Würzburg/Karlstadt. Tatort war ein Pfarrhaus im Landkreis Main- Spessart, missbraucht worden ist über Jahre hinweg der Sohn einer evangelischen Pfarrers-Frau, die nach der Scheidung mit ihren Kindern bei dem mit ihrem Ex-Mann auf ökumenischer Basis befreundeten katholischen Bekannten Unterschlupf fand und das Opfer war, als ihn der "Ersatz-Vater" zum ersten Mal "anfasste", gerade fünf Jahre alt.
Einen 58 Jahre alten katholischen Priester, Mitglied des "Deutschen Ordens", hat Oberstaatsanwalt Thomas Trapp am Dienstag vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts Würzburg wegen sexuellem Missbrauch eines Kindes in mindestens 14 Fällen angeklagt. Der Priester hatte sich über zwölf Jahre nach der letzten Tat bei dem für den Deutschen Orden zuständigen Missbrauchs-Beauftragten selbst angezeigt. Möglicherweise ein taktisches Manöver, denn der Pfarrer soll kurz zuvor erfahren haben, dass auch sein "Opfer" eine Anzeige vorbereitet.
Das Opfer, inzwischen 25 Jahre alt und Student, hat als Zeuge die Jahre in dem Pfarrhaus zusammengefasst: "Er, dem ich so sehr vertraute, hat mich zu einer kleinen Nutte gemacht." Zuwendung und Wärme habe er bekommen und dafür seinen Körper gegeben. Er unterstellte dem Angeklagten, dass er die psychische und wirtschaftliche Situation seiner Mutter nach der Scheidung ausnutzte, als er ihr mit den zwei Kindern eine Bleibe in seinem Pfarrhaus angeboten hat. Da er dem Seelsorger vertraute, der für ihn ein Freund und für die Mutter Arbeitgeber war, habe er sich auch nicht gewehrt. Möglicherweise spielten auch großzügige Geschenke zum Geburtstag, zu Weihnachten und dazwischen eine Rolle, zum Beispiel eine Modelleisenbahn.
Als Versuch, das Opfer des Missbrauchs einigermaßen zu stabilisieren, Schadens-Wiedergutmachung klingt in dem Zusammenhang nicht gut, hat der Orden an den Studenten 80 000 Euro für Studium und Therapie überwiesen. Dem Angeklagten sind von seinem Orden alle seelsorgerlichen Tätigkeiten untersagt, er werde versuchen, sagte er, über seinen Fall ein Buch zu schreiben und die Einnahmen daraus dem Orden zur Verfügung zu stellen: ebenfalls als Versuch der Schadensbegrenzung.
Missbrauchshandlungen des Angeklagtem am Sohn seiner Haushälterin "beschränkten" sich laut Anklage auf Handgreiflichkeiten im Genitalbereich und auf der "Rückseite". Wichtig war dem angeklagten Priester der Hinweis, dass er sich an dem Kind nicht selbst befriedigen, sondern nur erregen wollte, eine pädophile Neigung bestreitet er. Dagegen behauptet das Opfer, eigentlich überall, in der U-Bahn in Frankfurt, im Omnibus und im Schwimmbad, habe der Pfarrer Kinder angesprochen.
Als Einstieg in die Missbrauchs-Fälle diente offensichtlich ein nicht zufällig in der Wohnung des Geistlichen herumliegendes, reich bebildertes Aufklärungsbuch. Wenn der Bub dann, so der Angeklagte, neugierig nachfragte und etwas wissen wollte, habe er es ihm erklärt, indem er sich unten herum frei machte und dazu auch das Kind aufforderte. Vielleicht "grenzwertig", so der Priester vor Gericht, aber es sei ihm um Aufklärung gegangen, da kein Vater da war, der die Rolle übernehmen konnte. Und manche Manipulationen hat er als selbstverständliche Einführung in die Intim- Hygiene bezeichnet.
Auf die Vernehmung der ehemaligen Haushälterin, der Mutter des Opfers, die inzwischen von Hartz-IV lebt, haben die Prozessbeteiligten verzichtet. Daher lässt sich auch nicht klären, ob eine Aussage des Angeklagten zutrifft, dass die Frau von ihm 100 000 Euro gefordert habe mit der Zusicherung "dann verschwinden wir still und leise". Er will das so verstanden haben, dass man ihn dann nicht anzeige, er vermutete, dass die Frau sich mit dem Geld, sie ist von Beruf Zahnärztin, eine Praxis aufbauen wollte. Aber, so der Angeklagte, er sei Ordensmann und habe kein Geld.
Eine sexuelle Beziehung zwischen dem katholischen Pfarrer und der evangelischen Pfarrers- Frau gab es nicht, dessen Interesse konzentrierte sich ausschließlich auf den Sohn: Den brachte er am Abend ins Bett, legte sich zu dem Kind, las ihm Gute Nacht-Geschichten vor und ging erst aus dem Zimmer, wenn der Bub schlief. Gemeinsam baden war auch eine Selbstverständlichkeit, das habe die Mutter, die aus DDR- Zeiten FKK schätzte und auch ihn, allerdings ohne Erfolg, zu einem Urlaub am Nacktbadestrand überreden wollte, nicht so eng gesehen.
Die Verhandlung wird heute fortgesetzt, am Freitag soll das Urteil verkündet werden. fb
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