Im Test - Vier Jahre nach dem Aus des Defenders gibt es einen würdigen Nachfolger für das Geländewagen-Urgestein

Genial im Gelände, flink auf der Straße

Von 
Stephan Eisner
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Mannheim. Sie haben gewartet, fast vier Jahre lange. Es hätte einfach nicht gepasst, sofort einen Nachfolger ins Rennen zu schicken, es wäre fast einem Verrat gleich gekommen. Nachdem Landrover 2016 den Defender nach 68 Jahren in den Ruhestand geschickt hatte, trauerte die Offroad-Gemeinde auf der ganzen Welt. Wer sollte nun die Savannen Afrikas durchkreuzen, sich auf Islands Gletschern nach oben fräsen oder ausgefahrene Schlammwege im Amazonas bezwingen? Diese Probleme sind nun gelöst, der Nachfolger ist angerollt. Ein Urahn sozusagen, denn alles ist neu an ihm – und trotzdem zieht er nahezu unaufhaltsam seine Spuren.

Der Defender schüttelt sich, wenn er als SUV bezeichnet wird. Nein, er ist ein Geländewagen und er gehört nicht in die Stadt. Das ist nicht der Anspruch, den Landrover anstrebt. Was dem britschen Autohersteller, der zum indischen Tata-Konzern gehört, trefflich gelungen ist, sind die genialen Geländeeigenschaften mit unproblematischen Fahreigenschaften auf befestigten Strecken zu verbinden. Mehr noch: Dank eines mehr als drei Meter langen Radstandes (beim getesteten 110er) gepaart mit der Luftfederung entwickelt sich der Defender zum sänftengleichen Reisewagen. Wer hätte das vor mehr als 70 Jahren gedacht? Und selbst bei der 2016 eingestellten letzen Modellvariante war jede Kurve ein Kampf mit der Physik. Der Enkel meistert kehrenreiche Landstraßen klaglos, fast flink.

Grundsolide Verarbeitung

Die Überhänge vorne und hinten sind extrem kurz. Das ermöglicht im schweren Gelände, auch steile Böschungswinkel ohne Aufsetzen zu meistern. Und die Böschungen können steil sein, denn der Defender bezwingt dank seines zweistufigen Verteilergetriebes, einem sperrbaren Mitteldifferential und einem aktiven Hinterachsdifferential gefühlt senkrechte Steigungen. Sollte einmal ein Bach den Weg kreuzen, kann er bis zu 90 Zentimeter tief sein, bevor die Passagiere im Landrover nasse Füße bekommen. Der Bergabfahrassistent dosiert abwärts die Bremsen punktgenau während vorher Sensoren das Umfeld erkunden. Eine 360-Grad-Kameraanlage soll drohende Gefahren rundum und sogar unter dem Auto erkennbar machen.

Das Cockpit greift alte Traditionen auf, ist sehr schlicht gehalten. Ein Zehn-Zoll-Touchscreen ist dagegen ein Zeichen der Moderne. Die Materialien wirken hochwertig, die Verarbeitung grundsolide. Im neuen Werk von Jaguar Land Rover im slowakischen Nitra wird gute Arbeit geleistet.

Der Testwagen war noch mit einem Vierzylinder-Diesel bestückt, den es nicht mehr zu bestellen gibt. Landrover hat neue, sparsamere und sauberere Sechszylinder-Diesel entwickelt, die künftig zum Einsatz kommen. Und: Den Defender gibt es nun erstmals auch als Plug-in Hybrid. Der P400e glänzt laut Hersteller als leistungsstärkste Variante mit 297 kW (404 PS) mit kombinierten Verbrauchswerten ab 2,8 l/100 km und einem Stromverbrauch von 23,8 kWh/100 km und kombinierten CO2-Emissionen ab 64 g/km. Den Defender gibt es als Zweitürer (Model 90) oder Viertürer (110), die Preise beginnen bei 48 740 Euro.

Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/auto

Landrover Defender D240

Motor: Vierzylinder-Diesel

Hubraum: 1999 ccm

Leistung: 177 kW / 240 PS

Max. Drehmoment: 430 Nm

Antrieb: Allradantrieb, Achtgang-Automatikgetriebe

Höchstgeschw.: 188 km/h

Beschleunigung: 9,1 Sekunden von 0-100 km/h

Verbrauch pro 100 Kilometer (lt. Hersteller): 7,6 l, Testverbrauch: 8,8 l

CO2-Emission: 199 g/km

Länge: 4758 mm, Breite: 2008 mm, Höhe: 1967 mm

Schadstoffeinstufung: Euro 6d-Temp

Bodenfreiheit: 291 mm

Anhängelast: 3500 kg

Leergewicht: 2323 kg

Kofferraum: 857 bis 1946 Liter

Preis: 55 600 Euro

Serienausstattung: Luftfederung, LED-Scheinwerfer, Unterfahrschutz, digitales Radio, Zehn-Zoll-Touchscreen, Klimaautomatik, diverse Assistenzsysteme. se

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