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So war das „BAP“-Konzert auf Gut Wöllried in Rottendorf

Knapp 2.000 Leute genossen die über dreistündige „Zeitreise“ in die erste Hälfte der 1980er Jahre.

Von 
Harald Fingerhut
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Wolfgang Niedecken bei Auftritt mit „BAP“ vor rund 2.000 Leuten auf Gut Wöllried in Rottendorf. © Harald Fingerhut

Rottendorf. Wolfgang Niedecken befindet sich mit seiner Truppe „BAP“ derzeit auf erweiterter Zeitreise-Tour. Er spielt nur Lieder, die älter als 40 Jahre sind. Und so weckt er Erinnerungen an längst vergangene Konzerttage und verwandelt am Donnerstag das mit knapp 2.000 Leuten gut gefüllte Gut Wöllried in die Carl-Diem-Halle, in der die Band mit ihrem Kölsch-Rock in den 1980er Jahren regelmäßig für ein volles Haus sorgte. Das illustre Völkchen vor der Bühne lässt sich gerne auf den ausgiebigen Trip mitnehmen, schwelgt in Erinnerungen und feiert am Ende eine ausgelassene Retro-Party.

Helmut Schmidt und Helmut Kohl sind Bundeskanzler. Die Grünen sind noch ein zartes politisches Pflänzchen und ziehen erstmals in den Bundestag ein. Vor allem die jungen Deutschen proben den zivilen Ungehorsam, demonstrieren in Bonn gegen die Aufrüstung und in Wackersdorf gegen die Wiederaufbereitungsanlage. Es rumort in der Republik. Begleitet wird dieses gesellschaftliche Aufbegehren von Bands der Deutsch-Rock-Szene. Wolf Maahn, Herbert Grönemeyer und viele mehr erklären sich solidarisch. Die musikalische Speerspitze bildet eine Band aus Köln: BAP. Ihr Vorsänger und Texter Wolfgang Niedecken ist der Chronist dieser Zeit, fängt die Stimmungen und Befindlichkeiten der Menschen ein, legt den Finger in die familiären und gesellschaftlichen Wunden, verbreitet aber auch Aufbruchstimmung in seinen in Kölner Dialekt verfassten Liedern. Und er trifft damit den Nerv vieler Teenager, die die Platten der Band regelmäßig in die vorderen Plätze der Charts kaufen. Nachdem „Wolfgang Niedeckens BAP rockt andere Kölsche Leeder“ und „Affjetaut“ den Boden bereitet hatten, kletterten „Für usszenschnigge!“, „Vun drinne noh drusse“ sowie „Zwesche Salzjebäck un Bier“ nach ganz oben in der nationalen Hitliste auf Platz 1.

Natürlich waren ihre Konzerte in den größten Hallen der Bundesrepublik ausverkauft, so auch in der heutigen Tectake-Arena, die 1985 noch Carl-Diem-Halle hieß, als die Rundreise nach der „Zwesche Salzjebäck un Bier“-Scheibe anstand. Knapp vier Stunden lang gaben Niedecken, der Major, Effendi und ihre Mitstreiter damals auf der Bühne Vollgas, spielten weiter als das Saal-Licht längst eingeschaltet war. Die Fans waren völlig aus dem Häuschen und am Ende total erschöpft. Eben die Songs aus dieser Zeit stehen jetzt wieder auf der Setlist beim Auftritt auf Gut Wöllried. Und etliche im Publikum waren damals in ihren Teenager-Tagen live dabei und lassen sich nun gerne in ihre Pickel- und Petting-Phase zurückversetzen. Das Handy gab es damals noch nicht, die einzige transportable viereckige Lala-Maschine war der Kassettenrecorder. Und fast auf jedem Mix-Tape, die das vor 40 Jahren den Soundtrack der Jugend bildete, waren „Verdamp lang her“, „Nimm mich met“, „Anna“ und „Jraaduss“ zu hören. Kein Wunder, dass an diesem lauschigen Donnerstagabend viele Erinnerungen, auch an Freunde, die es nicht bis in die Jetzt-Zeit geschafft haben, hochkommen und für emotionale Moment sorgen.

Der Retro-Trip startet beschaulich. Wolfgang Niedecken und seine über die Jahre immer wieder rund erneuerte Band lassen sich Zeit. Die musikalische Nostalgie-Fahrt ist erinnert an eine gemächliche Fahrt mit einer Dampflok. Man groovt sich ein, zu der wirklich grandios aufspielenden Truppe. „Wir haben die Songs im Grunde so belassen, wie sie waren und nur an manchen Stellen ein wenig aufgepeppt“, umschreibt Niedecken die musikalische Marschrichtung. So geht es knapp eineinhalb Stunden zwar niveauvoll, aber nicht durchweg euphorisch dahin. Erst als der „Jupp“ und die „Alexandra“ hinzukommen, wird aus dem Bummelzug ein ICE, startet die Sause bis zum emotionalen Höhepunkt „Jraaduss“, zudem alle im idyllischen Rund einstimmten. Gänsehaut pur. Nach und einer Stunde Zugabe und frenetischem Beifall verabschieden sich der Wolfgang und seine Spielleute mit dem tieftraurigen „Sendeschluss“, dem wie Niedecken sagt Titelsong von „Zwesche Salzjebäck und Bier“ und holen das Publikum von der Welle der Euphorie auf den Boden der oftmals tristen Alltags. Ein besinnlicher, nachdenklich machender Schlusspunkt einer ausgelassenen, fröhlichen Fete, die jedem Partykeller zur Ehre gereicht hätte.

Erfolgsgarant des Abends ist natürlich die exzellente Reisebegleitung, sprich die Band. Allen voran die Multi-Instrumentalistin Anne de Wolff und ihr Ehemann Ulrich Rode an der Gitarre setzen Akzente. Die Bläserfraktion, mittlerweile fester Bestandteil des BAP-Kosmos mit Axel Müller, Franz Johannes Goltz und Benny Brown, sorgt für zusätzlichen Schub, so dass es musikalisch rein gar nichts zu meckern gibt. Einzig die Länge des Auftritts mit gut drei Stunden Spielzeit ist ein wenig der Knackpunkt. Viele freuen sich zwar, so viele Songs zu hören, aber gerade in der ersten Stunde zünden nicht alle. Eine Handvoll Songs weniger wäre mehr gewesen und hätte das Publikum noch früher vollständig abgeholt. Doch das ist Nörgeln auf hohem Niveau. Unterm Strich ist es ein Freudenfest, das am Ende den Fans eine kollektive Glückseligkeit beschert.

Multi-Instrumentalistin Anne de Wolff und ihr Ehemann Ulrich Rode an der Gitarre stzetn musikalsiche Glanzlichter. © Harald Fingerhut

Redaktion Stellvertretender Deskchef

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