Breitbandausbau im Neckar-Odenwald-Kreis - BBV plant Projekt im gesamten Kreisgebiet / Bau startet nur bei einer Mindestanzahl an Vorverträgen

Glasfaser-Netz für 110 Millionen Euro

Von 
Marcel Sowa
Lesedauer: 

Dem Neckar-Odenwald-Kreis bietet sich die historische Chance beim Breitbandausbau, der erste ländlich geprägte Landkreis mit einem Glasfaseranschluss in jedes Gebäude hinein zu werden.

Neckar-Odenwald-Kreis. Telefon, Videokonferenzen, Skype, WhatsApp, Netflix und Co. haben in der Corona-Krise an Bedeutung gewonnen. Die Digitalisierung scheint in den vergangenen Wochen mehr Schritte bewältigt zu haben als in den Jahren zuvor. Zumindest hat sie eine verstärkte Aufmerksamkeit bekommen – die Umsetzung bleibt ein anderes Thema. Der Breitbandausbau spielt dafür eine wichtige Rolle und ist im Neckar-Odenwald-Kreis zuletzt etwas auf der Strecke geblieben. Mit dem Glasfaserausbau durch die Breitbandversorgung Deutschland (BBV) bietet sich die wohl einmalige Chance, der erste ländlich geprägte Landkreis zu werden mit einem Glasfaseranschluss bis in jedes Gebäude hinein. In kompletter Eigenregie will die Firma das 110 Millionen Euro teure Projekt durchführen. Auf den Landkreis kommen dabei kaum Kosten zu. Diese und weitere Informationen stellte BBV-Ausbauleiter Marcus Böker am Mittwoch in der Kreistagssitzung in Walldürn vor.

Angebote waren Mangelware

Zwar hat sich beim Thema Internet in den vergangenen Jahren einiges im Neckar-Odenwald-Kreis getan. Doch zuletzt kamen die Pläne ins Stocken. Mittelfristiges Ziel des Landkreises ist nach wie vor die Versorgung jedes einzelnen Anschlusses mit einer direkten Glasfaserverbindung bis ins Gebäude hinein: das sogenannte „Fibre to the Building“, abgekürzt auch „FTTB“ genannt. Vereinfacht gesagt wird mit diesem Netz das Internet noch schneller. Nachdem 90 Prozent aller Haushalte und Gewerbetreibenden im Landkreis an die Glasfaser angeschlossen wurden, sollte dies in der nächsten Ausbaustufe in unterversorgten Außenbereichen, sämtlichen Schulen und Gewerbegebieten folgen.

Die Pläne wurden gemacht, allein die Angebote im europaweiten Ausschreibungsverfahren fehlten – trotz großzügiger Förderzusagen von Bund und Land. Nach Rücksprache mit den 27 Städten und Gemeinden suchte der Landkreis nach einer Alternative – und fand diese Ende 2019 in der BBV. Diese hat sich auf den „FTTB“-Ausbau in ländlichen Regionen spezialisiert und Projekte unter anderem im benachbarten Rhein-Neckar-Kreis realisiert. Einen Landkreis flächendeckend zu versorgen wäre auch für die BBV eine Premiere.

Risiko liegt bei der BBV

Aufgrund der räumlichen Nähe zu seinen laufenden Ausbauprojekten führte das Unternehmen bereits Vorgespräche mit den Gemeinden Aglasterhausen, Schwarzach und Neunkirchen. Dort ist bereits die Vorvermarktung gestartet worden. Die Corona-Krise macht den Beteiligten auch hierbei einen Strich durch die Rechnung, entsprechende Marketingmaßnahmen sind nur eingeschränkt möglich. Wie Marcus Böker dem Gremium bestätigte, liegt das unternehmerische Risiko beim eigenwirtschaftlichen Ausbau allein bei der BBV. Die Finanzierung des Großprojektes erfolge durch etablierte und kapitalstarke Fondsgesellschaften, die bewusst in zukunftsfähige Infrastrukturmaßnahmen investieren wollen.

Unterschiedliche Quoten

Der Ausbau des gigabitfähigen Netzes soll abschnittsweise, aber dennoch in einem Zug unter Nutzung der vorhandenen örtlichen Leerrohrtrassen erfolgen. Damit es zur Realisierung des Projektes kommt, muss in den Städten und Gemeinden in einer Vorvermarktungsphase eine Mindestquote an Vorverträgen über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere Internetzugänge, abgeschlossen werden. „Jede Gemeinde wird explizit angesprochen und dann jeweils eine Quote festgelegt. Diese wird bei 35 Prozent oder vielleicht sogar niedriger liegen“, so Böker. Erst wenn diese Zahl in allen Kommunen erreicht werde, komme das Projekt weiter ins Rollen.

Nach dem Ausbau gewährt BBV „Open Access“, das heißt, auch andere Internetanbieter erhalten Zugang. Bandbreiten bis zu 2,4 Gigabit pro Sekunde sollen laut dem Unternehmen möglich sein. Der Ausbau soll in offener Bauweise oder per Spülbohrung erfolgen.

Die Baumaßnahmen starten nach Angaben des Ausbauleiters zuerst in den Gemeinden, in denen die Vermarktungsziele erreicht werden. Die Gespräche mit der Stadt Buchen und der Gemeinde Aglasterhausen befinden sich sogar schon so weit, dass hier mit dem Bau vielleicht noch in diesem Jahr gestartet werden kann. Auf die Anfrage eines Kreisrates betonte Böker, dass beim Bau regionale Partner und Handwerker gesucht werden. Die Endprodukte und Preise würden denen anderer Anbieter entsprechen, so der BBV-Vertreter.

Roland Burger, der die Sitzung in Vertretung für Landrat Dr. Achim Brötel leitete, sprach von einem möglichen „Quantensprung“ für den Landkreis. Marco Eckl von den Freien Wählern nannte es „eine historische Chance“. Norbert Bienek (SPD) meinte: „Wir können anderen Landkreisen bereits einen Schritt voraus sein. Hoffen wir, dass die BBV hält, was sie verspricht“. Das Gremium bewilligte einstimmig den Vorschlag, die Verwaltung mit der Projektkoordination zu beauftragen und appellierte an Städte und Gemeinden, den Ausbau zu unterstützen. Entsprechende Erklärungen, sich am Projekt zu beteiligen, liegen von allen 27 Kommunen bereits vor.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten