Bütthard. Ob aus dem Ahrtal oder aus Spanien: Kaum jemandem dürfte es noch gelingen, die Schreckensbilder von Fluten, die Brücken, Autos und ganze Ortsteile wegschwemmen, zu vergessen. Doch nicht nur Fluten, sondern auch Dürren und extreme Hitzeperioden haben längst auch in Europa Einzug gehalten.
Gemeinsam mit der Regierung von Unterfranken, dem Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilferinge und dem Netzwerk Wasser lud die Gemeinde Bütthard zu einem auch aus dem weiteren Umkreis sehr gut besuchten Vortrags- und Diskussionsabend mit dem Wasserspezialisten Karl Auerswald. Sein Fachgebiet heißt „Aquatische Systembiologie“. Ob Regen, Nebel oder Schnee, ob global oder auch ganz kleinräumig – die Kreisläufe des Wassers sind Auerswald bestens vertraut. Als Lehrbeauftragter der TU München, Mitarbeiter der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, bei der Landesanstalt für Landwirtschaft und auch an Schulen und Kindergärten, teilt der Professor sein Wissen.
Hoch willkommen ist seine Expertise in Bütthard: Die mit rund 1300 Einwohnern eher kleine unterfränkische Marktgemeinde setzt auf ein auch vom Freistaat Bayern gefördertes integrales Sturzflut-Risikomanagement. Dabei geht es ebenso um den Schutz der Ortschaften wie um den Schutz landwirtschaftlich genutzter Flächen vor Ernte- und Erosionsschäden.
Bodennutzung hat sich drastisch verändert
Grußwortrednerin Nadine Jäger, Regierung von Unterfranken, weiß als Geoökologin ebenso um die Bedeutung des Bodenschutzes wie die gelernte Landwirtin Christina Beckler vom Landesverband der Bayerischen Maschinen- und Betriebshilferinge. Für beide ist klar: Starkregenschutz und Dürreprävention sind für die Zukunft von enormer Bedeutung.
Auerswald plädiert seit Jahren dafür, den durch die Landnutzung getriebenen Klimawandel stärker zu berücksichtigen. Bei der Begrenzung des CO2-getriebenen Klimawandels, der seltenere, dann aber um so heftiger Regenfälle mit sehr schnellem Oberflächenabfluss verursache, sei auf nationaler oder regionaler Ebene recht wenig zu beeinflussen, so Auerswald.
Dem durch unkluge Landnutzung mit Verdichtung, Drainierung und Versiegelung getriebenen Klimawandel hingegen könne über die Nutzung der Bodenflächen jede Region, jede Kommune, ja sogar jeder einzelne Landwirt und Hauseigentümer begegnen und damit aktiv etwas gegen Wetterextreme tun.
Anhand fundierten Datenmaterials aus teilweise bis zu 125 Jahren belegte Auerswald, dass die Problematik der Extremwetterereignisse mit Dürren und Sturzfluten nicht auf generell veränderte ganzjährige Regenmengen zurückzuführen ist. Was sich aber drastisch verändert habe, sei die Bodennutzung und damit ihre veränderte Kapazität zur Wasserspeicherung und Grundwasserbildung.
Durch Straßen, Plätze und Bauten seien inzwischen sechs Prozent der bayerischen Landesfläche versiegelt und damit für den Wasserkreislauf funktionslos geworden. Diese sechs Prozent entsprechen pro Bürger und Bürgerin einer für die Wasseraufnahme verlorenen Bodenfläche von 330 Quadratmetern, wodurch den Böden bereits rund 60 Liter Niederschläge pro Jahr, die einfach als Oberflächenwasser abfließen, fehlen. Hinzuzurechnen seien Verdunstungsverluste in einer Größenordnung von weiteren 30 Litern – alles zu Lasten der Grundwasserbildung, die in Bayern um 20 Prozent gesunken sei.
Zur Vesiegelung gesellt sich seit etwa 1970 die Im Zug von Flurbereinigungsmaßnahmen und Änderung der Regeln für den Straßenbau, die Gräben an beiden Straßenseiten fordern, eine allzu hohe Drainagekapazität. Zusätzlich zu den rund 100.000 Kilometern Fließgewässern in Bayern habe man damit ein bis zu 600.000 Kilometer langes zweites, hydraulisch hoch effizientes Entwässerungssystem geschaffen, das die Wässer mit enormen Geschwindigkeiten und entsprechend höheren Flutscheiteln buchstäblich in die Ortschaften locke.
Wasser wird rasant zu Tal befördert
Auch in den Wäldern stören die quer zu den Hängen verlaufenden LKW-befahrbaren Forststraßen mit ihren Wegseitengräben den natürlichen Wasserfluss. Wasser, das eigentlich langsam zu Tal sickernd dem Grundwasserspeicher und den darunter liegenden Waldstücken zugute kommen könnte, wird über die Wegseitengräben rasant zu Tal und damit in die Bäche und Kanalisationssysteme befördert – mit der Folge steigender Überflutungsrisiken.
Verschärft wird die Problematik auch auf den Ackerflächen: Schweres Gerät wie Mähdrescher, die den Boden mit Lasten von über fünf Tonnen pro Rad befahren, sorgen für eine massive, leicht über die Verfolgung der Fließwege durch eingefärbtes Wasser belegbare Verdichtung des Unterbodens. Zu Schaden kommen dabei die feinen Poren, durch die nicht nur der Unterboden seine Feuchtigkeit bezieht, sondern die Wurzelwerk nutzt. Müssen sich die Wurzeln ihre sonst bereits vorhandenen Porenwege selbst bohren, werden, so Auerswald, das Pflanzenwachstum und damit der Ertrag geschmälert.
Während bei der großflächigen Versiegelung und dem Entwässerungsturbo vorrangig Kommunen, Kreise und staatliche Einrichtungen gefragt sein dürften, haben Land- und Forstwirte durchaus Möglichkeiten, sich durch besseren Bodenschutz dem Landnutzungsgetriebenen Klimawandel wirkungsvoll entgegenzustemmen.
In Forsten ebenso wie bei den Wegseitengräben würde bereits eine Verbreiterung und Aufrauung der Kanäle den Wasserabfluss verlangsamen und damit die Scheitelwellen in Ortschaften reduzieren. Auf Feldern schützt Mulch nicht nur gegen Bodenerosion, sondern verringert auch den Oberflächenabfluss deutlich, was es den Böden ermöglicht, mehr Wasser zu speichern. Bei Trockenheit reduziert die Bodenbeckechung – Frankreich machte gute Erfahrungen mit Stroh auf den Feldern, das die Sonneneinstrahlung reflektiert – die Erwärmung der Böden und die damit verbundenen Verdunstungsverluste. Wo sich im konventionellem Saatbett bereits wenige Wochen nach der Bodenbearbeitung Trockenrisse zeigen, sind selbst neun Monate nach der Bodenbearbeitung auf Mulchdirektsaat-Feldern die Böden noch intakt. Auch schmale Hecken, die selbst im Sommer noch Durchblicke ermöglichen, reduzieren die durch Luftzug geförderte Verdunstung.
Auch innerhalb bebauter Areale seien mit relativ geringen Mitteln bereits positive Effekte gegen sommerliche Gluten und schnelle Wasserverluste erzielbar: Für Garageneinfahrten und Abstellflächen rät Auerswald zu Schotterrasen und etwa Regentonnen für die Gartenbewässerung.
Sein Tipp für alle: „Denken Sie nicht nur an Effizienz, sondern an Resilienz!“ Die dürfte bei weiterer Zuspitzung von Extremwetterlagen immer wichtiger werden.
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