- Von Manuela Grau, Kreisgeschäftsführerin des DRK-Kreisverbandes Tauberbischofsheim e.V.
Seit 20 Jahren setzt sich die Landesarmutskonferenz unter dem Motto „Armut bedroht alle“ für mehr Chancen- und Teilhabegerechtigkeit ein. Auffällig ist, dass die meisten Armutsfaktoren und -risiken geblieben sind. Einem besonders hohen Armutsrisiko sind seit jeher auch Menschen mit Migrationsbiografien ausgesetzt. Diese etablierten Missstände zu bekämpfen, erfordert ein ebenso konstantes Hilfesystem, das die Probleme gezielt und mit einem langen Atem angehen kann.
Gerade im Bereich der bundesgeförderten Hilfesysteme für Migrant:innen ist diese Stabilität seit einiger Zeit nicht mehr gegeben. Nachdem im vergangenen Jahr trotz Rekordzuwanderung erst kurz vor Jahresende dramatische Kürzungen und Programmschließungen abgewendet werden konnten, ist die Finanzierungssituation des Jugendmigrationsdienstes (JMD) und der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE), aber auch der Integrationskurse und weiterer Unterstützungsangebote für Zugewanderte, die essenziell für eine gelingende Integration vieler Menschen sind, weiterhin prekär. Die Bewilligung der Mittel und somit die Weiterführung der Angebote muss jährlich neu beantragt und vom Bundestag bewilligt werden. Diese Unsicherheit in der Finanzierung führt zu einer großen Fluktuation der Mitarbeitenden, zum Verlust von Wissen und Kompetenz, zur Unterbrechung von Beratungsangeboten und der Schwächung von Vertrauensverhältnissen zwischen Hilfesuchenden und Beratungsstellen. Der DRK-Kreisverband Tauberbischofsheim e.V., Träger der MBE und JMD im Main-Tauber-Kreis, warnt vor „verheerenden Auswirkungen dieser Situation auf die soziale Infrastruktur und die Integration in Schule, Arbeitsmarkt und Gesellschaft“.
Die Herausforderungen, denen zugewanderte Menschen gegenüberstehen, sind immens. Die bundesweit ca. 2000 Mitarbeitenden von JMD und MBE begleiteten pro Jahr über eine halbe Million Menschen. Sie unterstützen zugewanderte Fachkräfte und helfen dabei, dass händeringend gesuchte motivierte und gut ausgebildete Menschen auf eigenen Beinen stehen können und auch weniger gut ausgebildete Menschen passende Wege in die Arbeitswelt finden. Sie helfen dabei, Kindern und Familien Orientierung im Schul- und Ausbildungssystem zu geben. Sie unterstützen bei der Bewältigung von individuellen Krisen in unsicheren Zeiten. In den Programmen JMD Respekt Coaches und JMD Mental Health Coaches stärken sie die Resilienz von Schüler:innen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte und tragen so zu mehr Toleranz und gesellschaftlichem Zusammenhalt bei. Sie befähigen und ermutigen Menschen, sich für demokratische Werte einzusetzen und weniger empfänglich für radikale und extremistische Positionen zu sein. JMD und MBE leisten lebensweltnahe und praktische Unterstützung, damit zugewanderte Menschen trotz aller Umwälzungen und Unsicherheiten ihr Leben (selbst-)bewusst gestalten und sich mit der deutschen Gesellschaft identifizieren können. Gleichzeitig setzen sie sich für eine tolerante und offene Gesellschaft ein. Die Angebote arbeiten somit präventiv gegen Armut, soziale Ausgrenzung und gesellschaftliche Spannungen an.
Der DRK-Kreisverband Tauberbischofsheim e.V. ist überzeugt, dass grundlegende unabhängige Unterstützungsangebote in unserer Migrationsgesellschaft auf Dauer unerlässlich sind, um gesellschaftliche Teilhabe zu sichern und Armut entgegenzuwirken. Die unsichere Finanzierungssituation geht nicht nur zu Lasten von Ratsuchenden und Mitarbeitenden, sondern bedroht auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, die seit Jahrzehnten bestehenden Beratungsstrukturen endlich auf eine stabile Basis zu stellen“, betont Manuela Grau, DRK-Kreisgeschäftsführerin in Tauberbischofsheim und aktuell Vorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege im Main-Tauber-Kreis. „Sozialarbeit benötiget verlässliche Strukturen und eine auskömmliche Finanzierung, um Hilfesuchende angemessen unterstützen zu können. Fehlende Unterstützung, beispielsweise in der Frühphase der Integration und in der Präventionsarbeit, zieht wesentlich höhere finanzielle aber auch gesellschaftliche und politische Folgekosten nach sich."
Informationen und Kontakt
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Mergentheimer Straße 30
97941 Tauberbischofsheim
Telefon: 0 93 41 / 92 05 - 0
E-Mail: info@drk-tbb.de
Internet: www.drk-tbb.de
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