Neue Dauerausstellung im RothenburgMuseum

Der „Rothenburger Weg“ wird stetig fortgeschrieben

Große Teile Rothenburgs wurden 1945 zerstört. Nach dem Krieg hat Rothenburg sein historisches Stadtbild wieder hergestellt. Davon erzählt eine neue Ausstellung.

Lesedauer: 
Völlig überrascht vom Zerstörungsgrad Rothenburgs sind viele Touristen, so wie hier Museumsbesucher aus Rheinland-Pfalz. © Dieter Balb

Rothenburg. Von den geschätzt 1,9 Millionen Touristen, die Rothenburg jedes Jahr besuchen, kommen fast alle wegen des mittelalterlich anmutenden Stadtbildes. Die Wenigsten aber nehmen wahr, dass manche Gasse nur vordergründig historisch aussieht, in Wirklichkeit aber aus Nachkriegs-Neubauten besteht. Das soll sich nun durch eine Dauerausstellung im Rothenburg-Museum ändern, denn dort erfahren die Besucher von Kriegszerstörung und gelungenem Wiederaufbau nach 1945, dem so genannten „Rothenburger Weg“.

Dieses Kapitel kam bisher in Rothenburgs Außendarstelllung etwas zu kurz, auch wenn es natürlich bei Stadtführungen und an Erinnerungstagen schon immer vermittelt wird. Auf sechs Räume verteilt kann sich der Besucher jetzt ein anschauliches Bild machen von dem unvermuteten Rothenburger Drama und der Wiedererstehung eines vom Brandbomben eingeäscherten Stadtteils, der 40 Prozent der Altstadt umfasste.

Geschlossenes Ortsbild erhalten

Doch es war weniger ein Wunder, wie manche sagten, als vielmehr der Weitblick der Rothenburger, die nach dem verheerenden US-Luftangriff von Ostern 1945 ihre Häuser streng am Altbestand orientiert wieder errichteten. Man hätte, wie andernorts auch, die Chance nutzen können und die Baulücken durch zeitgemäße, moderne Wohnbauten füllen, aber die Stadt-Verantwortlichen und die meisten Bewohner verhielten sich weitsichtiger. Letztlich erkannten sie das Kapital für die touristische Zukunft, das in einem geschlossenen Ortsbild liegt.

Viele Fragen rund ums Thema werden nun in der seit Mai geöffneten Ausstellung behandelt, offen und auch kritisch beleuchtet. Kuratorin Edith von Weitzel-Mudersbach und Co-Kurator Architekt Hanns Berger haben das Museums-Konzept „Der Rothenburger Weg“ entwickelt. Planerisch wurde es umgesetzt von dem Dresdner Architekten Tom Macht. Es werden die Erkenntnisse zweier wissenschaftlicher Kolloquien (2019 und 2021) sowie die Inhalte der Ausstellungen „Pittoresk“ und „Rothenburg in London“ in der anspruchsvollen Schau verarbeitet, die nun ein neuer Höhepunkt im ehemaligen Dominikanerinnenkloster sein dürfte.

Nach dem Rundgang durch das sehenswerte Rothenburg-Museum (früher Reichsstadt-Museum) kann der Besucher Erkenntnisse zur Stadtgeschichte mit nach Hause nehmen, die weit über das romantisierende touristische Bild der mittelalterlichen Toppler-Stadt hinausgehen. Die Kuratoren haben erfreulicherweise das Geschehen zum Kriegsende und den Neubeginn nach 1945 in den notwendigen größeren Kontext gesetzt. So erfahren die Besucher in der Dauerausstellung auch vom Ende der Reichsstadt-Herrlichkeit im Jahre 1802 und werden über die Stadtentwicklung bis zur Gegenwart grundlegend informiert. Tafeln, Grafiken, Dokumente und aus der Zeit stammende Exponate vermitteln einen lebendigen Eindruck zu den Epochen.

Originale Trümmerreste zu sehen

Dem Weg des am historischen Vorbild orientierten Wiederaufbaus, den die Rothenburger gewählt haben, lag eine Gesinnung zugrunde, wie sie in anderen bombardierten Städten nicht generell, sondern höchstens auf herausragende Bauten bezogen vorhanden war. Das mag damit zusammenhängen, dass Rothenburg schon Ende des 19. Jahrhunderts und danach von den Künstlern, Malern und Literaten, entdeckt wurde, womit sich zugleich ein zunehmender Tourismus entwickelte.

Künstler aus dem In- und Ausland haben Gemälde, Grafiken und Radierungen hinterlassen, die das malerisch-pittoreske Rothenburg in den Mittelpunkt stellen. Wertvolle Exponate dazu ergänzt um alte Postkarten und Reiseführer veranschaulichen, wie sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein wiederkehrender Motivkanon an Stadtansichten verbreitete. Fotografien und Farbdruck kommen später hinzu und der „Rothenburger Weg“ findet bis heute seine Fortsetzung. Millionenfach werden die typischen Altstadtansichten wie Plönlein, Marktplatz oder Jakobskirche über die sozialen Medien verbreitet und täglich tausendfach mit Handys abgelichtet.

Sehr überzeugend wirkt der Raum mit originalen Trümmerresten sowie Arbeitsmaterialien aus der Zeit, ein Luftalarmsignal vermittelt einen akustisch bedrückenden Eindruck und nimmt man einen Telefonhörer ab, so hört man Auszüge aus einem Interview mit dem früheren Rothenburger Stadtbaumeister Michael Severini, der als Zimmermann den Wiederaufbau miterlebt hat. Sequenzen der Realschul-Dokumentarfilmgruppe von Thilo Pohle mit Zeitzeugen lassen weiter ins Geschehen eintauchen.

Der Besucher erfährt auch von US-General John McCloy, der verhinderte, dass nach dem US-Luftangriff mit neun Tonnen Brandbomben auch noch US-Artillerie die Stadt beschießt. Von „mustergültiger und stilbildender Alleinstellung“ ist bei der Wiederaufbau-Bewertung die Rede. Photovoltaik und alte Ziegeldächer oder energetische Sanierung und Denkmalschutz sind in der Ausstellung angesprochene kritische Themen. Sogar moderne Architekturentwürfe der Technischen Hochschule Aachen für städtebauliche Akzente in Stadtmauernähe finden sich als Diskussionspunkte.

80 Jahre nach Kriegsende wird mit dieser Ausstellung allen Interessierten, besonders der jüngeren Generation und den Stadt-Besuchern, ein Kriegs-Geschehen nahegebracht, für das es nur noch wenige Augenzeugen gibt. Die Ausstellungs-Macher betonen: „Der Rothenburger Weg endet nie, er geht immer weiter und wird stetig fortgeschrieben“.

Die Stollengasse ist abseits der Touristenströme einer der nahezu komplett wiederaufgebauten Straßenzüge. © Dieter Balb

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten