Tierwelt - Ute Kuglers Wüstenbussard soll die Tauben in Schwäbisch Hall vergrämen

Neue „Luftwaffe“ ohne die Lizenz zum Töten

Von 
Tobias Würth
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Ute Kugler besprüht das Tier mit Wasser. Soraya vertreibt in Schwäbisch Hall seit kurzem regelmäßig die Stadttauben. Die Falknerin geht dabei sehr vorsichtig vor, um den Greifvogel zu schonen und Passanten nicht zu belästigen. © Herbert Fahr

Die Haller Stadtverwaltung beauftragt Ute Kugler damit, gegen Tauben vorzugehen. Wüstenbussarde vergrämen jetzt regelmäßig die Vögel, die in der Stadt viel Kot hinterlassen.

Schwäbisch Hall. Soraya sitzt ruhig auf dem Lederhandschuh. Das Wüstenbussard-Weibchen blickt zum Haller Rathausdach hoch. Dort schaut etwas empört eine Taube von der Dachrinne herunter. „Du hast dich noch nicht stadtfein gemacht“, sagt Kugler liebevoll zu dem „Harris’s Hawk“, der zur Familie der „Habichtartigen“ zählt. Sie streicht vorsichtig eine flaumige Minifeder vom Kopf des Vogels. „Er mausert sich gerade.“

Der mit seinen 820 Gramm leicht wirkende Vogel hebt ab. Die braunen Federn tragen ihn wie schwerelos davon. Das fünf Jahre alte Tier zieht einen Kreis über das Ziegeldach. Die geräuschlose Machtdemonstration wirkt. Die Taube flattert davon.

Der majestätische Vogel Soraya erfüllt eine amtliche Mission. Verwaltung und Gemeinderat haben beschlossen, dass 30 Stunden pro Monat ein Greifvogel die Stadttauben vertreiben soll – ohne sie dabei zu töten. Ute Kugler von der Falknerei Bielriet bei Cröffelbach, die über 40 Tiere verfügt, hat den Auftrag erhalten. Viele Bürger loben Kugler auf ihrem Weg durch die Altstadt.

„Kommen Sie sofort mal hierher. Hier müssen sie den Vogel steigen lassen“, ruft ein aufgebrachter Bewohner aus. Er drängt die Falknerin geradezu in einen Hinterhof zwischen Blockgasse und Schwatzbühlgasse. Aufgeplatzte Müllsäcke, Essensreste, Federn, ganze Haufen von Taubenkot. Soraya, der Wüstenbussard reckt den Kopf. Das Tier erblickt die Stadttauben auf den Giebeln. Alarm. Die ersten Tauben flattern davon. Hier muss die neue Luftwaffe ohne Lizenz zum Töten gar nicht aufsteigen, um Abschreckungswirkung zu entfalten. Falknerin Ute Kugler geht seit zwei Wochen mit ihren Greifvögeln regelmäßig durch die Innenstadt. Die Wüstenbussarde töten die Tauben nicht, da es für sie einfacher ist, das Fleischstück als Belohnung bei der Falknerin abzuholen.

Zur Plage geworden

Die Tauben sollen so gestört werden, dass sie nicht mehr in Ruhe brüten und sich nicht ungebremst vermehren. Denn nach Ansicht vieler Bewohner, der Verwaltung und der Stadträte sind sie zu einer Plage geworden. Verschmutzungen durch Taubenkot, Sachschäden an Gebäudefassaden, verstopfte Regenrinnen und Abflüsse durch den Nestbau, Beschädigung von Auslageware durch Taubenkot, Belästigung der Freiluftgastronomie, Lärm- und Geruch, Gesundheitsgefährdung durch Parasiten und noch einige Negativeigenschaften mehr lastet ihnen Michael Schweizer an, der seit Herbst vergangenen Jahres Leiter der Stadtbetriebe ist. Viele andere Methoden hätten versagt. Jetzt erhält die Falknerin ein Jahr lang ihre Chance. 800 Euro kostet das pro Monat. Die 30 Stunden pro Monat würden nicht ausreichen, um die Tauben dauerhaft zu vergrämen. Kugler will sich die gewährte Zeit übers Jahr daher möglichst effektiv einteilen, im tiefen Winter weniger oft auftauchen oder bei Hitze fernbleiben, wenn sich die Tauben ohnehin im Schatten verstecken. Ute Kugler nimmt ihren Job sehr ernst. „Die Tauben sind nicht dumm“, sagt sie. Die würden sich die Einsatzzeiten merken. Daher variiert sie ihr Auftauchen in Hall.

„Sind ein Team“

„Wir sind sein Jagdhelfer. Soraya weiß, dass es mit mir einfacher geht“, erläutert die 49-Jährige. Der amerikanische Wüstenbussard verhalte sich weiterhin wie ein Wildvogel, obwohl er bei einem Züchter in Deutschland auf die Welt kam. „Wir sind ein Team. Wenn er wegbleibt, habe ich als Falknerin etwas falsch gemacht.“ Bei einer der ersten Taubenvergrämungen musste das Falknerteam 40 Minuten warten, bis Königin Soraya sich bequemte, das Hausdach zu verlassen. Zur Sicherheit ist sie mit einem Lederband mit dem Handschuh verbunden, wenn sie am Boden ist. Es gibt ein weiteres Sicherheitssystem. Kugler hakt vor jedem Einsatz einen GPS-Sender mit Miniantenne ein. Den trägt der Wüstenbussard an seinen Fängen. Falls es zu Konflikten mit Krähen kommt, kann Kugler ihn mit ihrem Smartphone orten.

Ziel sei nicht, alle Tauben auszurotten, sondern lediglich den Bestand kleiner zu halten. In Crailsheim habe die Methode funktioniert.

„Tauben sind schöne Tiere“, meint Kugler, die auch mit Kritikern der Vergrämung ins Gespräch kommen will. Fast genauso wichtig wie die Arbeit mit dem Bussard ist die Aufklärung.

Ute Kugler bleibt Menschen gegenüber genauso ruhig wie gegenüber den Tieren. Tobias Würth

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