Wiesloch. „Wir sind gut aufgestellt, gehen nach vorn und wollen weiter wachsen.“ Jürgen Otto, der Vorstandsvorsitzende der Heidelberger Druckmaschinen AG, gibt sich zuversichtlich, dass es ihm gelingt, die Position als größter Druckmaschinenhersteller der Welt zu verteidigen, auch wenn es 175 Jahre nach der Gründung jede Menge Herausforderungen gibt.
Das betonte er bei einem Besuch des Clubs der kurpfälzischen Wirtschaftsjournalisten in der Konzernzentrale in Wiesloch. „Die Firma war in keinem guten Zustand, und das seit Jahren“, schilderte er die Ausgangslage, als er im Juli 2024 die Leitung des Traditionsunternehmens übernahm. Er versteht sich weniger als Sanierer, sondern eher als „Vorwärtsentwickler“.
Heidelberg-Chef Otto schwärmt von der Stimmung im Unternehmen
Heidelberg ist ein Stück weit Opfer des eigenen Erfolgs: Die Druckmaschinen werden immer schneller und leistungsfähiger, und dadurch brauchen die Kunden immer weniger neue Anlagen. Daher hat sich das Unternehmen auf Verpackungen konzentriert und zum Komplettanbieter entwickelt: Vom Papier bis zur fertigen Schachtel bietet es den Kunden alle Produktionsschritte. Nicht zu vergessen den Service, der in 170 Ländern mit 2.500 Mitarbeitern dafür sorgt, dass die Maschinen rund um die Uhr laufen. Die Stimmung im Unternehmen sei anders als vor einem Jahr, die Kultur und der Spirit intakt. Otto schwärmt vom „tollen Team“ und den großen Kompetenzen im Konzern.
Allerdings sind die hohen Personalkosten in Deutschland ein großes Problem. Einfachere Maschinen zur Weiterverarbeitung nach dem Druck wären aus deutscher Produktion zu teuer, „sie sind nicht mehr wettbewerbsfähig“. Daher werden sie in Osteuropa oder China gebaut. In den Zukunftsmarkt Indien will Otto verstärkt einsteigen, doch mit teuren Maschinen aus Wiesloch funktioniert das nicht.
Eine andere Herausforderung sind die hohen Strompreise in Deutschland. Das zeigt beispielhaft das Werk in Amstetten bei Ulm, wo 700 Mitarbeiter Gussteile herstellen, wofür viel Strom für die Schmelze benötigt wird. Doch der sei „so teuer, dass wir hier im globalen Wettbewerb große Kostennachteile im Markt haben“. Daher hofft Otto, dass die Politik endlich reagiert und spätestens Anfang 2026 einen günstigen Industriestrompreis für große Verbraucher einführt. Er steckt in einem Dilemma: Er möchte ungern alle Gussteile aus China beziehen, weil er weiß, wie groß die Abhängigkeit dadurch bei diesen zentralen Teilen würde.
Insgesamt geht der Konzernchef mit der Politik hart ins Gericht: „Es geht um den Kern des Industriestandorts“, sieht er die Probleme der Industrie zu wenig berücksichtigt. Von der Bundesregierung erwartet Otto deutlich mehr Unterstützung.
Heideldruck will Zulieferer von Teilen bleiben, keine kompletten Systeme anbieten
Den Einstieg in eine ganze neue Aktivität als zweites Standbein geht Heidelberg auf dem großen Firmengelände in Wiesloch an: die Verteidigungstechnik. Eine riesige Halle für den schweren Maschinenbau samt Schwerlastboden und -kränen stand leer, seit der Konzern vor einigen Jahren sein Angebot bereinigt hat und bestimmte Maschinen nicht mehr selbst produziert, sondern mit Partnern anbietet.
Hier soll es 2026 losgehen, und die Ziele sind ehrgeizig: Im gesamten Industriesegment, zu dem das Rüstungsgeschäft zählt, hält Otto 100 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2028/29 für „absolut realistisch“: Die Dimension hängt unter anderem von politischen Entscheidungen ab, also von den Bestellungen. Allerdings will der Konzern Zulieferer von Teilen bleiben, etwa bei Energieversorgungsanlagen, und keine kompletten Systeme anbieten.
Dafür hat er eine erste Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsspezialisten Vincorion vereinbart. Technisch seien die Produkte für Heidelberg kein Problem. Von den Druckmaschinen hat der Konzern Erfahrungen mit höchster Präzisionstechnik und Qualität: „Wir bauen mit die komplexesten Maschinen der Welt, daher können wir praktisch alles.“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/wirtschaft/firmen_artikel,-heidelberger-druckmaschinen-wo-der-heideldruck-chef-die-chancen-und-probleme-im-markt-sieht-_arid,2337617.html