Den Abend des 27. Oktobers 2020 wird Luca Pfeiffer so schnell nicht vergessen. Der gebürtige Gommersdorfer schaffte das, wovon Millionen Fußballer auf der ganzen Welt träumen: Einmal im legendären Liverpooler Anfield Stadium zu spielen.
Ein Traum wird wahr
Es war die 81. Spielminute, als Brian Briske, Cheftrainer des FC Midtjylland, im Champions League-Gruppenspiel des zweiten Spieltags noch einmal alles in die Waagschale warf und mit Luca Pfeiffer einen weiteren Stürmer auf den Platz schickte. Der 1,96 Meter große Schlaks sollte noch einmal für die nötige Gefahr im Strafraum des amtierenden Englischen Meisters sorgen. „Nur“ mit 1:0 lagen bis dahin die Hausherren aus der Geburtsstadt der Beatles in Führung. Der krasse Außenseiter aus der dänischen Provinz hielt erstaunlich gut mit. Gegen Ende erhöhte das neue Team von Luca Pfeiffer noch einmal den Druck auf die mit Weltklassespielern gespickten „Reds“. Fünf Minuten vor Ende segelte eine Flanke von rechts auf Pfeiffer, der sich ein paar Meter von Gegenspieler Gomez absetzte. So wirklich konnte sich der Ex-Würzburger nicht zwischen Abschluss und Ablage zum Mitspieler entscheiden. Der Ball landete ungefährlich für Liverpools Schlussmann Alisson im Aus.
Noch einmal fünf Minuten später wurde es dann ganz eng. Midtiyllands Anders Dreyer setzte zu einem sehenswerten Solo an, traf im Abschluss jedoch nur das Außennetz. In der Mitte lauerte Pfeiffer vergebens.
Wenige Minuten später war ohnehin alles Makulatur. Liverpools Weltstar, der Ägypter „Mo“ Salah“, war in der Nachspielzeit auf und davon, konnte nur noch durch ein Foul gestoppt werden. Den fälligen Strafstoß verwandelte der 28-Jährige selbst ganz souverän zum 2:0-Arbeitssieg für Liverpool. Die tapferen Dänen schrammten an der Sensation vorbei. Viel Respekt und Anerkennung erspielten sie sich trotzdem.
Auch für Luca Pfeiffer war es ein Erlebnis, das er vielleicht nie wieder in der Karriere haben wird, erzählt er – immer noch von Glück beseelt – im Telefonat mit den Fränkischen Nachrichten. „Vielleicht hätten wir am Ende schon einen Punkt verdient gehabt“, findet er. „Aber trotzdem hat sich die Reise gelohnt. Ich habe jede Sekunde im Stadion dort genossen. Das hat einfach Spaß gemacht dort auf dem Platz zu stehen.“ Nach Abpfiff tauschte er Trikots mit Gegenspieler Joe Gomez, dessen Marktwert über das Hundertfache über dem von Pfeiffers liegt. „Das waren sympathische Jungs“, lobt er die Stars der „Reds“. Als der Anpfiff ertönte, war aber sowieso alles wie immer, meint er. Erst nach Abpfiff fiel ihm wieder richtig auf, mit wem und vor allem wo er den gerade auf dem Rasen stand.
Schon direkt nach dem 2:1-Auswärtssieg vergangenen Samstag in der Dänischen Superliga beim Traditionsklub Bröndby IF, bei dem Pfeiffer seine ersten Einsatzminuten bekam, ging es mit dem Flieger in Richtung Nordengland. Ab dann wurde alles sehr aufregend für den 24-Jährigen. „Für mich war das alles eine ganz neue Welt. Da ist mir dann auch erst richtig bewusst geworden, wo ich jetzt auf einmal gelandet bin. Das ist natürlich ein brutaler Unterschied zu allem vorher“, schwärmt er.
Am Tag vor dem Spiel durfte das Auswärtsteam, wie es in europäischen Wettbewerben üblich ist, im Stadion des Gegners trainieren. Gänsehaut pur. Anfield kennt jeder Fußballfan der Welt. Hätte er sich ein englisches Stadion aussuchen dürfen, in dem er mal kicken möchte, wäre es das an der Anfield Road in Liverpool gewesen, erzählt Pfeiffer, der vor vier Jahren noch fünftklassig beim damaligen Oberligisten FSV Hollenbach auf Torejagd ging. Seit Anfang Oktober steht er beim dänischen Meister unter Vertrag, der sich kurz vor Pfeiffers Verpflichtung, bei der kolportierte 1,5 Millionen Euro an die Würzburger Kickers geflossen sein sollen, für die Champions League Gruppenphase qualifiziert hat. Zum Auftakt setzte es dort (ohne Pfeiffer) eine 0:4-Heimniederlage gegen Atalanta Bergamo.
Nun gegen Ajax
Am kommenden Dienstag gibt der niederländische Vorzeigeklub Ajax Amsterdam in die MHC-Arena nach Herning (55 000 Einwohner), Pfeiffers neue Heimat und Heimspielstätte des Klubs, seine Visitenkarte ab. „Wir haben gesehen, dass wir keineswegs chancenlos sind Punkte zu holen“, zeigt er sich optimistisch, was die nächsten Aufgaben in der Königsklasse angeht. „Wir brennen darauf, endlich den ersten Punkt in der Champions League zu holen. Es ist, denke ich, machbar, dass wir in der Gruppe etwas reißen.“
Der FC Midtiylland scheint also angekommen im besten Vereinswettbewerb der Welt – mit Luca Pfeiffer, der sich gut eingelebt hat. In der vergangenen Woche bezog er seine eigene Wohnung am Stadtrand. Bald hofft er auf den ersten Besuch der Familie – wenn es die Corona-Bestimmungen zulassen. „Das ist schon ein spannender Weg, den ich gegangen bin. Deswegen ist er vielleicht umso schöner“, bemerkt er im Telefonat.
Arm in Arm mit „Kloppo“
In den Kabinentrakt in Anfield verschwand er übrigens Arm in Arm mit Landsmann Jürgen Klopp. „Nur ein netter Small-Talk auf Deutsch“, meinte Pfeiffer über die Szene, die über die TV-Bildschirme zu sehen war. „Wir sehen uns ja in ein paar Wochen schon wieder.“
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