ANZEIGE

Die Tafeln geraten selbst in Not

Woche der Armut: Am heutigen zweiten Tag weist das Diakonische Werk im Main-Tauber-Kreis auf einen massiven Rückgang der Lebensmittelspenden für die Tafelläden sowie das Armutsrisiko bei Pflegebedürftigkeit hin.

Lesedauer: 
Durch die immer bessere Logistik in Supermärkten bleiben dort immer weniger Waren im Verkauf übrig, die dann als Lebensmittelspenden an die Tafeln gehen könnten. Ein großes  Problem für die Tafeln, denn die Nachfrage dort nimmt zu. © Jonas Walzberg/dpa
  • Von Aleit-Inken Fladausch-Rödel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes im Main-Tauber-Kreis

 Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit geht in den Tafeln des Diakonischen Werks (DW) im Main-Tauber-Kreis immer weiter auseinander. Auf der einen Seite gibt es da den Anspruch, zu vernünftigen Preisen gut erhaltene und günstige Lebensmittel verkaufen zu können – auf der anderen Seite steht die immer bessere Logistik der abgebenden Supermärkte und Einzelhändler und der damit einhergehende massive Rückgang von Lebensmittelspenden an die Tafel. „Momentan fügt sich beides gerade eben noch so, aber wie soll es weitergehen, wenn immer weniger Waren in unseren Läden ankommen?“, fragt sich Linda Haberkorn, Bereichsleiterin der Tafelarbeit beim DW.

Fakt ist: Die Bedürftigkeit der Menschen nimmt tendenziell zu: Mehr Zuwanderung, gestiegene Preise bei stagnierenden Löhnen sowie zunehmende Kinder- und Altersarmut tun ihr Übriges, um die Nachfrage in den Tafelläden steigen zu lassen. Dort kämpft man seit Jahren gegen ein permanent zurückgehendes Warenangebot aus der Abgabe von Supermärkten etc. „Die eigentlich positive Entwicklung, die durch die Tafeln angestoßen wurde, nämlich Lebensmittel vor ihrem Verfall zu bewahren ist oft in dem Maße gar nicht mehr möglich oder nötig. Somit treffen aber Bedürftige in den Tafeln automatisch auf ein kleineres Angebot – was ein riesiges Problem für die Tafeln darstellt.“

„Natürlich ist es sinnvoll und richtig, Lebensmittel nicht wegzuwerfen – das ist ja auch der Grundgedanke der Tafelarbeit“, ergänzt Aleit-Inken Fladausch-Rödel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks im Main-Tauber-Kreis. „Die Tafeln dienen dem Grunde nach nicht dazu, bedürftige Menschen mit ausreichend Essen zu versorgen. Dies ist weder Zweck noch primär sozialpolitisch Sinn der Tafeln!“, betont sie. „Der Staat darf sich daher nicht auf Tafeln verlassen.“

Das Thema Zukauf von Waren kommt daher immer wieder einmal zur Sprache. Momentan nimmt man noch Abstand davon, da dies auch dem Grundsatz der Tafel widerspricht. Grundnahrungsmittel (außer Brot) wie Milch, Mehl, Zucker sind faktisch in den Tafeln nicht vorhanden bzw. müssen in Form von Sachspenden eingebracht werden. „Wir bekommen aus Aktionen oder von Privatpersonen Waren gespendet, die praktisch nie abgegeben werden. Daher sind Spendenaktionen, die teilweise auch von Firmen, Schulen oder den Fördervereinen ausgehen „Gold wert“, lobt Haberkorn. „Denn die Bedürftigkeit wird eher nicht abnehmen, aber der Bedarf steigt – vor allem für Familien mit Kindern. „Und sie sind doch so wichtig für eine Gesellschaft!“, ergänzt Fladausch-Rödel.

Um dieses Dilemma aufzufangen sind die Fördervereine sehr aktiv und kreativ. Sie sammeln Sachspenden und zeichnen für die finanziellen Aufwände verantwortlich wie Kosten für Autos, Kühlfahrzeuge, Versicherungen, Transport und Logistik.

Die Arbeit von Tafeln und ähnlichen Organisationen ist nach Fladausch-Rödels Aussage ein wichtiger erster Schritt, um akute Bedürfnisse zu decken, Lücken zu schließen, aber sie sollte nicht als primäre Lösung betrachtet werden. Es sei notwendig, strukturelle Probleme anzugehen, die Armut und Lebensmittelunsicherheit verursachen, um langfristige Veränderungen zu bewirken. Dies könne besser durch politische Maßnahmen, Bildung und soziale Programme geschehen. „Deshalb fordere ich ausdrücklich, auch dauerhafte Lösungen für soziale Ungerechtigkeiten und gegen Armut zu entwickeln.“

Viele Pflegebedürftige in Heimen benötigen finanzielle "Hilfe zur Pflege" durch das Sozialamt., weil die eigenen Mittel nicht ausreichen. Aber auch für pflegende Angehörige besteht ein Armutsrisiko. © sabinevanerp/pixabay.com/de

Pflegebedürftigkeit wird zunehmend zu einem Armutsrisiko

  • Von Swantje Popp, Diakonisches Werk Württemberg, Regionalleiterin der evangelische Heimstiftung Region Hohenlohe-Tauber

Auch Pflegebedürftigkeit wird zunehmend zu einem Armutsrisiko. Entsprechend einer Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen vom 1. Juli 2024 liegt der Anteil, den Pflegebedürftige in Pflegeheimen aus eigener Tasche bezahlen müssen, in Baden-Württemberg durchschnittlich bei 3180 Euro je Monat im ersten Aufenthaltsjahr - je nach Kostensituation der einzelnen Träger, Tarifen und Personalschlüsseln können Pflegeheimkosten auch deutlich höher liegen.

Seit der letzten Pflegereform sinkt dieser Betrag abhängig von der Aufenthaltsdauer durch steigende Leistungen der Pflegekassen bis zum 4. Jahr und weitere Verbesserungen in der Finanzierung durch die Pflegekassen sind ab dem 1. Januar 2025 geplant. Zunehmend reichen jedoch Rente und Zuschüsse der Pflegekassen dennoch nicht aus, um die Kosten bei Einzug in eine Pflegeeinrichtung und auf Dauer finanzieren zu können. Immer mehr Betroffene benötigen deshalb „Hilfe zur Pflege“ durch das Sozialamt, so Popp.

Aber auch im ambulanten Bereich ist die Situation schwierig: Hier bedarf es mehr Unterstützung für pflegende Angehörige, wie Lohnersatzleistungen und eine bessere rentenrechtliche Bewertung der Pflege von Angehörigen. So könnten Betroffene länger in den eigenen vier Wänden bleiben, und die Gefahr von Altersarmut bei pflegenden Angehörigen würde verringert.

Informationen und Kontakt

Diakonie
Diakonisches Werk Main-Tauber-Kreis
Geschäfts- und Beratungsstelle Tauberbischofsheim
Kirchweg 3
97941 Tauberbischofsheim
Telefon: 0 93 41 / 92 80 - 0
E-Mail: info@diakonie-tbb.de
Internet: www.diakonie-tbb.de

 

Evangelische Heimstiftung GmbH
Region Hohenlohe-Tauber
Bildweg 17
97980 Bad Mergentheim
Telefon: 07 11 / 63 67 6 - 610
E-Mail: info@ev-heimstiftung.de
Internet: www.ev-heimstiftung.de

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten