Open Air

So war das Konzert von „Iron Maiden“ auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart

45.000 Fans genossen den energiegeladenen Trip „Run for your lives“ zu den Anfängen der Band in vollen Zügen.

Von 
Harald Fingerhut
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Steve Harris (links) und Janick Gers präsentierten sich beim Open Air auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart vor 45.000 Fans gemeinsam mit ihren Mitstreitern von „Iron Maiden“ in Höchstform. © Denise Fingerhut

Stuttgart. Der Wettergott muss ein Metal-Fan sein, auf dessen Playlist sich etliche Klassiker des „New Wave of British Heavy Metal“ befinden. Anders ist es nicht zu erklären, dass beim Auftritt der Ikonen des Genres, „Iron Maiden“, der wolkenverhangene Himmel über Stuttgart aufreißt, und die 45.000 Fans trockenen Fußes ein fulminantes Konzert auf dem Cannstatter Wasen erleben dürfen. Für rund zwei Stunden nehmen die Briten das enthusiastische Publikum mit auf eine Reise in ihre Frühphase. Und die „Eisernen Jungfrauen“ scheinen in einen Jungbrunnen gefallen zu sein, denn mit solch einem musikalischen Punch hat man sie selten erlebt. Und so ist das Versprechen von Sänger Bruce Dickinson, die Band werde in die Landeshauptstadt zurückkehren, keine Drohung, sondern eine frohe Botschaft.

Der Wettergott muss ein Metal-Fan sein

„Wir haben mit dem Verantwortlichen für das Wetter geredet, und er hat versprochen, dass es während der Show nicht regnen wird“, sagt zu Beginn der Show vollmundig Bruce Dickenson. „Ja, ja, schwetz‘ du nur“, werden viele gedacht haben angesichts des ausgiebigen Regens am Nachmittag und der wenig optimistischen Wetterprognose für den Abend. Aber anscheinend hat der Herr Sängerknabe einen guten Draht nach oben. Es bleibt trocken. Und so lösen er und seine Mitstreiter an diesem Abend nicht nur dieses Versprechen ein, sondern auch die Ankündigung, ihre Anfangsjahre auf ihrer „Run For Your Lives“-Tour mit Verve und ausgelassen zu feiern. Nur Songs ihrer ersten neun Alben stehen auf der Setlist. Das verspricht einen Retro-Trip voll mit einem Füllhorn an Hits und genau das bekommen die 45.000 erwartungsvollen Metaller.

Zum Einstieg gibt‘s „Killer“-Songs auf die Ohren

Der Einstieg geht ganz weit zurück. Mit drei Stücken ihres ersten Albums poltert die eiserne Jungfrau ganz in Stile ihrer frühen Punk-Metal-Phase roh und ungestüm los. Die Songs haben immerhin schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel, rumpeln aber taufrisch aus den Lautsprecherboxen. Bruce Dickinson damals noch nicht als Stimmakrobat bei „Iron Maiden“, nimmt die Herausforderung an und übernimmt den Part von Vorgänger Paul Di‘Anno hervorragend. Der Sound ist bei den Songs noch etwas indifferent, wird aber mit Fortgang des Konzerts immer besser.

Bruce Dickinson ist fit wie ein Turnschuh, nutzt die komplette Bühne, einschließlich der oberen Etage für viele Sprints oder Showeinlagen, mal als Gefangener, Seefahrer oder Nachtwächter. Entsprechend oft wechselt er auch die Garderobe. Stimmlich ist er ebenfalls gut bei der Sache, wenn er auch nicht jeden Ton trifft und die Stimmlage doch merklich nach unten kalibriert ist. Aber das ist angesichts des Enthusiasmus des Frontmanns Nebensache, schließlich ist man bei einem Rockkonzert und nicht in der Oper.

Bei aller Sympathie für den nach einem Schlaganfall ausgeschiedenen Nicko McBrain „Iron Maiden“ wirken an diesem Sommerabend in Stuttgart wesentlich druckvoller als beim letzten Gastspiel an gleicher Stätte. Zusammen mit Bassist und Bandleader Steve Harris setzt er den Kessel mächtig unter Druck, so dass die Band mit viel Vehemenz und Geschwindigkeit durch ihre Setlist, die allein schon zum Zungeschnalzen ist, prescht.

Ein Füllhorn voller Hits lässt die Herzen höher schlagen

Nach dem Abstecher in die Frühphase biegt der Sechser sofort auf die Hit-Straße ab und haut einen Hit nach dem anderen raus. Schon als fünfter Song lässt „Number of the Beast“ die Herzen der Fans höher schlagen, bei „Two minutes to Midnight“ verwandelt sich das Publikum in einen gigantischen Chor, ehe es bei „Run to the hills“ in der Mitte des Sets kein Halten mehr gibt. Wer solche Hits früh abfeuern kann, um dann noch einige Gassenhauer derselben Güte nachzuschieben, kann sich glücklich schätzen.

Natürlich ist die Setlist genauso vorhersehbar, wie der Auftritt von Band-Maskottchen Eddie. Allerdings ist es schon ein wenig überraschend, dass „Fear oft the dark“ nicht mehr das Kernstück des regulären Auftritts ist. Aber auch das erweist sich als genialer Schachzug. Mit „Rime oft the ancient Mariner“, „Seventh son of a seventh son“ und „Hallowed by the name“ gibt es genügend Epen, die mit Bombast, Dramatik und ausgeklügeltem Songwriting in ihren Bann ziehen. „Fear oft the Dark“ rückt in den Zugabenblock flankiert von „Aces High“ (der Cannstatter Wasen wird optisch und akustisch in die Zeit der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zurückversetzt) und als krönendem Höhepunkt „Wasted Years“.

Die alten Songs haben keinerlei Patina angesetzt

„Iron Maiden“ gelingt an diesem Abend ihren alten Songs neues Leben einzuhauchen und sich als Band in bestechender Form zu präsentieren. Weder die Songs noch die im fortgeschrittenen Alter befindlichen Herren Musiker haben Patina angesetzt. Letztendlich befriedigen sie nicht nur, die in einen nostalgischen Trip gesetzten Erwartungen, sondern sorgen mit ihrer Spielfreude und ihrem Drive für ein unvergessliches Open-Air-Erlebnis.

Auch das gehört zu einem Konzert von „Iron Maiden“ dazu: Sänger Bruce Dickinson „kämpft“ mit Band-Maskottchen Eddie. © Denise Fingerhut

Setlist

Regular Set: Murders in the Rue Morgue, Wrathchild, Killers, Phantom of the Opera, The Number of the Beast, The Clairvoyant, Powerslave, 2 Minutes to Midnight, Rime of the Ancient Mariner, Run to the Hills, Seventh Son of a Seventh Son, The Trooper, Hallowed Be Thy Name, Iron Maiden.

Zugabe: Churchill‘s Speech, Aces High, Fear of the Dark, Wasted Years.

Redaktion Stellvertretender Deskchef

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