Mannheim. Für einen kleinen Teil der an das Fernwärmenetz angeschlossenen Haushalte in Mannheim und der Region kommt die Wärme künftig aus dem Rhein. Mit der ersten Flusswärmepumpe in Mannheim, die die MVV am Mittwoch in Betrieb genommen hat, können rechnerisch rund 3500 Haushalte versorgt werden. Zum Vergleich: Insgesamt beziehen rund 165 000 Haushalte in Mannheim und umliegenden Kommunen Fernwärme. Sie wird noch zu etwa zwei Dritteln aus Steinkohle erzeugt.
Trotzdem kommt der neuen Anlage eine besondere Bedeutung zu. Denn die MVV hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Fernwärme in Mannheim und der Region komplett klimaneutral zu erzeugen. Hierfür zählt jeder Beitrag. Deshalb nannte MVV-Vorstandschef Georg Müller die Inbetriebnahme der neuen Anlage einen „zentralen Meilenstein“. Habe die Fernwärme vor einigen Jahren noch als Sackgasse gegolten, stehe sie heute in Ballungsgebieten als bevorzugte Wärmeerzeugung da. „Mannheim ist erneut Vorreiter bei der Gestaltung der Energiewende“, sagte Müller.
Die Flusswärmepumpe des Mannheimer Energieversorgers hat eine thermische Leistung von 20 Megawatt und ist nach Unternehmensangaben die größte in ein Fernwärmenetz integrierte Wärmepumpe in Deutschland und eine der größten ihrer Art in Europa. Sie befindet sich auf dem Gelände des Grosskraftwerks (GKM), zwischen Block 7 und Block 8. Ihre Bauzeit betrug rund eineinhalb Jahre. Mit ihrem Betrieb sollen jährlich rund 10 000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden.
Funktion wie ein Kühlschrank
Die 142 Tonnen schwere Anlage, die von Siemens Energy in Schweden gefertigt worden ist, funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie der Kühlschrank in der heimischen Küche. Während beim Kühlschrank die Wärmeenergie aus dem Inneren nach außen abgegeben wird, nutzt die Wärmepumpe die Wärme, um das Fernheizwasser zu erwärmen.
Die Wärmeenergie des Rheinwassers - im Sommer erreicht es eine Temperatur bis zu 25 Grad, im Winter etwa fünf Grad Celsius - reicht laut MVV aus, um das Kältemittel in der Wärmepumpe zu verdampfen. Der Kältemitteldampf wird dann mithilfe eines strombetriebenen Verdichters komprimiert, damit Druck und Temperatur steigen. Durch Kondensation in einem Wärmetauscher wird mit der erzeugten Wärme des Kältemitteldampfs das Wasser, das durch die Fernwärmerohre fließt, erhitzt - auf eine Vorlauftemperatur von 83 bis zu 99 Grad.
Die neue Anlage nutzt die vorhandene Kühlwasserinfrastruktur des GKM und entnimmt dem Rhein rund 700 Liter Wasser pro Sekunde. Dieses wird mithilfe mehrerer Filter und Rechen gereinigt, um Fremdkörper wie Sand oder Algen zurückzuhalten. Je nach Jahreszeit wird das Rheinwasser um etwa zwei bis fünf Grad abgekühlt. Die neue Flusswärmepumpe soll auch noch bei extremem Niedrigwasser des Rheins arbeiten können.
„Wichtiger Teil der Versorgung“
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) sprach in ihrem Grußwort von einem „hohen Symbolwert für den Industriestandort“. Bei den Schritten zur Energiewende habe die MVV ein hohes Tempo vorgelegt. „Großwärmepumpen werden ein wichtiger Teil der Wärmeversorgung sein“, sagte die Ministerin. „Mein Anliegen ist es, diese Technologie in Baden-Württemberg an vielen Orten zu nutzen.“
„In Mannheim wird Zukunft gemacht“, sagte Oberbürgermeister Christian Specht (CDU). „Der Standort ist ein wesentlicher Bestandteil der Energie- und Wärmewende.“ Die Stadt stehe zu diesem Standort, die Flusswärmepumpe sei ein wunderbares Zeichen für die GKM-Mitarbeiter.
„Es gehört zur DNA des GKM, neuen Konzepten gegenüber aufgeschlossen zu sein“, erklärte der Technische Vorstand des GKM, Gerard Uytdewilligen. „Wir können hier die vorhandene Infrastruktur und die Anbindung an die Bestandsanlagen nutzen.“ Im GKM sei alles vorhanden, um Fernwärme auch ohne Kohle zur Verfügung zu stellen. Es sei auch „H2-ready“, also bereit für Wasserstoff. Uytdewilligen erinnerte daran, dass der Strombedarf im Jahr 2045 doppelt so hoch sein werde wie heute.
Bund fördert das Projekt
Früheren Angaben zufolge hat die MVV rund 15 Millionen Euro in das Projekt investiert. Von den Kosten trägt das Bundeswirtschaftministerium sechs Millionen Euro, denn die Mannheimer Flusswärmepumpe ist eines von bundesweit fünf Modellprojekten, genannt „Reallabor der Energiewende“, mit denen der Einsatz von Flusswärmepumpen mit verschiedenen Umweltwärmequellen getestet wird. Vorbild für die Technologie ist Schweden. Christian Maaß, Abteilungsleiter für Wärme, Wasserstoff und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium, ist überzeugt: „Großwärmepumpen werden die Standardtechnologie für die Wärmenetze sein. Wärme ist klimaneutral vorhanden, wir müssen sie nur nutzen.“
Im nächsten Schritt zu einer klimafreundlichen Fernwärmeerzeugung bis 2030 will die MVV eine Klärschlammbehandlungsanlage in Betrieb nehmen. Im kommenden Jahr soll außerdem das Biomassekraftwerk der MVV an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-in-mannheim-kommt-fernwaerme-kuenftig-aus-dem-rhein-_arid,2135079.html