindest abzupuffern. Zum Beispiel, indem sie auf ihren Plantagen ein besseres Mikroklima schaffen: Durch das Pflanzen von Bäumen etwa, die dann den Kaffeesträuchern Schatten spenden und sie gleichzeitig ein Stück weit vor starkem Regen schützen. Mit der bisher eher wenig beachteten Kaffeeart Liberica gebe es zudem Pflanzen, die deutlich tiefer wurzeln könnten als die verbreiteten Arten Arabica und Canephora.
Zwar habe das große Umdenken bei den Farmern bisher noch nicht stattgefunden. Allerdings sei das Thema inzwischen bei den großen Kaffeehändlern und Röstereien zunehmend auf der Agenda. „Wenn die Veränderungen durchsetzen, auf ihren eigenen Farmen und bei ihren Lieferanten, kann das etwas ins Rollen bringen“, glaubt Schwarz.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-kommen-auf-kaffeetrinker-harte-zeiten-zu-herr-schwarz-_arid,2294359.html