Hohenloher Unterwelt - Erdfall bei Spielbach könnte die Entdeckung eines neuen Höhlensystem verheißen / Forscher schlagen neues Kapitel auf / Großes Areal mit Vielzahl an Dolinen

Was nie ein Mensch zuvor gesehen hat

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Christopher Ross, Michael Ross, Timo Ströbel von der Spielbacher Feuerwehr und Edwin Karl (von links) am Einstieg zum neuen Höhlensystem. © Birgit Trinkle

„Wir sind drin – im Oberrimbacher Höhlensystem.“ Dank der Höhlenforscher und der Feuerwehr Spielbach hat ein neues Kapitel der Höhlenforschung in Hohenlohe begonnen.

Spielbach/Oberrimbach. Also für die Nerven ist das nichts. Wie gut, dass nicht alle Termine mit so vielen Unwägbarkeiten verbunden sind. Wäre der Preis nicht gar so verlockend – am Ende einer Pumpaktion der Feuerwehr in einem Erdfall bei Spielbach könnte die Entdeckung eines neuen Höhlensystems stehen –, die Wahl wäre auf irgend eine andere Hohenloher Unterwelt gefallen. Irgendetwas Bekanntes, Dokumentiertes, Narrensicheres. Etwas Nervenschonendes.

Etwa 800 Meter südwestlich von Spielbach liegt mitten in einer Feldflur eine große Doline, die früher das oberirdisch abfließende Wasser aufgenommen hat. Um das Grundwasser zu schützen, wird dieses Wasser heute an der Doline vorbeigeleitet. In den Felswänden zeichnen sich tiefe Klüfte ab, am Grund öffnet sich der sogenannte Spielbacher Schacht, eine etwa neun Meter tiefe natürliche Schachthöhle, an deren Grund sich ein Gang öffnet.

Wenn alles gut geht, wenn die Technik stimmt und nicht zu viel Wasser nachfließt, leert die Spielbacher Feuerwehr unter Wasser stehende Passagen, die für einen Taucher zu eng sind, und verschafft den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft (Arge) Höhle und Karst Stuttgart damit Zugang zu unbekanntem Terrain.

Bislang unerforscht

Dort unten könnten sagenhafte Gewölbe erschlossen werden, voller Geheimnisse und Saurierknochen – die Fantasie schlägt Purzelbäume. Dabei ist bereits die realistische Möglichkeit eines noch ganz und gar unerforschten Höhlensystems bei Oberrimbach faszinierend.

Vorstoß in den Schweizer Käse

Zur Schandtauber und dem Fuchslabyrinth, die vom HT in einer der ersten Unterwelten-Folgen vorgestellt wurden, gibt es keine Verbindung. Außer eben der Lage in der Hohenloher Ebene, die auch schon mal mit einem Schweizer Käser verglichen wurde. Löchrig ohne Ende. Wie der Jurakalk auf der Schwäbischen Alb löst sich der verwitternde Hohenloher Muschelkalk auf: Die Oberfläche fällt trocken, was erklärt, warum einst mit künstlichen Teichen für Viehtränken und Löschwasser gesorgt werden musste. Und weil das Gewässernetz in die Tiefe verlagert wird, gibt es Höhlen, Erdfälle und Dolinen, Trockentäler und versickernde Bäche.

Ganz in der Nähe des Spielbacher Schachts wurde ein über 70 Hektar großer Waldbereich der vielen Dolinen wegen unter dem Namen Oberrimbacher Erdfälle als Naturschutzgebiet ausgewiesen; auch der „Ruheforst Landhege“ findet sich dort. An beiden Rändern des Trockentals zwischen Spielbach und Oberrimbach sind an der Schichtgrenze zwischen Lettenkeuper und Muschelkalk Dolinen wie an einer Kette aufgereiht – der Wolkersfelder Schacht oder das vier Meter tiefe Rimbacher Loch sind Teil dieser Formation; in Spielbach selbst ist das noch tiefere Brauereiloch bekannt.

Gefahr durch Starkregen

Die „Spielbacher Doline“ aber könnte sich von ihnen allen unterscheiden: Der Hydrogeologe Dr. Jürgen Zander hat 1973 herausgefunden, dass Wasser, das in diesen Schacht läuft, fast drei Kilometer nördlich wieder ans Tageslicht tritt. Im allerbesten Fall dringen die Höhlenforscher heute in unbekanntes Terrain vor und spüren einen Luftzug, der ihnen sagt, dass zwischen ihnen und Oberrimbach keine Felswand den Höhlenweg versperrt, auch kein weiteres wassergefülltes Loch.

Es gibt einige Faktoren, die diese Geschichte beendet hätten, noch bevor sie begonnen hat. Keine Befürchtung war so begründet wie die eines Starkregens: Die ganz Woche über wurde immer wieder vor Gewittern gewarnt. Wer, wie kürzlich einige Arge-Mitglieder, an der Rettung eingeschlossener Höhlenbesucher beteiligt war, sagt Christopher Ross, weiß, wie schnell unterirdische Höhlen und Gangsysteme volllaufen, vor allem, wenn sie quadratkilometergroße Flächen entwässern. Aber jetzt geht’s tatsächlich los. Den Schacht von all dem in Jahren angefallenen Müll befreit hat die Arge, doch weil’s an geeigneten Pumpen, Schläuchen und Aggregaten fehlt, hilft die Feuerwehr Spielbach unter ihrem Kommandanten Timo Ströbel mit großer Geduld und über viele Stunden hinweg. An einem freien Samstag.

Weiter war noch niemand

Am Boden des Einstiegsschachtes dringen die Höhlenforscher in einem sehr engen Hohlraum Richtung Westen vor. Sie beschreiben einen heftig gewundenen, horizontalen kleinen Gang, der nach etwa 15 Metern auf eine gut fünf Meter hohe Klufterweiterung trifft. Auch aus Südosten tritt hier ein kleines Gerinne ein, und das gesamte Wasser fließt durch einen Schlammsiphon nach Westen ab. Weiter ist noch niemand gekommen.

Thomas Rathgeber vom Naturkundemuseum in Stuttgart war vor übervierzig Jahren beim ersten Vorstoß dabei. Kürzlich war er wieder dort, stand mit seiner Exkursionsgruppe am Dolinenrand bei Spielbach und sah auf den Schacht hinunter: Dieses Rätsel ist schon lange ungelöst.

Dank der Feuerwehr fällt der Wasserspiegel im Abfluss ab 15 Uhr allmählich. Um 17 Zentimeter, um 29. Der Schlammsiphon, so stellt sich heraus, ist glücklicherweise von Fels begrenzt, auch wenn den Höhlenforschern das Schlammbad anzusehen ist. Aber das Ganze zieht sich. Um 18 Uhr sind alle Beteiligten kurz davor, aufzugeben. Gegen 19 Uhr arbeiten sich Markus Karl und Daniel Stahl in zunächst sehr enge Räume vor, die – wie im Weltraumabenteuer – nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Ohne Luftzug, aber auch ohne Sackgasse. Auf offener Strecke, in einem nunmehr geräumigen Gang, kehren sie um.

Sie haben einen Zugang ins Oberrimbacher Höhlensystem erschlossen. In den kommenden Jahren gibt’s viel zu tun. bit

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