Main-Tauber-Kreis - Zukunftspreis "Willkommenskultur" verliehen

Wertschätzung der kulturellen Vielfalt und kleine Gesten

Von 
Alexandra Müller
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Die Sieger des Zukunftspreises zusammen mit den Teilnehmern der Gesprächsrunden.

© Alexandra Müller

Main-Tauber-Kreis. Der erste Platz des Zukunftspreises Main-Tauber-Kreis ging an die Bäckerei Hermann Erbacher GmbH aus Tauberbischofsheim. In der Kategorie "Willkommenskultur" war der Sieger "in allen Kriterien vorne."

Die demografische Entwicklung und dazu noch die Fluktuation in die Ballungszentren sind die Auslöser: Kleinunternehmen bis hin zu großen Arbeitgebern suchen verstärkt händeringend nach Fachkräften oder Auszubildenden. "Wir brauchen mehr denn je Menschen, die zu uns kommen", betonte Landrat Reinhard Frank bei der Preisverleihung des Zukunftspreises Main-Tauber-Kreis am Donnerstagabend. Darum stand der Zukunftspreis in diesem Jahr unter dem Titel "Willkommenskultur": "Mit diesem Wettbewerb möchten wir jene Unternehmen im Kreis fördern und auszeichnen, in denen auf kreative Weise Willkommenskultur gelebt wird. Vielleicht motiviert gerade die Verwirklichung ihres Modells zur Nachahmung und zeigt neue Wege auf", so die Hoffnung des Landrats.

19 Firmen nahmen teil

19 Firmen aus dem Kreis reichten ihre Bewerbungen zum Wettbewerb ein. Im Expo-Center der Firma Systemair in Windischbuch erfolgte die Preisverleihung. Über den ersten Platz durfte sich die Bäckerei Hermann Erbacher GmbH aus Tauberbischofsheim freuen, der zweite Platz ging an die Firma Bass GmbH & Co. KG aus Niederstetten und der dritte Platz an den Fecht-Club Tauberbischofsheim (siehe gesonderte Berichte).

Ein Blick in den Süden Europas: David Toro Martinez ist 26 Jahre alt, nach seinem Kunststudium fand er nur Gelegenheitsjobs. Praktisch die identische Situation bei Maria José Frontela Serna, die 34-Jährige ist eigentlich Verwaltungsangestellte - und stand ebenfalls "auf der Straße". Beide lebten in Spanien - und hier herrscht nach dem Schulabschluss viel zu oft Resignation. Die Arbeitslosenquote, gerade bei jungen Leuten, ist immens. Im Gegenzug der Blick nach Deutschland, speziell in die ländlichen Regionen - wie den Main-Tauber-Kreis.

Neue Wege

"Wir hatten keinen einzigen Bewerber für unsere zwei offenen Ausbildungsstellen als Bäcker und Verkäufer im Nahrungsmittelhandwerk", schildert Hermann Erbacher die Brisanz, "wir hatten keine Chance." Der Firmenchef der Bäckerei Hermann Erbacher GmbH und Sieger des Zukunftspreises beschloss, gemeinsam mit seiner Frau neue Wege zu beschreiten. Über die Zentrale Auslands-und Fachvermittlung bauten sie Kontakte auf - und fanden so schließlich doch ihre Lehrlinge: David Toro Martinez und Maria José Frontela Serna.

Doch mit dem Vorstellungsgespräch, übrigens über Skype, und dem Unterschreiben des Ausbildungsvertrages war es hier nicht getan. Erst wurde eine Ferienwohnung organisiert, dann eine feste Wohnung, der Mietvertrag läuft über die Erbachers, denn: "Die beiden haben ein geringes Einkommen und sprechen kein Deutsch. Kein Vermieter gibt dir da eine Wohnung", betont Erbacher. Und das Ehepaar besorgte den gesamten Hausrat, "vom Rührlöffel bis zur Waschmaschine". "Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, zum Brezelrollen kam ich kaum noch", sagt der Firmenchef lachend.

Hilfe bei Alltagsproblemen

Seine Firma symbolisiert das perfekte Beispiel, wie Willkommenskultur aussehen kann. Doch "was heißt eigentlich Willkommenskultur?", diese Frage stellte Professor Dr. Seon-Su Kim, Rektor der Dualen Hochschule, Campus Bad Mergentheim am Donnerstagabend in den Raum. In diesem Fall eben nicht die professionelle Gastfreundschaft von Kräften der Tourismusbranche, die dafür bezahlt werden. Hier benötige es "eine Wertschätzung der kulturellen Vielfalt."

Der Rektor unterteilte in unterschiedliche Schritte: Zu Beginn stünde die Entscheidungsphase: "Kann man sich vorstellen, hier zu leben?" Als zweite Phase nannte er die Erstorientierung: "So, jetzt bin ich da. Wie werde ich aufgenommen?"

Professor Dr. Seon-Su Kim ging dabei auf Alltagsprobleme ein -Sprachbarrieren zum Beispiel bei Behörden, im Supermarkt oder beim Sportverein. Aber auch unterschiedliche Kulturen trügen zu Missverständnissen bei. Dabei streifte er den Fauxpas von Putin, als er der chinesischen First Lady eine Decke um die Schulter legen wollte: "Interkulturelle Kompetenzen helfen da weiter."

Bezüglich der Willkommenskultur hob er hervor: "Wir haben keinen Sprintlauf, sondern einen Marathonlauf. Den sollten wir annehmen."

Duales System als Joker

Zwei Gesprächsrunden fanden im Rahmen der Preisverleihung, die das Blech-Bläser-Quintett des Musikvereins Umpfertal musikalisch umrahmte, mit kompetenten Teilnehmern statt: Die erste mit Landrat Reinhard Frank, Boxbergs Bürgermeister Christian Kremer, Peter Vogel, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Tauberfranken und Bernhard Schwering, Geschäftsführer der VS Tauberbischofsheim; die zweite mit dem Landtagsabgeordneten Professor Dr. Wolfgang Reinhart, Dr. Andreas Schumm, Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken, Alexandra Waltritsch von der IHK Heilbronn-Franken und Ulrich Bopp, Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken.

Das Fazit beider Gesprächsrunden: Die Suche nach Arbeitskräften aus dem Ausland wird unumgänglich sein und künftig verstärkt zunehmen. Die Vorteile der Region müssten hervorgehoben werden, wie auch die deutsche Ausbildung, Professor Dr. Reinhart: "Das duale System, das ist der Joker im Standortpoker."

Zur Mitarbeitergewinnung aus dem Ausland gehörten auch Freude und kräftiges Engagement dazu. Als große Vorbilder gingen alle Bewerber des Wettbewerbs vorneweg. Dabei gab der Landrat wie der Moderator des Abends, Jochen Wobser vom Bayerischen Rundfunk, zu bedenken: "Es sind die kleinen Gesten, die auch damals die innerdeutschen Grenzen öffneten. Wie ein kleines Lächeln . . ."

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