Rothenburg. Schlechte Nachrichten für Rothenburgs größtes Wohnbau-Projekt, das mitten in der Altstadt liegt. Auf dem großen Areal steht erst ein Teil der geplanten Neubauten mit bereits verkauften Wohnungen im Rohbau. Für alle Beteiligten, aber auch die Stadt Rothenburg, kam jetzt die Hiobsbotschaft: der Bauträger steckt in Zahlungsschwierigkeiten und die Firma steht seit Ende März unter vorläufiger Insolvenzverwaltung. Der Unternehmer hofft trotzdem auf den weiteren Ausbau.
„Ich bin zuversichtlich, dass es weitergeht und wir die Bauten fertigstellen können“, sagt uns der Geschäftsführer Gerald Kümmerle von der Dinkelsbühler ProBau GmbH. Der vorläufige Insolvenzverwalter suche nach einer befriedigenden Lösung für alle Beteiligten. OB und Stadtrat hoffen auf den Weiterbau und die baldige Fertigstellung der benötigten Wohnungen.
Seit dem Wiederaufbau nach dem Krieg dürfte das betroffene Neubau- und Sanierungsprojekt das größte innerhalb der Altstadt sein. Es bezieht sich auf ein großes Gelände zwischen Galgengasse, Judengasse und Hirtengasse. Die Rede ist vom sogenannten Schopf-Areal in Anlehnung an ein dort früher ansässiges Einzelhandels-Unternehmen in Sichtweite des Weißen Turmes gelegen.
Die ProBau GmbH (Projektbau und -entwicklung) aus Dinkelsbühl ist in Rothenburg seit vielen Jahren bei der Sanierung von Altstadt-Häusern im Geschäft. So zum Beispiel in der Herrngasse, der Klingengasse und im Alten Stadtgraben, wo insgesamt 27 modernisierte Wohnungen bei einem Gesamtvolumen von 4,2 Millionen Investition entstanden sind. Mit diesen Erfahrungen hatte die Stadt allen Grund, das weitere Engagement des Unternehmers in der Altstadt zu begrüßen, auch wenn man beim Innenausbau aus denkmalpflegerischer Sicht einiges zu bemängeln hatte.
Für die Neubebeauung des Schopf-Areals opferte man sogar eine historische Scheune und genehmigte eine dichte Bebauung auf einstigen Freiflächen nach dem Motto: Alles ist hilfreich, was Wohnraum schafft. Und dazu bedarf es leistungsfähiger Investoren. Die ProBau hatte 9,5 Millionen Euro für das gesamte Areal veranschlagt.
Das Pech der ProBau GmbH mag gewesen sein, dass man mit dem Vorhaben in die Corona-Krisenzeit geriet. Die bunt bebilderten Prospekte des zuständigen beauftragten Immobilen-Vermarkters, der Volksbank Hohenlohe eG, gingen noch von einem Baubeginn im Oktober 2021 für den ersten Bauabschnitt A aus. Statt dessen aber blieb jahrelang nach Abriss- und Erdarbeiten eine störende Baulücke in historischer Umgebung. Erst jetzt stehen die Rohbauten für diesen Teil mit 15 Wohnungen, während der etwas kleinere Bauabschnitt B mit zehn Wohnungen noch gar nicht begonnen wurde. Eine Tiefgarage mit 18 Stellplätzen ist im Untergrund als Rohbau bereits vorhanden.
„Wir haben fast alle Wohnungen im ersten Abschnitt verkauft, dafür sind die Anzahlungen geleistet und wir wollen natürlich, dass die Käufer zufriedengestellt werden, so wie das immer bei uns der Fall war“, betont Gerald Kümmerle und antwortet auf FN-Frage, dass die Anzahlung bei den verkauften 13 Wohnungen 25 Prozent der Kaufsumme betrug, die zweite Rate liege bei 28 Prozent nach Fertigstellung des Dachstuhls.
Der Neubauteil B zeigt sich im Moment als noch große leere Fläche auf dem Areal. Abgeschlossen ist dagegen seit einiger Zeit die Sanierung in bestehenden alten Gebäuden (Galgen- und Judengasse), wofür die Wohnungen verkauft und vermietet sind. Allerdings gäbe es bei den gewerblichen Flächen noch Bedarf und Leerstände, unterstreicht Gerald Kümmerle.
Schon im Februar 2023 war für das „Tauberquartier in Rothenburg“, wie die Marketingleute das Schopf-Areal nennen, im Haus A die Bezugsfertigkeit vorgesehen. Die ausgeschriebenen Kaufpreise (laut älterem Erstvermarktungsprospekt und deshalb nicht verbndlich) bewegen sich von rund 267.000 Euro für zweinhalb bis und rund 350.000 Euro bei 3,5 Zimmer und 70 qm. Das teuerste ist eine 488.000 Euro teuere Dachgeschoßwohnung mit 98 Quadratmetern. Im noch nicht gebauten Haus B gäbe es dann größere Wohnungen um die 100 qm bis 489.000 Euro und sogar eine 4-Zimmer-Etagenwohnung von 115 qm mit Haus-Charakter zum Preis von 564 000 Euro.
Für Oberbürgermeister Dr. Markus Naser kam das Insolvenzverfahren zum jetzigen Zeitpunkt zwar überraschend, wie er sagt, aber ganz unerwartet sei es doch nicht gewesen. Vor allem die viel zu lange ruhende Baustelle habe für Schlussfolgerugen gesorgt. Erst in den letzten Monaten herrschte wieder rege Bautätigkeit, auf die nun der plötzliche Baustopp folgte. Naser bedauert auch, dass noch geplante Projekte wie ein Neubau in der Stollengasse nun brachliegen. Dafür gibt es bereits eine genehmigte Bauplanung. Dr. Naser besorgt: „Wir wollen keine Bauruine an so zentraler Stelle in der Altstadt“. In der Stadt gibt es zwei größere und erfahrene Bauträger, die bereits an vielen Stellen im Wohnungsneubau erfolgreich tätig sind. Mit diesem Potential vor Ort könnten sich gegebenfalls Optionen ergeben, um Stillstand zu verhindern.
Frage nach offenen Forderungen zu klären
Doch vor weiteren Überlegungen heißt es, das Gutachterergebnis des vorläufigen Insolvenzverwalters Dr. Hartmut Krüger abzuwarten, den das Amtsgericht Ansbach bestellt hat. Der zuständigen Bank mangelte es nach unseren Informationen an den notwendigen Sicherheiten, um das in Schieflage geratene Vorhaben mit weiteren Krediten zu finanzieren. Zu klären ist u.a., was aus offenen Forderungen der baubeteiligten Firmen und Handwerksbetriebe wird.
Laut Geschäftsführer Gerald Kümmerle (der nur sechs eigene Mitarbeiter in seinem Büro beschäftigt), wolle man alles tun, um die Bauarbeiten bald ¬fortführen zu können. Dabei sei er vom Insolvenzverwalter um seine weitere Mitwirkung gebeten worden, was er gerne mache.
Fachanwalt Dr. Hartmut Krüger steckt mitten im vorläufigen Insolvenzverfahren und muss erstmal den Sachstand und die Gläubigerverhältnisse erhellen. Wie er auf Anfrage sagte, sei nach Abschluss des vorläufigen Verfahrens voraussichtlich zum 1. Juni mit der Insolvenz-Eröffnung zu rechnen. Bestreben sei es, bis dahin zu einer aussichtsreichen Lösung zu kommen. Dazu könne gehören, die Rohbauten im Teil A sogar noch selbst durch die ProBau fertigzustellen. Auf dieser Fertigstellung liege der Fokus. Was den noch unbegonnnen Bauteil B betrifft, sei vorerst keine Aussage möglich.
Rothenburg erlebt seit längerem eine rege Bautätigkeit durch verschiedene örtliche und auswärtige Investitoren, und es stehen weitere größere Wohnbauprojekte bevor. So auf dem ehemaligen Hasa-Fabrikgelände nahe dem Rödertor oder auf dem früheren BayWa-Gelände in Bahnhofsnähe; ganz abgesehen von den Bauplänen in neuen Siedlungen am östlichen Stadtrand. Manche fragen sich, ob dieses Bauvolumen bei stagnierender Bevölkerung von nur 11.400 Einwohnern nicht zu einem Überangebot führt.
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