Wiesloch. „Mein Vater hat über 40 Jahre lang hier gearbeitet“, sagt Cornelia Neuweiler stolz. Aber nicht nur ihr Vater, auch ihr Bruder und Onkel waren viele Jahrzehnte bei Heidelberger Druckmaschinen, kurz Heidelberg oder Heideldruck, angestellt. Das Technologieunternehmen mit der Zentrale in Wiesloch produziert Druckmaschinen. Durch ihre Familie kam auch Neuweiler vor 40 Jahren zu Heidelberg. Sie lernte vor Ort ihren Mann kennen, der auch heute noch dort arbeitet - so wie sie selbst und der gemeinsame Sohn.
Dass viele Mitglieder einer Familie bei dem Unternehmen beschäftigt sind, ist laut Neuweiler nichts Außergewöhnliches. Auch Orhan Bekyigit geht es so: Seit etwa anderthalb Jahren arbeitet auch seine Tochter in der Firma. Bei einem Gespräch in Wiesloch erzählen die beiden Familien von ihren Erfahrungen im Unternehmen, das am 11. März Jubiläum feiert. Vor 175 Jahren wurde Heidelberger Druckmaschinen gegründet.
Es ist Tag der offenen Tür im Jahr 2007: Jonas Neuweiler - der Sohn von Cornelia und Joachim Neuweiler - will wissen, wo seine Eltern arbeiten. Der Achtjährige läuft über das Gelände in Wiesloch und ist von den vielen Hallen fasziniert. Jahre später macht er ein Praktikum bei Heidelberger Druckmaschinen. Eigentlich möchte Jonas Neuweiler Informatiker werden, aber nach einer Woche merkt er: Das ist es nicht.
Trotzdem bleibt er bei Heidelberg und fängt eine Ausbildung in einem anderen Bereich an. Heute ist der 26-Jährige in der Entwicklung tätig. Mit seinen Eltern arbeitet er nicht direkt zusammen. Cornelia Neuweiler ist Rechnungsprüferin, ihr Mann leitet die Werkslogistik am Standort Wiesloch-Walldorf. Aber nicht die komplette Familie ist bei Heidelberg angestellt. Jonas Neuweilers Schwester arbeitet bei BASF. „Sie soll machen, was sie will, solange es Spaß macht“, sagt Joachim Neuweiler dazu.
Wie haben die Mitarbeitenden von Heidelberger Druckmaschinen den Stellenabbau erlebt?
Während seiner Ausbildung wollte sich Jonas Neuweiler besonders anstrengen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Schließlich sei der Name seiner Eltern in der Firma bekannt. Ein großer Vorteil sei aber: Jonas Neuweiler hat von seinem Vater immer Ratschläge bekommen. „Und ich konnte morgens mit dem Auto mitfahren“, erzählt er begeistert.
Heute wohnt er nicht mehr bei seinen Eltern, aber Cornelia und Joachim Neuweiler können immer noch zusammen fahren oder gemeinsam zu Mittag essen. Zu Hause reden sie ab und an auch über die Arbeit, aber laut dem 58-jährigen Vater sei das „nicht einnehmend“. „Es gibt noch ein Leben neben Heidelberg“, fügt seine Frau hinzu.
Geschichte von Heidelberger Druckmaschinen
- Im Jahr 1850 wurde das Unternehmen als Glockengießerei in Frankenthal gegründet.
- Die bekannte Druckmaschine „Heidelberg Tiegel“ ist 1921 auf den Markt gekommen.
- 1926 wurde Hubert Sternberg zum Vorstandsvorsitzenden. In den nächsten 45 Jahren machte er Heidelberg zu einem weltweit agierenden Unternehmen.
- 1957 wurde das Werk Wiesloch eröffnet.
- Die erste Druckmaschine wurde 2004 mit dem Internet verbunden.
- Seit 2005 produziert Heidelberg auch im chinesischen Qingpu.
- 2009 wurde das Unternehmen mit Staatshilfe vor der Insolvenz gerettet .
- Seither wurden tausende Stellen abgebaut. So beschäftigte Heidelberg 2009 weltweit noch rund 20 000 Menschen , zuletzt waren es noch knapp 9500 .
- Auch aktuell läuft ein Sparprogramm , bei dem in Wiesloch noch einmal 450 Stellen wegfallen sollen.
- Am 11. März feiert Heidelberger Druckmaschinen 175-jähriges Jubiläum .
Seit Jahren baut das Unternehmen massiv Stellen ab. Auch die Stelle von Cornelia Neuweiler stand zur Diskussion, berichtet sie. Das habe ihr Angst gemacht. Sie habe sich dann auch extern beworben, jedoch gemerkt, dass sie gerne bei Heidelberg bleiben möchte: „Ich kann mir nicht vorstellen, was anderes zu machen.“ Auch, dass die Mitarbeitenden seit vergangenem Jahr weniger Homeoffice machen dürfen, hat sie „hart getroffen“, sagt die 57-Jährige.
Cornelia Neuweiler arbeitet ab und zu mit jungen Leuten zusammen - auch wenn es nicht ihr eigener Sohn ist. Einen Generationsunterschied auf der Arbeit merke sie schon. „Bei manchen braucht es etwas mehr Motivation, wenn man sagt, sie sollen eine Stunde länger bleiben“, sagt die Rechnungsprüferin. Orhan Bekyigit hat da andere Erfahrungen gemacht. Für ihn sind seine jungen Kolleginnen und Kollegen unbefangen, direkt und „erfrischend“, da sie Veränderungen hinterfragen.
Heidelberger Druckmaschinen in Wiesloch: Hohe Erwartungshaltung als Tochter des Standortleiters
Eine junge Kollegin - wenn auch nicht in derselben Abteilung - ist seit September 2023 seine Tochter Celine Bekyigit. Die 17-Jährige macht eine Ausbildung zur Industriekauffrau, ihr Vater ist Standortleiter in Wiesloch-Walldorf. Wenn Orhan Bekyigit außerhalb der regulären Arbeitszeit ins Werk musste, hatte er Celine früher oft dabei. „Sie ist damit aufgewachsen, regelmäßig vor Ort zu sein“, erzählt er.
Celine wusste schon immer, dass sie nach der Schule einen kaufmännischen Beruf erlernen will, erzählt sie. Der Wunsch, bei Heidelberg anzufangen, kam dann von ihr selbst. Ihr Vater berichtet von dem Gespräch damals: „Ich habe ihr gesagt: Überlege dir das gut. Die Erwartungshaltung wird hoch sein. Aber ich fand es schön, dass sie es gemacht hat.“
Andere Erwartungen haben Celines Kollegen tatsächlich. Sie haben „ein Auge darauf“, was die 17-Jährige macht und geben an ihren Vater weiter, wenn etwas „schiefgeht“, erzählt Celine schmunzelnd. „Sag doch deinem Papa, das gehört gemacht“, hört sie ab und zu von den anderen Auszubildenden. „Dann bekomme ich abends einen längeren Vortrag von Papa“, sagt Celine lachend.
Dass abends am Esstisch über die Arbeit geredet wird, bleibt laut Orhan Bekyigit nicht aus. Eine klare Trennung von Arbeit und Privatem funktioniere nicht. „Bekannte, Nachbarn und Freunde arbeiten hier“, erklärt der 47-Jährige, der seit über 25 Jahren bei Heidelberg angestellt ist. Deswegen gehe es zum Beispiel auch beim Grillen um die Arbeit. Laut Orhan Bekyigit belastet das aber nicht.
Dass seine Tochter in Zeiten des Stellenabbaus bei Heidelberg angefangen hat, beunruhigt Orhan Bekyigit nicht stark: „Ich bin überzeugt, dass das Unternehmen auch die 200-Jahre-Feier feiern wird. Wir müssen nur unsere Hausaufgaben machen und nicht die Augen verschließen.“ Der 15-jährige Bruder von Celine will sich nun auch bei Heidelberg bewerben. „Ich stelle mir bildlich vor, wie wir zu dritt am Tisch sitzen“, sagt sein Vater lachend.
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