Berlin. Niesattacken, laufende Nase, juckende Augen, Müdigkeit, Konzentrationsprobleme – Allergikerinnen und Allergiker kennen diese typischen Heuschnupfen-Symptome. Mit den Frühblühern Hasel und Erle ist die Saison gestartet. Die Birke wird bald folgen.
„Viele Daten zeigen, dass Heuschnupfen sowohl die allgemeine Lebensqualität als auch die Arbeitsproduktivität Betroffener einschränkt“, sagt Oliver Pfaar von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Ein ernstzunehmendes Problem. Immerhin habe mittlerweile rund jeder fünfte Deutsche eine manifeste Pollenallergie, so der Leiter der Sektion Rhinologie und Allergologie der HNO-Uniklinik Marburg. Die Zahl stagniere seit Jahren auf hohem Niveau.
„Allergieneigung weitet sich aus“
„Allerdings hat nicht gleich jeder Heuschnupfen, dem jetzt die Nase läuft“, sagt Thomas Fuchs. Er ist Vizepräsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen. Genau wie Pfaar betont auch er die Bedeutung einer fundierten Diagnose durch einen Facharzt oder eine Fachärztin, die über den klassischen Prick-Test hinausgeht. Eine gute Anlaufstelle seien Allergiezentren. Der Gang zum Hausarzt oder gar nur zur Apotheke reicht nach den Worten von Fuchs nicht. Anwendungen beim Naturheilkundler seien verschwendete Zeit.
Viele Betroffene nähmen Heuschnupfen auf die leichte Schulter, warnen die Experten. Dabei sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Allergiebereitschaft ohne fachmännische Behandlung im Laufe der Jahre verstärke. „Anfangs erleben Patienten, dass sie ein paar Wochen Probleme haben. Und dann vergessen sie die Geschichte“, so der Göttinger Allergologe Fuchs. „Doch die Krankheit kommt immer wieder und bei vielen weitet sich die Allergieneigung aus.“ Allergene kommen hinzu und sogenannte Kreuzallergien entstehen.
„Die Entzündung der oberen Atemwege kann sich bei einem nicht behandelten Heuschnupfen außerdem auf die unteren Atemwege ausbreiten“, ergänzt Pfaar. „Wir sprechen von einem ‚Etagenwechsel‘ des Entzündungsgeschehens.“ Kurz gesagt: Das Asthma-Risiko ist erhöht. Genau das lasse sich aber durch die richtige Therapie verhindern.
Pollen einfach aus dem Weg zu gehen ist laut den Experten kaum möglich – außer vielleicht in der Wüste. Allerdings empfiehlt Pfaar, am Abend Haare zu waschen und die Alltagskleidung vor dem Schlafzimmer abzulegen, um die Pollenzahl dort zu reduzieren. Er rät Betroffenen zusätzlich zu regelmäßigen Nasenduschen. „Aktuell liest man wieder überall, Betroffene sollen in der Stadt morgens und auf dem Land abends lüften, damit möglichst wenig Pollen in die Wohnräume gelangen“, sagt Susanne Jochner-Oette, Professorin für Landschaftsökologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. „Das kann ich aus wissenschaftlicher Sicht nicht bestätigen.“
Auch sich einfach ins Haus oder die Wohnung zurückzuziehen sei keine Option, sagt die Forscherin. „Untersuchungen zeigen, dass auch hier die Pollenbelastung oft sehr hoch ist.“ Käme Regen ins Spiel, sei die Konzentration in Innenräumen teils höher als im Freien. Dass die Pollenbelastung nach Regen draußen grundsätzlich geringer sei, diese Faustregel ist laut der Ökologin aber falsch. Bei Starkregen und Gewitter könnten Pollen aufplatzen und Allergene freisetzen.
Bei Heuschnupfen kommt es durch die allergische Reaktion zu Entzündungen in der Nase oder den Bronchien. „Diese sind auch nicht von jetzt auf gleich weg, wenn es regnet oder schneit“, erklärt Fuchs. Um die Entzündungen einzudämmen, brauche es sehr gute Arzneimittel. „Moderne Antihistaminika, Cortison-Präparate, lungenerweiternde Mittel oder auch die Hyposensibilisierung können hier helfen“, so der Allergologe.
Neue Generation von Nasensprays
Bei der Hyposensibilisierung werden die Allergene über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren monatlich hoch dosiert gespritzt oder kommen täglich als Tablette oder Tropfen unter die Zunge, damit der Körper diese im Laufe der Zeit nicht mehr als Gefahr ansieht.
Zur akuten Behandlung wurden über die Jahre diverse Antihistaminika entwickelt – Medikamente, die den Botenstoff Histamin blockieren und so Augenjucken und Co. verhindern. Es gibt sie rezeptfrei als Augentropfen, Nasenspray oder Tabletten. Seit einigen Jahren ist außerdem eine neue Generation cortisonhaltiger Nasensprays in der Apotheke frei verfügbar. „Allergologen können hier jedoch viel individueller beraten und besser wirksame, nebenwirkungsarme Präparate verschreiben“, betont Fuchs.
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