Moskau. In der modernen Mediengesellschaft sind Bilder Nachrichten. Das XXL-Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping am Vortag des G20-Gipfels unterstreicht: Die großen geopolitischen Akteure sind Amerika und China. Der russische Präsident Wladimir Putin scheute die internationale Kritik auf offener Bühne und schickte stattdessen Außenminister Sergej Lawrow nach Bali. Der Entwurf einer G20-Abschlusserklärung, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird, zeigt: Russland hat keine internationale Unterstützung für seinen Angriffskrieg in der Ukraine. Vielmehr steht eine Front gegen Putin. Hier die zentralen Punkte:
Putins Angriffskrieg in der Ukraine wird „aufs Schärfste“ verurteilt
Russland gerät knapp neun Monate nach Beginn seines Krieges gegen die Ukraine auch in der G20-Runde führender Wirtschafts- und Schwellenländer unter Druck. Beim Gipfel auf der indonesischen Insel Bali verzichteten bisherige Unterstützer wie China und Indien darauf, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu blockieren. In dem am Dienstag praktisch fertig ausgehandelten Papier heißt es: „Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.“
Konkret wird in dem Papier aus einer Resolution der Vereinten Nationen zitiert, in der Russland aufgefordert wird, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen aus der Ukraine sofort abzuziehen. Der Krieg verursache „unermessliches menschliches Leid und verschärft die bestehenden Schwachstellen in der Weltwirtschaft“, heißt es in dem Entwurf. Mit seiner Unterschrift würde Moskau anerkennen, dass die meisten Mitglieder den Krieg aufs Schärfste verurteilen und damit seine Minderheitenposition akzeptieren. Auf Russlands Haltung wird vor allem mit einem Satz eingegangen: „Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage.“ Moskau akzeptierte demnach auch, dass der russische Angriff klar als Krieg bezeichnet wird - und nicht, wie von Putin vorgegeben, als „militärische Spezialoperation“.
Die atomaren Drohungen gelten nun als „unzulässig“
Einen Erfolg bei den Verhandlungen konnten die westlichen Industrienationen auch beim Thema Atomwaffen verbuchen. Nach Angaben von Diplomaten stimmte Russland zu, dass nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Drohung damit als unzulässig bezeichnet wird.
Das ist mit der wichtigste Teil der G20-Abschlusserklärung. Sorgen vor einem russischen Nuklearwaffeneinsatz hatte zuletzt die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten geschürt. Putin kündigte danach an, man werde sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Dies sei „kein Bluff“. Bereits zu Beginn des Krieges löste der Kremlchef im Westen große Nervosität aus, als er die „Abschreckungsstreitkräfte“ - gleichbedeutend mit den atomar ausgestatteten Einheiten - in Alarmbereitschaft versetzt hatte.
Zudem sorgte Moskau mit Behauptungen für Unruhe, dass die Ukraine plane, zur Diskreditierung Russlands eine radioaktive Bombe zu zünden. Weil es dafür keinerlei Beweise gibt, wurde befürchtet, dass eigentlich Russland einen solchen Schritt in Erwägung ziehen könnte. Nach diesem Szenario sollte danach die Ukraine für die Tat verantwortlich gemacht werden - eine klassische „False Flag“-Operation.
China steht nicht mehr „felsenfest“ an der Seite Moskaus
Russlands Zustimmung zu dem Textentwurf gilt als mögliches Zeichen dafür, dass Moskau beim Thema Ukraine in der G20-Gruppe nicht mehr auf die volle Rückendeckung des mächtigen Partners China zählen kann. Noch am Freitag hatten Diplomaten berichtet, dass Peking in den Vorgesprächen zum Gipfel „felsenfest“ an der Seite Moskaus stehe und eine Einigung auf eine gemeinsame Erklärung damit erschwere.
Wenn dies stimmt, scheint die Unterstützung durch China in diesem Punkt nachzulassen. Eine Erklärung hierfür: Die Wirtschaft der Volksrepublik ist stark von Exporten und Importen abhängig. Ein Krieg, der infolge von Energiekrisen, Inflation und Nahrungsmittelknappheit die Weltwirtschaft nach unten zieht, schadet den Unternehmen in Fernost. Dies ändert aber nichts an den „felsenfesten“ Beziehungen zwischen Peking und Moskau. Beide Länder begreifen sich als „strategische Partner“ gegen den Westen. Peking besteht zudem auf der Option, in der „abtrünnigen Provinz“ Taiwan einzumarschieren - nach dem Modell von Russlands Invasion in der Ukraine.
Scholz spricht „zwei Sätze“ mit Lawrow
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Rande des G20-Gipfels kurz mit dem russischen Außenminister Lawrow. „Er stand in meiner Nähe und hat auch zwei Sätze gesagt. Das war das Gespräch“, sagte Scholz. Er wolle nicht, dass da ein falscher Eindruck von der Länge des Austauschs entstehe, betonte der Kanzler. Es war sein erstes physisches Treffen mit einem russischen Regierungsvertreter seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Scholz hat seitdem aber mehrfach mit Putin telefoniert. Das werde er auch weiterhin tun. „Ich halte es für richtig, dass es ein ständiges Gespräch gibt, in dem wir auch genau die Fragen diskutieren, die wir unterschiedlich sehen“, so Scholz.
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