Potsdam. Aufatmen bei Beschäftigten und Verbrauchern: Nach monatelangem Ringen im Tarifstreit für den öffentlichen Dienst einigten sich die Verhandlungspartner am späten Samstagabend auf den höchsten Abschluss seit Jahrzehnten. Für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen bedeutet das angesichts der hohen Inflation eine Entlastung. Bundesweite Streiks im öffentlichen Dienst – etwa bei Müllabfuhren, Krankenhäusern oder Stadtverwaltungen – sind damit erst einmal vom Tisch. Die wichtigsten Punkte der Einigung im Überblick:
Die Einigung im Detail: Sie sieht unter anderem steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro in mehreren Stufen vor. 1240 Euro davon sollen bereits in diesem Juni fließen, weitere 220 Euro dann jeweils in den Monaten von Juli bis Februar 2024. Ab März 2024 soll es dann als Lohnplus einen Sockelbetrag von 200 Euro brutto sowie anschließend 5,5 Prozent mehr geben. Wird dabei keine Erhöhung um 340 Euro brutto erreicht, soll der betreffende Erhöhungsbetrag auf diese Summe gesetzt werden. Bei dieser Lösung orientierten sich die Tarifparteien in großen Teilen am Kompromissvorschlag aus dem Schlichtungsverfahren. Die Laufzeit der Vereinbarung soll 24 Monate betragen.
Die betroffenen Beschäftigten: Die Steigerung der Einkommen gilt für Angehörige verschiedener Berufe – unter anderem für Frauen und Männer, die als Erzieher, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Kranken- und Altenpfleger, Verwaltungsangestellte, Klärwerksmitarbeiter, Förster oder Ärzte arbeiten. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134 000 des Bundes. Für die Arbeitnehmer der Länder wie zum Beispiel Polizisten oder Lehrer gilt unterdessen ein eigenständiger Tarifvertrag.
Beispiele für Lohnerhöhungen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnete vor, dass eine Reinigungskraft im öffentlichen Dienst künftig 360 Euro beziehungsweise 13,3 Prozent mehr Geld erhalten werde. Verdi-Chef Frank Werneke sagte: „Eine Pflegekraft bekommt im Rahmen dieses Tarifabschlusses dauerhaft wirkend eine monatliche Entgeltsteigerung von 400 Euro. Oder ein Müllwerker oder eine Müllwerkerin von 357 Euro.“ Das entspreche einem Plus von 13,4 Prozent. Kritik gab es von Gewerkschaftsseite an der Laufzeit von 24 Monaten. Mehr sei bei den Kommunen nicht durchzusetzen gewesen, sagte der Bundesvorsitzende des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach.
Wie es jetzt weitergeht: Die Gewerkschaft Verdi startet nun eine Mitgliederbefragung zum Tarifergebnis. Theoretisch könnte diese negativ ausfallen, dann müsste neu verhandelt werden. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich.
Die Kosten der Einigung: Eine besondere finanzielle Herausforderung wird die nun mühsam erreichte Einigung im öffentlichen Dienst vor allem für die klammen Kommunen und Städte. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, sprach vom „teuersten Tarifabschluss aller Zeiten“, der die Städte und Gemeinden rund 17 Milliarden Euro kosten werde. „Die kommunalen Arbeitgeber sind bis an die finanzielle Belastungsgrenze gegangen mit diesem Kompromiss“, sagte Welge nach der Einigung. Für den Bund beliefen sich die Gesamtkosten den Angaben nach auf rund 4,95 Milliarden Euro. „Wir sind den Gewerkschaften so weit entgegengekommen, wie wir es in schwieriger Haushaltslage noch verantworten konnten“, sagte Innenministerin Faeser.
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