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Weniger Geld, weniger ehrenamtliche Helfer

Woche der Armut:  Den vierten Tag der Aktion nutzen heute die DRK-Kreisverbände Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim, um vor dem Rückgang der Zahl der Ehrenamtlichen und unsicheren Finanzierungsverhältnissen zu warnen.

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Einsatz von ehrenamtlichen Helfern des DRK-Sanitätsdienstes bei einer Großveranstaltung. © Brigitte Hiss

Rückgang der ehrenamtlichen Arbeit

  • Von Anna Deister, Kreisgeschäftsführerin des DRK-Kreisverbandes Bad Mergentheim e.V.

In einer Zeit, in der solidarische Unterstützung und ehrenamtliche Arbeit immer wichtiger werden, sieht sich das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit einem besorgniserregenden Trend konfrontiert - einem deutlichen Rückgang der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Dieses alarmierende Phänomen, das als "Zeitenwende" bezeichnet werden kann, wirft ernsthafte Fragen über die Zukunft des ehrenamtlichen Engagements beim DRK auf.

Seit Jahren war das DRK auf das Engagement von tausenden Freiwilligen angewiesen, die sich unermüdlich dafür einsetzten, Menschen in Not zu helfen und die Gesundheit und das Wohlbefinden der Gemeinschaft zu fördern. Doch heute verzeichnet die Organisation drastisch sinkende Zahlen von Ehrenamtlichen, die sich bereit erklären, ihre Zeit und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen.

Der Rückgang des ehrenamtlichen Engagements beim DRK hat weitreichende Auswirkungen auf die Fähigkeit der Organisation, ihre Dienstleistungen und Programme aufrechtzuerhalten. Derzeit stehen viele DRK-Ortsverbände vor erheblichen Herausforderungen, um ihre Dienste wie Blutspenden, Erste-Hilfe-Kurse und Unterstützung in Notlagen aufrechterhalten zu können.

Experten zufolge gibt es mehrere Faktoren, die zu diesem dramatischen Rückgang des Ehrenamts beim DRK beitragen könnten. Dazu gehören die steigenden Anforderungen an Beruf und Familie, die eine zeitliche Begrenzung für freiwillige Tätigkeiten schaffen. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen, die eine größere Mobilität und die Digitalisierung mit sich bringen, beeinflussen das Engagement der Menschen.

Trotz dieser Herausforderungen ruft das DRK zu einem dringenden Umdenken auf. "Wir müssen neue Wege finden, um das Ehrenamt wieder attraktiver zu gestalten und die Menschen dazu zu ermutigen, sich freiwillig für das Gemeinwohl zu engagieren", sagt Anna Deister, Kreisgeschäftsführerin beim DRK Kreisband Bad Mergentheim e. V.

Der DRK Kreisverband Bad Mergentheim e. V. plant, verstärkt auf digitale Plattformen und soziale Medien zu setzen, um das Bewusstsein für ihre Arbeit zu steigern und potenzielle Ehrenamtliche anzusprechen. Zudem werden flexible und zeitlich begrenzte Freiwilligenmöglichkeiten entwickelt, um den sich verändernden Lebensumständen gerecht zu werden.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gemeinschaften jetzt reagieren und das ehrenamtliche Engagement beim DRK und anderen gemeinnützigen Organisationen unterstützen. Die Zeitenwende erfordert ein gemeinsames Handeln, um sicherzustellen, dass die wichtige Arbeit des DRK auch in Zukunft weitergeführt werden kann.

Die Finanzierung von Unterstützungsangeboten für Migrantinnen und Migranten ist weiterhin prekär. Diese Unsicherheit in der Finanzierung führt unter anderem zu einer großen Fluktuation der Mitarbeitenden und zur Unterbrechung von Angeboten. © Holger Hollemann/dpa

"Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist bedroht"

  • Von Manuela Grau, Kreisgeschäftsführerin des DRK-Kreisverbandes Tauberbischofsheim e.V.

Seit 20 Jahren setzt sich die Landesarmutskonferenz unter dem Motto „Armut bedroht alle“ für mehr Chancen- und Teilhabegerechtigkeit ein.

Auffällig ist, dass die meisten in den Aktionswochen adressierten Themen – u.a. Gesundheit, Frauen, Teilhabe, Rente, Altersarmut, Netzwerke, Abstiegsangst, Wohnen, Menschenrechte, Kinderarmut, Coronakrise, ökologische Transformation und zuletzt Zeitenwende - auch nach 20 Jahren (und länger) immer noch relevante und stets aktuelle Armutsfaktoren und -risiken geblieben sind. Einem besonders hohen Armutsrisiko sind seit jeher auch Menschen mit Migrationsbiografien ausgesetzt. Diese etablierten Missstände zu bekämpfen, erfordert ein ebenso konstantes Hilfesystem, das die Probleme gezielt und mit einem langen Atem angehen kann.

Gerade im Bereich der bundesgeförderten Hilfesysteme für Migrant:innen ist diese Stabilität seit einiger Zeit nicht mehr gegeben. Nachdem im vergangenen Jahr trotz Rekordzuwanderung erst kurz vor Jahresende dramatische Kürzungen und Programmschließungen abgewendet werden konnten, ist die Finanzierungssituation des Jugendmigrationsdienstes (JMD) und der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE), aber auch der Integrationskurse und weiterer Unterstützungsangebote für Zugewanderte, die essenziell für eine gelingende Integration vieler Menschen sind, weiterhin prekär. Die Bewilligung der Mittel und somit die Weiterführung der Angebote muss jährlich neu beantragt und vom Bundestag bewilligt werden. Diese Unsicherheit in der Finanzierung führt zu einer großen Fluktuation der Mitarbeitenden, zum Verlust von Wissen und Kompetenz, zur Unterbrechung von Beratungsangeboten und der Schwächung von Vertrauensverhältnissen zwischen Hilfesuchenden und Beratungsstellen. Der DRK-Kreisverband Tauberbischofsheim e.V., Träger der MBE und JMD im Main-Tauber-Kreis, warnt vor „verheerenden Auswirkungen dieser Situation auf die soziale Infrastruktur und Unterstützung bei der Integration in Schule, Arbeitsmarkt und Gesellschaft“.

Die Herausforderungen, denen zugewanderte Menschen – egal ob sie aus beruflichen, familiären oder humanitären Gründen nach Deutschland gekommen sind – gegenüberstehen, sind immens. Die ca. 2000 Mitarbeitenden von JMD und MBE unterstützen und begleiteten in den vergangenen Jahren jeweils weit über eine halbe Million Menschen u.a. bei Schulangelegenheiten oder Deutschkursen, Ausbildungs- oder Arbeitssuche, Freizeitangebote und das Knüpfen von Kontakten. Sie schaffen Raum für Begegnung und ermöglichen Menschen, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und an unserer Gesellschaft teilzuhaben.  

Sie unterstützen zugewanderte Fachkräfte und helfen dabei, dass händeringend gesuchte motivierte und gut ausgebildete Menschen auf eigenen Beinen stehen können und auch weniger gut ausgebildete Menschen passende Wege in die Arbeitswelt finden. Sie helfen dabei, Kindern und Familien Orientierung im Schul- und Ausbildungssystem zu geben. Sie unterstützen bei der Bewältigung von individuellen Krisen in unsicheren Zeiten. In den Programmen JMD Respekt Coaches und JMD Mental Health Coaches stärken sie die Resilienz von Schüler:innen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte und tragen so zu mehr Toleranz und gesellschaftlichem Zusammenhalt bei. Sie befähigen und ermutigen Menschen, sich für demokratische Werte und Zusammenhalt einzusetzen, zwischen Fakten und Fake News zu unterscheiden und weniger empfänglich für radikale Sichtweisen und extremistische Positionen zu sein.  JMD und MBE leisten lebensweltnahe und praktische Unterstützung, damit zugewanderte Menschen trotz aller Umwälzungen und Unsicherheiten ihr Leben (selbst-)bewusst gestalten und sich mit der deutschen Gesellschaft identifizieren können. Gleichzeitig setzen sie sich für eine tolerante und offene Gesellschaft ein. Die Angebote arbeiten somit präventiv gegen Armut, soziale Ausgrenzung und gesellschaftliche Spannungen an.

Der DRK-Kreisverband Tauberbischofsheim e.V. ist überzeugt, dass grundlegende unabhängige Unterstützungsangebote in unserer Migrationsgesellschaft auf Dauer unerlässlich sind, um gesellschaftliche Teilhabe zu sichern und Armut entgegenzuwirken. Die unsichere Finanzierungssituation geht nicht nur zu Lasten von Ratsuchenden und Mitarbeitenden, sondern bedroht sei auch der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, die seit Jahrzehnten bestehenden Beratungsstrukturen endlich auf eine stabile Basis zu stellen“, betont Manuela Grau, DRK-Kreisgeschäftsführerin in Tauberbischofsheim und Vorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege im Main-Tauber-Kreis. „Wohlfahrts- und Sozialarbeit benötigen verlässliche und tragfähige Strukturen und eine auskömmliche Finanzierung, um Ratsuchende und Hilfsbedürftige qualitativ hochwertig und in ausreichendem Umfang unterstützen zu können. Fehlende Unterstützung, beispielsweise in der Frühphase der Integration und in der Präventionsarbeit, zieht wesentlich höhere finanzielle aber auch gesellschaftliche und politische Folgekosten nach sich“, so Grau weiter.

Informationen und Kontakt

Das Deutsche Rote Kreuz ist eine der größten humanitären Organisationen weltweit und engagiert sich in verschiedenen Bereichen wie Katastrophenhilfe, Gesundheitsvorsorge und sozialer Unterstützung.

Die Arbeit des DRK basiert auf den Prinzipien der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität.

DRK-Kreisverband Bad Mergentheim e. V.
Rotkreuzstraße 31
97980 Bad Mergentheim
Telefon: 0 79 31 / 48 29 0 - 0
E-Mail: info@kv-bad-mergentheim.drk.de
Internet: www.drk-bad-mergentheim.de

DRK-Kreisverband Tauberbischofsheim e. V.
Mergentheimer Straße 30
97941 Tauberbischofsheim
Telefon: 0 93 41 / 92 05 - 0
E-Mail: info@drk-tbb.de
Internet: www.drk-tbb.de

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