Interview

Alice Schwarzer findet „erstarrte Rolle als Ikone“ scheußlich

Die Publizistin im Gespräch mit Nina Gummich, die sie im ARD-Zweiteiler „Alice“ verkörpert

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#funke
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Alice Schwarzer (r.) und Nina Gummich sprechen über den ARD-Zweiteiler „Alice“. © Maurizio Gambarini/Funke Foto Services

Berlin. Sie war und ist eine der größten Kämpferinnen für Emanzipation und Gleichberechtigung: Alice Schwarzer, die Publizistin, Feministin und Herausgeberin der Frauenzeitschrift „Emma“. Am 3. Dezember wird sie 80 Jahre alt. Die ARD widmet ihr am 30. November einen Themenabend: mit der Doku „Die Streitbare - Wer hat Angst vor Alice Schwarzer?“ (23.50 Uhr) und davor dem Zweiteiler „Alice“ von Nicole Weegmann. Dabei wird sie verkörpert von Nina Gummich (31).

Frau Schwarzer, Sie werden 80 Jahre alt. Wie fühlen Sie sich? Und wie fühlt sich das an, einen Zweiteiler zum Jubiläum geschenkt zu bekommen?

Alice Schwarzer: Das sind viele Fragen auf einmal. Ich bin dieselbe, die ich immer war. Und innerlich fühle ich mich wie 20. Auch mal 80, wenn ich die Treppe rauf steige. Aber die Zahl wird einem ja von der Welt mitgeteilt. Also muss ich das zur Kenntnis nehmen. Da ist der Zweiteiler natürlich ein Geschenk. Obwohl ich erst große Bedenken hatte. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich gefragt wurde. Aber diesmal wurde ich überzeugt.

Gerade erschienen Ihre Autobiografien erstmals zusammen. Jetzt das Biopic. Haben Sie mit den Filmemachern zusammengearbeitet – oder hält man sich da tunlichst raus?

Schwarzer: Sagen wir: Ich wurde tunlichst rausgehalten. Das ist eigentlich auch richtig. Die Alice im Film ist ja eine Filmfigur. Aber es gab viele Gespräche mit dem Drehbuchautor. Und ich hatte ein Mitbestimmungsrecht bei den drei Hauptrollen. Da war für mich sehr rasch klar: Nina ist Alice. Wir hatten dann auch bald einen engeren Kontakt. Den haben wir uns aber erschlichen. Sie hat mich während des Drehs immer wieder angerufen und ins Telefon geflüstert, wie ich mich damals in der oder der Situation gefühlt oder wie ich das oder das gesagt hätte.

Nina Gummich: Ich fand, das kann man nicht machen, einen Film über jemanden drehen und ihn dann davon abzuschirmen. Ich habe Alice deshalb auch immer wieder geheime Fotos von den Dreharbeiten geschickt.

Schwarzer: Und das hat sehr geholfen. Natürlich war mir anfangs bang, aber als ich hörte und sah, wie es läuft, war ich beruhigt. Ich wusste: Die Dreharbeiten sind auf dem richtigen Weg.

Frau Gummich, Sie sind Jahrgang 1991. Was bedeutet Ihnen Alice Schwarzer, wie bekannt ist sie in Ihrer Generation heute noch?

Gummich: Sie war gefühlt einfach immer schon da. Und immer im Fernsehen. Als ich klein war, dachte ich deshalb, dass sie die Kanzlerin ist, ich wusste nur nicht, von welcher Partei. Aber erst durch die Beschäftigung mit dieser Rolle habe ich richtig begriffen, wo wir als Frauen heute stehen. Wie rückständig das alles noch vor ein, zwei Generationen war. Und welche Riesenschritte damals gemacht werden mussten. Und es war Alice, die diese Schritte möglich gemacht hat.

Wie war das denn für Sie beide, als Sie das erste Mal zusammenkamen

Gummich: Ich werde ja immer nur gefragt, wie das für mich war. Jetzt sag du mal, Alice. Das würde mich auch interessieren.

Schwarzer: Ich habe erst mal ein Dutzend Castingaufnahmen gesehen. Da gab es Kandidatinnen, die waren rein äußerlich dichter an mir dran. Aber als ich die Aufnahme von Nina sah, wusste ich: Sie ist es. Mit ihrer Kraft, Spontaneität und Lebendigkeit. Ich wollte sie dann kennenlernen. Und lud sie zum Essen ein.

Und sie kam da aufmerksam, aber sehr selbstbewusst an und. . .?

Gummich: Schnitt! Tatsächlich war es so: Ich war ganz aufgeregt und aufgelöst. Und als ich ankam, saß sie noch in ihrem Büro, hinter einer Glasscheibe, mit der Regisseurin. Das war aber gut, so konnte ich erst mal ankommen. Ich war völlig außer Atem. Weil in Köln ganz viele Baustellen waren, musste ich so viele Umwege gehen, dass ich am Ende richtig gerannt bin aus Angst, zu spät zu kommen.

Schwarzer: Schon der erste Eindruck hat mich überzeugt. Und am nächsten Tag haben auch alle in der „Emma“-Redaktion gesagt: „Na, das ist sie doch!“. Wir sind ja erst mal essen gegangen. Und ich fand schon das Vergnügen toll, mit dem du isst.

Gummich (lacht): Das war dein Eindruck?

Schwarzer: Na klar. Das zeigt ja gleich, du bist sinnlich und lebst gern.

Gummich: Du hast mir auch gleich das Du angeboten. Das ist auch eine Qualität von dir, eine Atmosphäre zu schaffen, dass man nicht mehr zu so einem Denkmal aufschaut, sondern einem ganz normalen Menschen begegnet.

Schwarzer: Ja, diese erstarrte Rolle der Ikone. Scheußlich. Dagegen muss ich immer erst angehen. Es gibt ja diese Klischees von mir, gegen die ich seit Urzeiten ankämpfe. Alle Menschen, die mit mir zu tun haben, müssen das erst mal überwinden.

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