Gimmeldingen. Gimmeldingen. „Hinter uns liegt eine gute Saison“, freut sich Sophie Christmann angesichts der aktuellen Weinlese, die gerade in den letzten Zügen steckt. Da die Reben das ganze Jahr mit ausreichend Feuchtigkeit versorgt waren, konnten die Trauben gut ausreifen. „Der Jahrgang zeigt sich im Keller sehr vielversprechend“, berichtet die Winzerin, die 2017 ins Familien-Weingut Christmann im Neustadter Ortsteil Gimmeldingen eingestiegen ist.
Zusammen mit ihrem Vater Steffen kann sie wieder auf Spitzenweine hoffen. Mit denen hat sich der 59-Jährige in 30 Jahren nicht nur in Deutschland, sondern international in die Spitze gekämpft. Schon seit 2007 bemüht er sich zudem als Präsident des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) um das Renommee des Spitzenweins.
Verband Deutscher Prädikatsweingüter
Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) vereint rund 200 der besten deutschen Weingüter in allen Weinbauregionen.
Aus der Pfalz sind es derzeit 27, aus Baden 20. Seit seiner Gründung 1910 bemüht er sich um einheitliche Qualitätsstandards.
Steffen Christmann steht seit 2007 als Präsident an der Spitze. Fünf Jahre danach wurden die aktuellen Qualitätsstufen für die Weine der Mitglieder eingeführt: An der Spitze stehen VDP.Große Lage und VDP.Erste Lage, darunter Ortsweine und Gutsweine.
„Seit 1798“ steht stolz auf den Flaschen. Steffen Christmann führt das Familienweingut in der siebten Generation, seine Tochter Sophie repräsentiert die achte. Klein, aber fein - das wäre als Motto für die beiden noch tiefgestapelt. Wo andere Weingüter ihre Anbaufläche immer mehr vergrößern, haben sie sich vor zwei Jahren von Weinbergen getrennt und ihre Jahresproduktion um ein Drittel auf 100 000 Flaschen reduziert.
Das klingt wenig für 20 Hektar, die sie bewirtschaften - andere Winzer produzieren auf dieser Fläche locker dreimal so viel und mehr. „Wir konzentrieren uns auf das, was uns am meisten Spaß macht und was hierher passt“, erklärt Sophie ihr Konzept. Die Konzentration auf Top-Qualitäten ist auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit: Viel Handarbeit und Handlese schlagen sich nicht nur bei der Qualität nieder, sondern auch bei den Kosten. Bei einfacheren Weinen rechnet sich das nicht.
„Den bestmöglichen Wein in kleiner Menge machen“
Steffen Christmann startete nach dem Abitur zweigeleisig: Seine Weinbauausbildung absolvierte er parallel zum Jurastudium. Zeitweise war der Vater von vier Kindern auch als Rechtsanwalt zugelassen, doch letztlich siegte seine Liebe zum Wein. Als Sophie nach dem Weinbaustudium im hessischen Geisenheim in den Betrieb einstieg und klar war, dass die heute 31-Jährige diesen mit ihm viele Jahre gemeinsam bewirtschaften würden, „da haben wir diskutiert: Wo wollen wir hin?“, berichtet sie.
Leiten ließen sie sich von einem Schweizer Weingut. „Die konzentrieren sich darauf, den bestmöglichen Wein in kleiner Menge zu machen.“ Genau das ist auch ihr Konzept. „Es gibt keinen Platz auf der Welt, wo man besseren Riesling machen kann, als hier“, ist Steffen Christmann überzeugt. „Beim Spätburgunder sind wir auf dem Weg dorthin.“ Um ihn kümmert sich schwerpunktmäßig Sophie.
Der Anteil des Spätburgunders an der Rebfläche ist auf 30 Prozent gewachsen. Auf Riesling entfallen zwei Drittel, nur noch ein kleiner Teil auf Weißburgunder. Ganz überwiegend produziert das Familienweingut die obersten Qualitätsstufen VDP.Großes Gewächs und VDP.Erstes Gewächs. Handarbeit und konsequente Reduzierung der Erntemenge haben ihren Preis: Der Riesling VDP.
Großes Gewächs des Jahrgangs 2023 steht mit 67 bis 73 Euro in der aktuellen Preisliste - pro Flasche, wohl gemerkt. Beim Ersten Gewächs sind es 35 Euro. Der 2021er Spätburgunder liegt als Großes Gewächs mit 95 Euro noch darüber. Was an Wein die hohen Qualitätskriterien nicht schafft, wird unter dem Namen „Aus den Lagen“ verkauft.
Rund ein Fünftel der 100 000 Flaschen im Jahr geht aktuell als einfacher Gutsriesling nach Schweden. Von den Topweinen wird knapp die Hälfte in 25 Länder exportiert. 20 Prozent nehmen Privatkunden ab, die zweimal im Jahr die Gelegenheit bekommen, den neuen Jahrgang zu reservieren. Trotz der hohen Preise wird dies lebhaft genutzt. Vorteil: Verkauf und Versand konzentrieren sich auf wenige Wochen. Für spontane Besucher des Weinguts in Gimmeldingen bleibt kaum etwas. Auf einen Onlineshop verzichten Christmanns. Rund ein Drittel geht an die gehobene Gastronomie, entweder direkt oder über Großhändler.
So kommt das Weingut auf einen Jahresumsatz von etwa 2,2 Millionen Euro. Die Ertragslage bezeichnet Steffen als zufriedenstellend: Sie ermögliche Investitionen in die Zukunft und eine gute Bezahlung der Mitarbeiter. Zu fünf festen Mitarbeitern und zwei bis drei Auszubildenden kommen etwa 30 Saisonkräfte für die arbeitsintensive reine Handernte. Dabei helfen drei polnischen Familien teilweise schon seit 1990.
Rieslingsekt nähert sich der Preisklasse von Champagner
Vor fünf Jahren haben sich Sophie und Steffen Christmann an ein besonderes Experiment gewagt: das eigene Sektgut. Zu diesem Zeitpunkt war es das Ergebnis von gleich zwei Zufällen: Ein benachbartes renommiertes Weingut bot ihnen mangels Nachfolger seine Weinberge zur Pacht an. Zudem war Mathieu Kauffmann, der befreundete langjährige Chefkellermeister des Champagnerhauses Bollinger, gerade in Deidesheim bei einem Weingut gegangen. Mit ihm gründeten sie die Sektgut Christmann Kauffmann GmbH.
Auch damit wollen sie an die Spitze - eine aufwendige und langwierige Sache, schon weil der Sekt 32 Monate in der Flasche reifen muss. Der erste größere Jahrgang ist auf den Markt gekommen. Mit 38 Euro pro Flasche nähert sich der Rieslingsekt der Preisklasse von Champagner. Christmanns sind mit der Nachfrage zufrieden. Längerfristig peilen sie bis zu 90 000 Flaschen im Jahr an.
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