Neckar-Odenwald-Kreis. „Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.“ Nach diesem Motto, das von Dr. Cicely Saunders, der Begründerin der Hospizbewegung stammt, begleiten 22 Ehrenamtliche beim Ambulanten Kinderhospizdienst Neckar-Odenwald lebensbedrohlich erkrankte Kinder und deren Angehörige. Sie wirken überwiegend im Verborgenen, wollen ihren Namen nicht in der Zeitung sehen. Anlässlich des Internationalen Tags des Ehrenamts am 5. Dezember sprachen wir mit Bettina Frisch, eine der beiden hauptamtlichen Koordinatorinnen des Vereins. Wenn ein Kind sterbenskrank ist, sind es immer wieder die kleinen Dienste, auf die es ankommt. Zum Beispiel, dass jemand für das Geschwisterkind da ist und es zum Kindergarten bringt, während die Mutter das kranke Kind zur Klinik fährt. „Eine Begleitung von Kindern ist ab der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung möglich“, sagt Bettina Frisch, die gemeinsam mit einer Kollegin den Einsatz von Hospizbegleitern koordiniert. „Das Kind stirbt noch nicht. Wir bieten Lebensbegleitung an.“ Die Ehrenamtlichen des Vereins begleiten nicht nur schwerkranke Kinder, sondern auch Familien, in denen ein Kind gestorben oder in denen ein Elternteil schwer erkrankt oder verstorben ist. Manche Familien begleitet der Verein schon seit seiner Gründung im Jahr 2010. In einigen Fällen pausierte die Begleitung, wurde aber wieder angefordert, als wegen der Coronamaßnahmen viele Kontakte weggefallen waren.
Kinder- und Jugendhospizarbeit
In Deutschland leben rund 50 000 Kinder und Jugendliche mit einer lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung.
Kinder- und Jugendhospizarbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Kinder und Jugendlichen und ihre Familien auf ihrem Lebensweg zu begleiten.
Im Unterschied zu den Hospiz- und Palliativangeboten für schwerstkranke und sterbende Erwachsene ist es eine Besonderheit der Kinder- und Jugendhospizarbeit, dass die Familien auf Wunsch ab der Diagnose und nicht nur in der letzten Lebensphase begleitet werden. (Quelle: Deutscher Hospiz- und Palliativverband) mb
Erfreuliche Erfahrungen gehören für die Hospizbegleiter ebenso dazu wie schwierige. So habe man ein Frühchen begleitet, das bei seiner Geburt über ein Gewicht von nur 500 Gramm verfügt habe. „Das Kind hat sich prima entwickelt. Dem geht es supergut“ stellt Frisch fest. Auch der Gesundheitszustand eines Kindes mit Herzfehler habe sich stabilisiert. Dieses war sechs Monate alt, als seine Eltern um eine Begleitung baten. Nach gut zwei Jahren habe man diese beendet.
Der Tod gehört bei diesem ehrenamtlichen Einsatz allerdings dazu. „Wenn es in die akute Sterbephase geht, ziehen sich Familien oft zurück“, erläutert die Koordinatorin. „Bei den Trauerfeiern sind wir aber immer dabei.“ Auch nach dem Tod eines Kindes begleiten die Ehrenamtlichen auf Wunsch die Familie. Bei einer Familie aus Mosbach war die Hospizbegleiterin kaum im Einsatz, als das Kind, eine Neunjährige mit Hirntumor, noch lebte. Nach ihrem Tod meldete sich die Familie wieder. Jetzt unterstützt die Begleiterin die Familie mit zwei Töchtern bei der Trauerbewältigung.
Es beginnt mit Besuch der Familie
Fragt eine Familie eine Begleitung beim Ambulanten Kinderhospizdienst an, besucht eine der beiden Koordinatorinnen die Familie zu Hause und klärt den Bedarf ab. Bei der Auswahl der begleitenden Person achtet man auf örtliche Nähe und bespricht den Fall mit dem möglichen ehrenamtlichen Helfer. Anschließend folgt ein Kennenlern-Treffen des möglichen Begleiters mit der Familie gemeinsam mit der Koordinatorin. Wenn es passt, vereinbart man zunächst eine Begleitung für zwei Jahre. Danach ist es möglich, den Begleiter zu wechseln. „Wir achten auf einen professionellen Abstand zwischen Begleiter und Kind“, erläutert Bettina Frisch.
100 Stunden Ausbildung
Bevor Ehrenamtliche beim Ambulanten Kinderhospizdienst aktiv werden können, müssen sie eine hundertstündige Ausbildung absolvieren, die sich über ein halbes Jahr erstreckt. Zehn Begleiterinnen haben darüber hinaus eine Ausbildung in Trauerbegleitung absolviert.
Nach den Worten von Frisch hat der Verein bisher keine Anfrage nach Begleitung absagen müssen. Von den derzeit 22 Ehrenamtlichen, darunter zwei Männer, verfügten fünf über keinen Auftrag. Einige Familien kommen allerdings nur zu den gemeinsamen Familiennachmittagen, die der Verein drei bis viermal im Jahr ausrichtet. Dazu gehören zum Beispiel ein Sommerfest beim Reit- und Fahrverein Schefflenz und eine Veranstaltung bei der Firma Magna in Rosenberg. Jetzt kann vieles wie zu Beginn des Jahres 2020 wegen der Corona-Lage nur noch online oder telefonisch stattfinden. Oder die Hospizbegleiter und die Familien treffen sich im Freien, bei einem Spaziergang oder auf einem Spielplatz. mb
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