Frau Geywitz, wie heizen Sie zu Hause?
Klara Geywitz: Mein Mann hat eine Gasheizung, die noch nicht so furchtbar alt ist. Wir haben also keinen akuten Wechselbedarf.
Glückwunsch! Andere müssen sich fragen, woher sie mehrere Zehntausend Euro für eine Wärmepumpe nehmen sollen.
Geywitz: Nach dem neuen Gesetz kann man die Heizung weiterbetreiben, solange sie geht. Und wenn sie kaputt ist, kann man sie reparieren. Sollte sie eines Tages unreparierbar kaputt sein, hat man immer noch drei Jahre Zeit, um sich eine Alternative zu überlegen. In der Zeit kann man eine alte Gasheizung einbauen. Im Übrigen haben wir umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen für einen Heizungstausch. Der Staat übernimmt bis zu 50 Prozent der Kosten.
Garantieren Sie als Sozialdemokratin, dass es niemandem nach dem Heizungstausch schlechter gehen wird?
Geywitz: Wir werden bei der Heizungsumstellung hohe Investitionen sehen. Ich kann nicht versprechen, dass es für niemanden teurer wird. Aber der Einbau einer modernen Heizung rechnet sich mit der Zeit. Ihre Betriebskosten sind geringer. Dagegen wird der Preis für Öl und Gas weiter steigen, auch durch die CO2-Bepreisung.
Stocken Sie die Förderung noch auf?
Geywitz: Wenn man eine neue Heizung kauft und der Staat finanziert zwischen 30 und 50 Prozent, ist das schon sehr viel. Außerdem haben wir Ausnahmeregelungen – etwa für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, hochbetagt sind oder eine Immobilie von geringem Wert besitzen.
Den Zuschuss sollen auch Wohlhabende bekommen. Finden Sie das gerecht?
Geywitz: Wir wollen, dass die Bürger schnell an ihre Förderung für die Heizung kommen. Für so eine individuelle Einkommens- und Vermögensprüfung müsste eine Behörde gegründet werden. Das dauert und jede Prüfung ebenfalls. Wenn Ihre Heizung kaputtgeht, wollen Sie schnell an Ihr Geld.
Die kurzen Fristen haben die Verunsicherung noch vergrößert. Warum soll das Gesetz schon am 1. Januar in Kraft treten?
Geywitz: Niemand muss am 2. Januar, nachdem er die Reste seiner Silvesterparty weggeräumt hat, in den Heizungskeller gehen und irgendwas tun. Solange die Heizung läuft oder repariert werden kann, bleibt alles beim Alten. Und wer glaubt, wir seien zu schnell, sollte sich die Klimaziele vor Augen führen: Deutschland muss 2045 klimaneutral sein. Eine neue Heizung hält locker 20 oder 25 Jahre. Ja, es ist eine kurze Frist zur Umsetzung. Aber wir sind sehr spät dran. Es wird höchste Zeit.
Wie viele Haushalte werden im kommenden Jahr zum Heizungstausch gezwungen sein?
Geywitz: Das wird eine überschaubare Zahl sein. Es darf ja weiterhin repariert werden. Nur bei wenigen Eigentümern wird die Heizungsanlage unwiederbringlich kaputt sein. Ich hoffe natürlich, dass der Zuschuss möglichst viele Eigentümer dazu bewegt, sehr ineffiziente Öl- und Gasheizungen freiwillig auszutauschen.
Das FDP fordert Nachbesserungen per Parteitagsbeschluss. Das Gesetz wirke „wie eine Atombombe“ und bringe die Menschen um ihre Lebensleistung. Kommen Sie Ihrem Koalitionspartner entgegen?
Geywitz: Es ist völlig überraschungsfrei, dass bei diesem großen Gesetzentwurf härter diskutiert wird. Jetzt geht es in das parlamentarische Verfahren, in dem die Änderungswünsche der Ampelfraktionen beraten werden. Die FDP unterstützt prinzipiell einen Ansatz über den Handel mit CO2-Zertifikaten. Das kann ich nachvollziehen, weil es eine marktwirtschaftliche Steuerung ist. Irgendwann wird es für den Bürger billiger sein, eine Wärmepumpe zu kaufen, als eine vorhandene Gasheizung weiterzubetreiben. Allerdings ist aus SPD-Sicht zu sagen: Eine Lösung über den Emissionshandel führt dazu, dass es für alle Bürger sofort teurer wird – ohne dass ein sozialer Ausgleich greift. So kurzfristig ist die Forderung der FDP nicht umzusetzen.
Ausnahmen soll es für Menschen über 80 geben. Glauben Sie, das Bundesverfassungsgericht gibt sich mit dieser willkürlichen Altersgrenze zufrieden?
Geywitz: Jeder – ob 18, 38 oder 78 Jahre alt – hat die Möglichkeit, eine Ausnahme zu beantragen. Sie wird gewährt, wenn der Heizungstausch nicht zumutbar ist oder die Investition nicht in einem sinnvollen Verhältnis zum Wert des Gebäudes steht. Ausnahmen sind grundsätzlich also für alle nötig und möglich. Den über 80-jährigen Menschen wollten wir diesen Prozess der Neuanschaffung oder die Beantragung der Ausnahmegenehmigung ersparen.
Ist der deutsche Wirtschaftsstandort gerüstet für die Wärmewende? Der Heizungsbauer Viessmann verkauft sein Wärmepumpengeschäft gerade in die USA …
Geywitz: Ich habe lange mit Maximilian Viessmann telefoniert. Der Verkauf der Wärmepumpensparte soll sicherstellen, dass dieses Traditionsunternehmen noch viele Jahrzehnte in Deutschland existieren kann. Viessmann geht davon aus, dass Wärmepumpen so preiswert werden, dass sie sehr viel Geld investieren müssten, um eine Kapazität aufzubauen, die international konkurrenzfähig ist. Viessmann wird am jetzigen Standort also weiter Wärmepumpen für den deutschen Markt produzieren, aber sich künftig auch auf andere Bereiche konzentrieren.
Die FDP sieht den Verkauf kritisch – und gibt Ihnen und Habeck dafür die Schuld. Die „hastige und komplizierte Heizungswende“ wirke sich negativ auf die deutsche Wirtschaft aus …
Geywitz: Familienunternehmen müssen schauen, dass sie über Generationen konkurrenzfähig bleiben. Dafür habe ich Verständnis. Die Summe, die aus den USA fließt, führt zu einem starken Wertzuwachs bei Viessmann.
Haben Sie keine Sorge, dass Ihr Gesetz zur Wahlkampfhilfe für die AfD wird?
Geywitz: Die Alternative wäre, nichts zu tun und weiter Gasheizungen zu verbauen. Das würde weder dem Klimaschutzgesetz der Bundesregierung noch dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. Unangenehme Entscheidungen dürfen nicht länger nach hinten geschoben werden. Die Vorgängerregierungen haben viel Zeit vergeudet.
Halten Sie das Heizungsgesetz für alternativlos?
Geywitz: Wir sehen jeden Sommer, dass der Klimawandel real ist. Es reicht nicht mehr, als Gegenmaßnahme Windparks in der Nordsee zu bauen. Wir alle müssen uns fragen: Was esse ich? Welches Auto fahre ich? Wie heize ich? Diese Fragen betreffen das Leben aller Menschen. Niemand sollte glauben, dass das konfliktfrei abläuft. Jede Veränderung kann missbraucht werden.
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