Walldorf. Cawa Younosi ist einer der bekanntesten Personaler Deutschlands und LinkedIn-Star. Sein - zumindest nach Außen - überraschender Abschied bei SAP hat hohe Wellen geschlagen und viele Fragen aufgeworfen. Zum ersten Mal seit seiner Ankündigung, den Walldorfer Softwarekonzern zu verlassen, äußert er sich in einem Interview mit dieser Redaktion. Es ist eher persönlich gehalten. In der Regel gelten bei Trennungsvereinbarungen mit hochkarätigen Managern strenge Verschwiegenheitsklauseln.
Herr Younosi, wie fühlt es sich an ohne SAP?
Cawa Younosi: Ich bin einerseits traurig, andererseits freue ich mich auf Neues und das wundert mich auch selbst nicht. Über 14 Jahre hatte ich eine super aufregende Zeit und nun freue ich mich unglaublich auf das nächste Kapitel meines Lebens.
Was waren denn nun die ausschlaggebenden Gründe für Ihren Abschied?
Younosi: Wenn man ein Unternehmen verlassen will, insbesondere nach so einer „Symbiose“ wie in meinem Falle, dann gibt es stets einen Strauß an Gründen, die in Summe den Ausschlag geben. Ich gehe ja nicht weg, sondern hin zu etwas Neuem. Angefangen hatte es bereits letztes Jahr mit einer schweren Erkrankung meiner Mutter, die vor den Taliban in die Türkei geflüchtet war. Nach ihrem Tod Anfang des Jahres habe ich, gemeinsam mit meiner Frau, vieles hinterfragt. Ich bin jetzt 48 und im Hinblick darauf, was ich in den letzten gut 15 Jahren alles lernen und erleben durfte und im Hinblick auf die künftigen Perspektiven stand dann der Entschluss fest, Neues zu wagen und mich zu verändern.
Beliebt sein ist das eine, Personalarbeit das andere.
Welche Rolle spielte dabei eine angebliche interne Untersuchung zu Ihrem Führungsverhalten, über die ein Medium berichtet hat?
Younosi: Ich habe diese Spekulationen leider auch zur Kenntnis genommen und zeitgleich die hunderten, öffentlichen Reaktionen der Kolleginnen und Kollegen auf LinkedIn gelesen. Das bewegt mich schon und freut mich. Mein Umfeld spiegelt meine Arbeit, mein ganzes Wirken der letzten Jahre ganz nah und unmittelbar. Ich bin letztlich immer auf dem Präsentierteller gewesen und eben nicht nur extern visibel mit allem umgegangen, was ich tue - sondern ich war es auch, insbesondere intern, und daraus ziehe und zog ich Kraft und Bestätigung. Beliebt sein ist das eine, Personalarbeit das andere und ich habe ein tolles Team gehabt. Die Betriebsratschefs der SAP SE und SAP Deutschland als auch die Konzernbetriebsratsvorsitzende haben offen und sichtbar ihr Bedauern und ihre Wertschätzung geäußert und das mit einer Dekade an Sozialpartnerschaft auf dem Buckel mit vielen schwierigen Themen, bei denen wir auch inhaltlich oft hart zur Sache gingen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und auch deren Reaktion bedeutet mir viel.
Über Cawa Younosi
Der Manager, 48 Jahre alt, stammt aus Afghanistan. Als Jugendlicher flüchtete er aus seiner Heimatstadt Kabul.
In Bonn studierte Younosi Jura. Seine Karriere startete er als Arbeitsrechtler bei der Deutschen Telekom. 2009 folgte der Wechsel zu SAP.
Seit 2018 war Younosi als Personalchef von SAP Deutschland verantwortlich für rund 24 000 Beschäftigte.
Was nehmen Sie mit aus Ihrer Zeit bei SAP?
Younosi: Der enorme „lovestorm“ bei meinem Abschied hat bestätigt, was ich immer geglaubt habe. Es kommt am Ende nicht nur darauf an, irgendwelche Planzahlen stets pünktlich abzuliefern, sondern welchen Eindruck man bei den Menschen erzeugt und wie man sie bewegt. Der US-amerikanische Basketballspieler Michael Jordan hat einmal gesagt: „Als Talent gewinnt man einzelne Spiele. Aber nur als Team ganze Wettbewerbe." Nun, ich bin zutiefst dankbar dafür, dass ich letztlich die „Projektionsfläche“ für die wunderbare Arbeit von vielen tollen Menschen gewesen bin, mit denen ich zusammenarbeiten durfte.
Zunächst können Sie sich vorstellen, für Vorträge oder Personalberatungen gebucht zu werden. Wie viele Jobangebote haben Sie schon?
Younosi: Ich habe einige Engagementanfragen, von Keynotes angefangen bis Beratungsanfragen in Sachen Employer Branding, Diversity, Social Media für Vorstände, Kooperationen auf LinkedIn und etwas, was mich positiv überrascht hat: einen Betriebsrat in einer Einigungsstelle in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu unterstützen. In Sachen Jobangebote sind interessante Perspektiven da, aber noch nichts, bei dem ich sofort zuschlagen muss. Ich möchte mir erstmal Zeit nehmen, Abstand zu gewinnen.
Wie sehen Ihre Pläne mittelfristig aus? Können Sie sich vorstellen, wieder für einen Dax-Konzern zu arbeiten?
Younosi: Für mich ist weniger die Unternehmensgröße ein Maßstab als die Aufgaben und vor allem die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten würde. Wenn die Werte übereinstimmen, ich mit meinen Erfahrungen und meinem Wissen im Sinne der Beschäftigten und des Unternehmens wirksam sein kann, dann bin ich offen für Start-ups, den klassischen Mittelstand oder den Dax.
Sie wohnen in Walldorf unweit von SAP. Bleiben Sie hier oder zieht es Sie woanders hin?
Younosi: Wir bleiben hier wohnen. Walldorf ist eine wunderbare Stadt, Heimat für unseren Sohn, der hier zur Schule geht. Wir planen daher aktuell keinen Umzug.
Tief im Inneren fühle ich mich immer noch wie der 14-jährige Flüchtling, der ohne seine Eltern und mit einer Tüte an Habseligkeiten nach Deutschland gekommen ist.
Ihr Abschieds-Post auf LinkedIn hat mehr als 8000 Likes und mehr als 800 Kommentare. Was gibt Ihnen das?
Younosi: Das war überwältigend auf vielen Ebenen für mich. Dazu kamen noch hunderte nicht-öffentliche Nachrichten als SMS oder Mails und das trifft einen demütigen Kern meiner Geschichte und meines Wesens. Tief im Inneren fühle ich mich immer noch wie der 14-jährige Flüchtling, der ohne seine Eltern und mit einer Tüte an Habseligkeiten nach Deutschland gekommen ist. Ich hätte mir damals niemals im Leben vorstellen können, dass ich mit Ihnen jetzt über meinen Jobwechsel sprechen darf, oder dass tausende Menschen sich dafür interessieren oder eine Meinung zu mir haben. Das ist nach wie vor irgendwie unwirklich und hört wahrscheinlich nie auf. Und das ist auch gut so, es gehört zu mir.
Muss ein Personaler heutzutage so stark auf Social Media aktiv sein wie Sie?
Younosi: LinkedIn als zusätzlicher Kommunikationskanal nach innen und außen ist heutzutage nicht wegzudenken. Das heißt jedoch nicht, dass alle da mitmachen müssen. Entscheidend ist, ob man sich dabei wohl fühlt, die Zielerfüllung dadurch unterstützt wird und es insgesamt einen Mehrwert für den Job liefert. Wenn nicht, dann sollte man es lassen. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen: im Zweifel einfach probieren. Selbstempfundene Talentfreiheit darf zunächst kein Hinderungsgrund sein . . .
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