Cannabis

Cannabis-Legalisierung führt zu vermehrten Klinik-Aufenthalten

Die einen wünschen sich verlässliche Regelungen, was nun genau erlaubt ist und was nicht, andere setzen auf Prävention und Aufklärung, Kliniken in der Regel auf Verbote: Die Sicht auf die Cannabis-Legalisierung ist durchaus unterschiedlich.

Von 
Linda Hener
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Zur Legalisierung von Cannabis, die seit 1. April unter bestimmten Voraussetzungen gilt, gibt es im Main-Tauber-Kreis unterschiedliche Meinungen. © Monika Skolimowska/dpa

Main-Tauber-Kreis. Die erste Stufe des Cannabisgesetzes (CanG) trat am 1. April in Kraft. Der private Eigenanbau durch Erwachsene sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen zum Eigenkonsum wurde legalisiert. In einer Pressemeldung schreibt die AOK Heilbronn-Franken, dass Medizinerinnen und Mediziner vor den Folgen von Cannabis-Konsum warnen und sich die Zahl der Krankenhausbehandlungen, die darauf zurückzuführen seien, in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht habe.

Im Zuge der Legalisierung rechnet die Krankenkasse mit einem weiteren Anstieg. Daten der AOK würden belegen, dass Arztbesuche aufgrund des Cannabis-Missbrauchs bei AOK-Versicherten in Baden-Württemberg von 2018 bis 2022 jährlich im Schnitt um 5,6 Prozent zugenommen hätten – im Main-Tauber-Kreis sogar um 10,37 Prozent, eine der höchsten Steigerungsraten in Baden-Württemberg.

Kurze Akutbehandlung

Sowohl im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim als auch im Krankenhaus Tauberbischofsheim sei die Zahl der Krankenhausbehandlungen, die auf Cannabis-Konsum zurückzuführen sind, gestiegen, bestätigt Ute Emig-Lange, Leiterin der Unternehmenskommunikation. „Im Schnitt behandeln wir seit der Legalisierung in der Zentralen Notaufnahme, ZNA, im Caritas-Krankenhaus pro Woche einen Patienten mit Beschwerden als Folge des Cannabis-Konsums“, erklärt ZNA-Chefarzt Jürgen Weigand. Häufig könnten Patientinnen und Patienten nach einer kurzen Akutbehandlung entlassen werden.

In der Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Krankenhaus Tauberbischofsheim werden Patientinnen und Patienten behandelt, die längerfristig unter den Folgen des Drogenkonsums leiden: „Wir verzeichnen eine Zunahme von stationären Behandlungen aufgrund von Cannabis-induzierten psychischen Störungen“, berichtet Chefarzt Dr. Mathias Jähnel. Er sieht vor allem Personen mit Suchtproblemen gefährdet. „Hier droht über den Cannabis-Konsum der Rückfall auch bei anderen Suchtmitteln“, warnt er mit Blick auf Erfahrungen mit Betroffenen.

In den Krankenhäusern der BBT-Gruppe sei das Konsumieren von Cannabis in sämtlichen Räumlichkeiten und auf dem gesamten Gelände des Krankenhauses ausdrücklich untersagt. Das betreffe sowohl Patienten, Besucher als auch Mitarbeitende. „Drogen und Alkohol stören das Heilverfahren empfindlich. Insbesondere wird die Wirkung von Medikamenten verstärkt oder abgeschwächt und macht deshalb eine gezielte Therapie unmöglich“, erläutert Dr. Jähnel. Ausnahme sei lediglich die Verwendung von medizinischem Cannabis nach ärztlicher Anordnung etwa in der Schmerztherapie.

Rouven Müller arbeitet in der Suchtberatungsstelle des Main-Tauber-Kreises. Deren Träger ist der AGJ Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg. Der Sonderpädagoge ist Ansprechpartner beim Thema CanG und sagt: „Der Paradigmenwechsel in der Cannabispolitik stellt eine große gesellschaftliche Aufgabe dar.“

Gemischte Gefühle

Die AGJ-Suchtberatungsstelle stehe der Legalisierung mit gemischten Gefühlen gegenüber. „Eine Legalisierung kann den Konsum sicherer machen, da Streckmittel wie Haarspray, Sand oder Glas dramatische gesundheitliche Folgen haben können.“ Zudem sei die Entkriminalisierung von Konsumierenden ein positiver Aspekt. Kritikpunkte betreffen den Jugendschutz, Höchstmengen im Eigenanbau und fehlende finanzielle Mittel für die zusätzlichen Aufgaben der bereits nicht auskömmlich finanzierten Suchtberatungsstellen.

Erste Schulung im Oktober

Seit Inkrafttreten des Gesetzes seien Präventionsanfragen leicht gestiegen. „Die erste Schulung für Präventionsbeauftragte von Cannabisanbauvereinigungen, CAV, findet im Oktober statt. Veränderungen in der MPU-Beratung, neue Konzepte, Informationsmaterialien und Handlungsempfehlungen zur Kooperation mit CAV sind in Arbeit“, so Müller. Dieser höhere Zeitaufwand müsse zusätzlich zur Beratungsarbeit bewältigt werden. Rouven Müller: „Die Folgen der Legalisierung werden voraussichtlich erst im nächsten Jahr spürbar, da die CAV sich erst in der Gründungsphase befinden und der private Anbau dürfte legal erst jetzt die ersten Ernteerträge bringen.“

Daniel Lenz wollte im Taubertal zusammen mit anderen Personen einen Cannabis Social Club (CSC) gründen, einen Verein über den der Anbau organisiert wird. Dieses Vorhaben habe er mittlerweile ausgesetzt, da vieles noch nicht gesetzlich geregelt sei: „Wir haben gesagt, lasst uns abwarten und schauen, welche Erfahrungswerte andere sammeln.“ Er stehe in Kontakt mit zwei CSCs in Würzburg. Ihn störe vor allem, dass nach wie vor „ein abschreckendes Bild vom ‘Kiffer’ gezeichnet“ werde.

Andere Drogen legal

„Gleichzeitig sind Alkohol und Tabak problemlos zu erwerben, man hört selten eine mahnende Stimme, wie gefährlich diese seit Jahrzehnten legalen Drogen sind.“ Er verweist auf statistische Zahlen des Gesundheitsministeriums, die aufzeigen, wie gesundheitsschädlich erhöhter Alkoholkonsum und Tabak–Rauchen sind. „In Deutschland wird akzeptiert, dass geraucht und gesoffen wird, keiner spricht hier von einem Verbot oder einer besseren Aufklärung.“

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