Verheerender Luftangriff am 31. März 1945

Rothenburg war nur Ausweichziel der US-amerikanischen Bomber

Der Ostersamstag vor 80 Jahren brachte Tod und Verderben über Rothenburg. Durch einen Luftangriff wurden fast 40 Prozent der Altstadt zerstört. 39 Menschen starben.

Von 
Dieter Balb
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Gespenstisch: die bereits aufgeräumte Ruinenlandschaft Galgengasse einige Zeit nach dem vernichtenden Bombardement. © Stadtarchiv / Repro: Balb

Rothenburg ob der Tauber. Das Kriegsende war nahe und die Rothenburger hofften, dass man ihre Stadt verschonen würde – sie täuschten sich: „Neun Tonnen Bomben mit Erfolg abgesetzt!“ meldete die US-Flugzeugstaffel am 31. März 1945 nach ihrem Rothenburg-Einsatz an die Befehlszentrale. Am damaligen Ostersamstag wurden bei dem verheerenden und militärisch unbegründeten Luftangriff fast 40 Prozent der Altstadt durch Brandbomben zerstört. 39 Todesopfer waren zu beklagen, 741 Familien wurden obdachlos und die Stadt veränderte für immer ihr Gesicht.

„Das große Geschehen an den Fronten an und innerhalb der Reichsgrenzen überschattet alles andere zu den Ostertagen und beherrscht das Sinnen und Denken des ganzen deutschen Volkes!“ lesen die Rothenburger am 31. März 1945 frühmorgens in ihrer Heimatzeitung „Fränkischer Anzeiger“ und werden aufgerufen „am heutigen Samstag um 19 Uhr an der Volksversammlung mit Kreisleiter Höllfritsch teilzunehmen“. Man erhalte „aus berufenem Munde einen Überblick über den deutschen Schicksalskampf und die Notwendigkeiten des Tages in diesem schweren Ringen“.

Wie es darum wirklich steht, sollten die Rothenburger an diesem Tag schmerzlich erfahren. Gegen 10.30 Uhr heulten die Sirenen mit dem neuen Ton „akuter Luftalarm“. Wenig später erfuhren die Menschen am eigenen Leib, was die aufpeitschende Nazi-Propaganda vom angeblich ungebrochenen Siegeswillen noch wert ist: nichts!

Ein klarblauer Himmel versprach einen schönen Ostersamstag. Als nach 10 Uhr wieder einmal die Luftschutzsirenen aufheulten, war das nichts Außergewöhnliches. Erst als man am Ton den Akut-Alarm heraushörte, kam Unruhe auf. „Meine Schwester und ich standen am Herd und kochten, als wir ein lautes Krachen der Flak-Geschütze hörten“, erinnert sich Gertrud Schubart, die damals 18 Jahre alt war. Aus der Wirtsstube des „Greifen“ blickte sie auf den menschenleeren Marktplatz und berichtete: „Im Sonnenlicht sah ich silbern blitzende dünne Stäbe von Flugzeugen herabfallen“. Minuten später kauerten viele Rothenburger verängstigt im Gewölbe des Gasthofs „Greifen“, der öffentlicher Luftschutzkeller war. Alle hatten geglaubt, daß die weltbekannte Fremdenverkehrsstadt am Ende des Krieges nichts mehr zu befürchten hat, denn es gab hier weder kriegswichtige Betriebe noch eine Kaserne oder nennenswert Militär.

Schon am 20. Februar war Nürnberg und am 16. März Würzburg bombardiert worden. Niemand träumte noch vom Endsieg, man sehnte das Kriegsende herbei und wusste, dass die Amerikaner schon nach Bad Mergentheim und Crailsheim vorgerückt waren. Da sollte es nicht mehr lange dauern für die von Älteren sowie Frauen und Kindern bewohnte Tauberstadt. Die Männer waren noch an der Front, in Gefangenschaft oder schon gestorben.

Anneliese Mittreiter erinnert sich an ihre Jugend, als sie in der Rödergasse 15 wohnte, wo die Eltern (bevor der Vater nach Rußland musste) die Metzgerei Schlötterer betrieben: „Auf dem Herd bruzzelte der Osterbraten, wir hatten dafür die Fleischmarken gesammelt. Nach dem Luftalarm flüchteten wir in den Keller und dann krachte es auch schon über uns. Bomben sind ins Haus eingeschlagen, wir hatten furchtbare Angst und mussten raus. Überall Rauch und Feuer. Mit Gasmasken und in nasse Bettlaken eingewickelt gelangten wir ins Freie.“

Ein riesiges Flammenmeer

Nach dem ersten Schock halfen alle zusammen, um gemeinsam das Feuer einzudämmen. Die viel zu wenig Feuerwehrleute löschten so gut es ging, viele Hausbewohner rannten unter Lebensgefahr auf den Dachboden, um an Ort und Stelle die eingedrungenen Stabbrandbomben zu ersticken, Phosphor-Bomben kamen hinzu und auch einige Sprengbomben fielen. Bewohner warfen ihre Habseligkeiten aus den Fenstern. Immer mehr loderten die Flammen aus den Häusern, Qualm und beißender Brandgeruch durchzog die Altstadt-Gassen.

„Die ganze obere Stadt war ein riesiges Feuermeer, immer mehr Bewohner gaben den Kampf gegen die Flammen auf, um wenigstens das nackte Leben zu retten!“ wird berichtet. Viele Leute suchten Zuflucht im Gelände der Alten Burg. Kranke und Alte habe man auf Leiterwagen aus der Brandzone gebracht. Damals gab es noch innerhalb der Mauern mehrere Stadtbauern, deren Vieh durch die Straßen irrte, und es lagen Tierkadaver auf dem Pflaster.

Die schwache Luftabwehr, die unter anderem von der Topplerschule aus in die Luft ballerte, hatte der US-Staffel von 16 Flugzeugen des Typs „Martin B 26 G Marauder“ und ihrer schweren Bombenlast nichts entgegenzusetzen. Die Flak richtete nichts mehr aus.

Gespenstische Stille

Am Tag danach, dem Ostersonntag, herrschte eine gespenstische Totenstille in der rauchverhangenen Ruinenstadt. Bis zur letzten Gewissheit über die erschütternde Bilanz des Angriffs vergingen noch weitere Tage. Dann war klar, daß es 39 Todesopfer gegeben hatte (darunter 18 Frauen, 12 Männer und neun Kinder). Einige starben in den Luftschutzkellern, erstickten oder wurden von herabfallenden Trümmern erschlagen. Es gab zahlreiche Verletzte und 741 Familien haben ihr Zuhause verloren: 306 Wohnhäuser wurden total zerstört, 52 teilweise. Hinzu kommen 46 Scheunen und Ställe, zwei Fabriken, zahlreiche öffentliche Gebäude einschließlich des Rathauses, mehrere Türme sowie die historische Stadtmauer auf einer Länge von 750 Metern.

Die Luftaufnahme der US-Aufklärung nach dem Bomben-Angriff vom 31. März 1945 zeigt das Ausmaß der Zerstörung: von der nordöstlichen Altstadt (vorne) ist nicht mehr viel übrig. Oben rechts Jakobskirche und Marktplatz. © Archiv Dieter Balb/US-Archiv

Die Nazi-Propaganda jedoch ging weiter, bis dann am 17. April endlich die Amerikaner einmarschierten und damit das Dritte Reich für die Rothenburger endete.

Erst die im Jahr 1985 aufgetauchten Unterlagen aus US-Archiven belegten, daß Rothenburg nur ein Ausweichziel gewesen ist. Eigentlich sollte die zur 386. Bombardement Group gehörende Staffel an jenem März-Samstag ein Öllager im oberfränkischen Ebrach angreifen, wo jedoch dichter Nebel herrschte. So lud man auf dem Rückflug die todbringende Fracht über dem „Ausweichziel“ ab.

Die später befragten Staffel-Piloten sagten aus, sie hätten nicht geahnt, welche Kulturstadt sie bombardieren würden. Einer der Piloten hat sich sogar für seine Tat entschuldigt und nach Kriegsende beteiligten sich die Amerikaner mit großzügigen Spenden am Wiederaufbau (die Namenstafeln am Wehrgang bezeugen es).

Artillerieangriff verhindert

Der damalige US-Hochkommissar für Deutschland, John J. McCloy, gab 1950 zu Protokoll, er habe den ergänzend geplanten US-Artillerieangriff auf Rothenburg durch persönliche Intervention beim zuständigen General Jacob L. Devers verhindert. McCloy kannte Rothenburg nur aus Erzählungen seiner Mutter, die vor dem Krieg die mittelalterliche Stadt besucht und davon geschwärmt haben soll. Am 13. Juli 1952 wurde John J. McCloy von der Bevölkerung gefeiert, als er in die Stadt kam und zusammen mit Oberbürgermeister Hörner von der Rathausaltane zur Bevölkerung sprach.

Zu besonderen Zeitzeugen-Geschichten gehört die von Dietrich-Ekkehart Nüttgen, der 1942 durch die NS- Familien-Verschickung von Köln nach Rothenburg kam (wo man bis 1953 blieb!), um so den Bombenangriffen zu entgehen. Als Achtjähriger musste er dann mit seinen Geschwistern den Luftangriff auf Rothenburg im Keller des Hauses Herrngasse 8 erleben. Dort hielt er die Enge nicht aus, entwischte dem Luftschutzwart und rannte leichtsinnig hinaus durch die brennende Stadt. Am Markusturm, so erinnert er sich, sei ihm eine junge, verstörte Frau begegnet, die ein verkohltes Baby im Arm trug. Dieses Bild hat er nie vergessen.

Die Dokumentarfilmgruppe Rothenburg (Leiter Thilo Pohle) zeigt am 24. April um 19 Uhr im Hochschul-Campus ihren Film zur Einnahme der Stadt durch die Amerikaner. „Rothenburg zwischen Rettung und vollständiger Zerstörung“.

Autor Redakteur, Wort- und Bildjournalist, Video

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