Gemeinderat Schwäbisch Hall - Gremium wollte schon unmittelbar nach OB-Namibiareise konkrete Richtlinien für Delegationen

Reisekostenregeln nie beschlossen

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Tobias Würth
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Der Haller Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim ist mit seiner Lebensgefährtin, ihrem Sohn und dem Klimabeauftragten der Stadt Schwäbisch Hall nach Okahandja in Namibia gereist – im Nachgang traten Fragen zu Reisekostenregelungen auf. © dpa

Haller Stadträte forderten nach der umstrittenen Namibiareise von OB Pelgrim im Jahr 2018 Richtlinien für Delegationen. Der Entwurf dazu wurde einst von der Tagesordnung gestrichen.

Schwäbisch Hall. Die Reise des Haller Oberbürgermeisters nach Okahandja und Windhoek in Namibia wird derzeit juristisch aufgearbeitet. Das Amtsgericht Schwäbisch Hall hat die Verhandlung über den Strafbefehl auf den 28. September terminiert.

Stadträte und Verwaltung wollten bereits vor zwei Jahren die lokalpolitische Aufarbeitung der umstrittenen Reisekostenabrechnung unter anderem in den „Richtlinien für Reisen ins Ausland“ münden lassen.

Von Tagesordnung genommen

Der Entwurf dieser drei Regeln schaffte es in den Gemeinderat. Kernpunkte: Der Gemeinderat bestimmt einen Ausschuss. Der beurteilt die Zusammensetzung offizieller Delegationen. Die Reisekosten würden „in Anlehnung an die Bestimmungen des Landesreisekostengesetzes“ von der Stadt Schwäbisch Hall übernommen, falls es keine Fördermittel gebe und die einladende Stadt nichts bezahle.

Die Grünen forderten Zusätze wie: „Ehepartner, Lebensgefährten sowie sonstige Angehörige gehören nicht zur offiziellen Delegation.“ Doch diese Regeln traten nie in Kraft. „Dem Antrag auf Absetzung des Tagesordnungspunktes von der heutigen Tagesordnung wird zugestimmt“, steht im Ratsprotokoll für die Sitzung am 4. Juli 2018. Die Debatte erhitzte sich zuvor an der umstrittenen Kostenabrechnung der Namibiareise selbst, thematisierte aber weniger die Richtlinie.

„Aus Sicht der Verwaltung besteht weiterhin der Bedarf, den Umgang mit Reisekosten abschließend rechtssicher zu klären“, schreibt aktuell Patrick Domberg, persönlicher OB-Referent auf Nachfrage.

Wie relevant ist diese städtische Richtlinie, die nicht weiterverfolgt wurde? Und sollte man sie wieder auf die Tagesordnung bringen?

„Die Verabschiedung von Reisekostenrichtlinien hat nach unserem Dafürhalten für die strafrechtliche Beurteilung der Vorgänge keine Bedeutung. Sofern es sich um eine Dienstreise des Oberbürgermeisters gehandelt hat, gilt hierfür das Landesreisekostengesetz“, schreibt Grünen-Sprecherin Andrea Herrmann auf Nachfrage. „Für Reisekosten eines Bürgermeisters und auch für die Reisekosten seiner Frau gibt es präzise Regelungen“, antwortet CDU-Fraktionssprecher Ludger Graf von Westerholt auf die Nachfrage. „Mit dem Gemeinderat haben diese Reisekostenregelungen, insbesondere eine Regelung zur Namibiareise, nichts zu tun. Bei der Reise war bekanntlich kein Gemeinderat dabei.“ Falls Stadträte Teil einer Delegation seien, sollte vorab transparent gemacht werden, wie die Kosten verteilt sind.

Partnerschaften gefährdet

Auch SPD-Fraktionssprecher Nikolaos Sakellariou meint: „Ich persönlich halte solche Richtlinien für überflüssig, weil die Rechtslage eindeutig ist. Und war. Würde der Gemeinderat jetzt nachträglich Richtlinien erlassen, würde allein dadurch der völlig falsche Eindruck entstehen, dass das Fehlen derartiger Richtlinien der eigentliche Grund für den vorliegenden Sachverhalt war.“ Der Rechtsanwalt schlägt ebenfalls vor, dass die Zusammensetzung von Delegationen im Vorfeld nicht in einem „Kleingremium“, wie es der Entwurf der Reiserichtlinie vorsieht, sondern vielmehr im großen Ratsplenum thematisiert werden sollte.

Teilnehmer vorab benennen

Hartmut Baumann (FWV) teilt mit: „Bei zu restriktiver Handhabung von Kostenübernahmen in repräsentativen Bereichen ist die Gefahr, das ,Kind mit dem Bade auszuschütten’, relativ groß.“ Städtepartnerschaften sollten nicht durch zu enge Regeln gefährdet werden.

FDP-Sprecher Thomas Preisendanz schreibt: „Ob eine genaue Definition von Reisen für alle möglichen Fälle möglich ist, mag bezweifelt werden. Umstritten ist in der liberalen Partei und Fraktion auch immer noch der nachhaltige Nutzen von Partnerschaften einer relativ kleinen Stadt wie Schwäbisch Hall über ganze Kontinente hinweg.“

Von den fraktionslosen Stadträten haben zwei auf die Anfrage der örtlichen Zeitungsredaktion geantwortet. Damiana Koch (Bunte Liste) meint dazu: „Um Transparenz über die Zusammensetzung der reisenden Delegationen zu schaffen, wäre nur Wille nötig! Noch mehr Regulierung wird nichts bringen.“ Man müsste eben im Vorfeld die Delegationsteilnehmer im Gemeinderat benennen.

Das sieht Ellena Schumacher Koelsch (Linke Liste) genauso. Sie schränkt aber die Art der Delegation ein: „Ein OB lässt sich nicht zu Zusatzleistungen einladen. Und nur weil man verpartnert mit einer OB/einem OB ist, ist man nicht automatisch gewählte Repräsentant der Stadt Hall.“

Reaktionen auf Strafbefehl

Die Haller Ratsfraktionen reagieren auf den Strafbefehl gegen den Oberbürgermeister unterschiedlich. Die Grünen schreiben: „Wir haben die Reise des OBs nach Namibia aus mehreren Gründen scharf kritisiert. Der Gemeinderat war im Vorfeld dieser Reise nie damit befasst.“ Die CDU teilt mit: „Wir sehen ein schwebendes Verfahren, zu dem wir nicht Stellung nehmen wollen.“ In der Reisekostenrichtlinie sieht die CDU ein Ablenkungsmanöver.

Die SPD schreibt: „Wir vertrauen dem Rechtsstaat: nämlich, dass am Ende eines fairen Verfahrens ein gerechtes Urteil gefällt werden wird.“ Die FWV teilt mit: „Weder beschäftigt sich die FWV-Fraktion mit einem laufenden Verfahren, noch äußern wir uns dazu.“ Die FDP antwortet: „Unsere Fraktion brachte in ihrer Stellungnahme im Juli 2018 zum Ausdruck, dass den OB offenbar sein Instinkt verlassen habe, sonst hätte er diese Reise zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form nicht unternommen. Allerdings sahen wir angesichts der Tatsache, dass in früheren Reisen von Repräsentanten der Stadt immer wieder Angehörige Teil der Delegation waren und auch kostenfrei mitgefahren waren, keinen Grund, die kritisierte Reise als rechtlich anstößig anzusehen.“

Ellena Schumacher Koe lsch (Linke): „Die Tatsache, dass der OB in Revision geht und es immer noch nicht begriffen hat, warum er den Strafbefehl rechtmäßig erhalten hat, schockiert mich.“ Damiana Koch (Bunte Liste) und Tillmann Finger (Die Partei) haben auf diesen Teil der Anfrage nicht geantwortet.

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