Justiz

Es wird eng für Donald Trump

Der Sonderausschuss empfiehlt, dass der frühere US-Präsident vor Gericht gehört. Jetzt kommt es auf Justizminister Garland an

Von 
Peter Dethier
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Der Untersuchungsausschuss des Kongresses hat wegen des Sturms auf das Kapitol eine Anklage von Ex-Präsident Trump empfohlen. © Andrew Harnik/AP/dpa

Washington. Kommt zum ersten Mal in der US-Geschichte ein ehemaliger US-Präsident hinter Gitter? Der Sonderausschuss zum Aufstand im US-Kapitol kommt in seiner Empfehlung zu dem Schluss: Trumps Verhalten im Januar 2021 sollte strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Die Entscheidung darüber, ob er angeklagt wird, liegt aber allein bei Justizminister Merrick Garland. Und der lässt sich nicht in die Karten schauen. Sicher ist nur, dass sich die Empfehlung als politische Zeitbombe erweisen könnte.

Nachdem die Mitglieder des Kongressausschusses mehr als 1000 Interviews geführt und noch mehr E-Mails, SMS, Gerichtsdokumente sowie Überwachungsvideos ausgewertet hatten, trat das „January 6th Committee“ am Montag ein letztes Mal zusammen. Im Mittelpunkt stand der mit großer Spannung erwartete Abschlussbericht, der am Mittwoch in voller Länge veröffentlicht wird.

Das Wichtigste aber ist schon bekannt: Wegen vier verschiedener Delikte, die ihm zur Last gelegt werden, empfiehlt der Ausschuss dem zuständigen Justizministerium, zum ersten Mal in der US-Geschichte einen früheren Präsidenten vor Gericht zu stellen. Wegen „Aufruhr“, genauer gesagt der Anzettelung eines Aufstands, wegen der Behinderung eines Kongressverfahrens und wegen Verschwörungen, um den Staat zu betrügen und vorsätzliche Falschaussagen zu machen.

Die letzte Anhörung gewährte nicht nur Einblicke in die unverfrorene Dreistigkeit, mit der Trump versucht hat, um jeden Preis den Ausgang der Präsidentschaftswahl zu kippen und weitere vier Jahre im Amt zu bleiben. Sie gab zugleich Aufschluss über seine Motivation. „Kein Mensch wird sich für mein Vermächtnis (als Präsident) interessieren, wenn ich verliere“, hatte er seiner früheren Kommunikationschefin Hope Hicks gesagt. Damit sah sich wiederum die Psychologin Mary Trump, die Nichte des 45. Präsidenten, in ihrer Diagnose bestätigt, dass er nämlich „ein narzisstischer Soziopath“ sei.

Zeugen kontaktiert

Wie Hicks in ihrer Vernehmung sagte, hätten sowohl sie als auch einige von Trumps Anwälten schon in den Tagen vor dem Aufstand Unheil gewittert und einen eindringlichen Appell an die Adresse des Präsidenten gerichtet: Ehe es zu spät ist, solle Trump seine Anhänger, von denen er wusste, dass sie den Marsch vom Weißen Haus zum Kapitol antreten würden, unbedingt zum Verzicht auf Gewalt auffordern. Ein Aufruf, den Trump nicht nur am 4. und 5. Januar eiskalt ignorierte. Auch am Tag des gescheiterten Putschversuchs, als bewaffnete Randalierer im Parlamentsgebäude Fenster eingeschlagen und Türen eingetreten hatten, als sie mit dem Schlachtruf „Erhängt Mike Pence!“ in den Gängen des Kapitols tobten und sowohl den Vizepräsidenten als auch Oppositionschefin Nancy Pelosi aufspüren wollten, hüllte sich der Präsident mehr als drei Stunden lang in Schweigen.

Der Ausschuss zeichnete jedenfalls ein vernichtendes Bild des ehemaligen Präsidenten. Schon in den Tagen und Wochen vor dem Aufstand seien hinter den Kulissen die Weichen für den Aufstand gestellt worden. Trump habe jeden, der ihm nicht helfen wollte, Bidens Wahlsieg zu kippen, einzuschüchtern versucht. Er soll sogar Zeugen vor ihrem jeweiligen Kongressauftritt kontaktiert haben, um ihnen belastende Aussagen auszureden.

Zu jenen, die er kontaktierte, zählten leitende Beamte des Justizministeriums, Wahlfunktionäre in den wichtigen „Swing States“ und selbst Kongressmitglieder, die er für sein Komplott gewinnen wollte, eine klare Wahlniederlage auf den Kopf zu stellen. Nicht nur, um an der Macht zu bleiben und somit sein „Vermächtnis“ zu retten, sondern auch, um Anhängern um 250 Millionen Dollar an Spenden zu prellen, so die Vorwürfe. Die Vorbereitungen gipfelten dann in Trumps Rede vor dem Weißen Haus, in der er unmittelbar vor dem gescheiterten Coup die Worte sprach: „Wenn Ihr nicht kämpft wie die Hölle, dann werdet ihr kein Land mehr haben!“

Wie geht es weiter? Wird „The Donald“ wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen können? Werden die Empfehlungen des Ermittlungsausschusses von Trump wie Wassertropfen von einer Teflonpfanne abperlen? Oder wird ihm der Prozess gemacht? Und ist im äußersten Fall sogar eine Gefängnisstrafe denkbar?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Andrew McCabe, früher stellvertretender Direktor des Bundeskriminalamts FBI, zweifelt: „Das Justizministerium wird einen solchen Schritt nur wagen, wenn dort die Staatsanwälte fest davon überzeugt sind, dass der Prozess zu einer Verurteilung führen kann.“ Anders sieht es der Enthüllungsjournalist Carl Bernstein, der vor 50 Jahren half, den Watergate-Skandal aufzudecken. „Es gibt einen Mann, der Trump zu Fall bringen kann – und das ist Pat Cipollone“, so Bernstein. Cipollone, der im Weißen Haus der Rechtsberater des Präsidenten war, „saß in den kritischsten Stunden jede Minute dabei, hat alles gesehen und gehört und kooperiert offenbar schon mit dem Justizministerium“, so der Autor. Das wiederum könnte Garland Mut machen, Trump anzuklagen. Andere weisen darauf hin, dass der Minister auch die politische Realität mit ins Kalkül ziehen müsse. Viele Experten fürchten nämlich, dass es Trump gelingen könnte, sich bei seinen Anhängern als Märtyrer zu verkaufen – wovon seine erneute Kandidatur profitieren könnte.

Trump versuchte, die Abläufe zu ignorieren, und postete auf seiner sozialen Medienplattform Truth Social eine Tirade gegen Bidens Einwanderungspolitik. Klar ist aber: Den Kampf um sein Vermächtnis hat er verloren. Oder wie Bernstein es ausdrückt: „Er hat ein Vermächtnis als Präsident, nur nicht das, was er haben wollte. Er muss nämlich nun mit dem Vermächtnis leben, ein Verlierer zu sein.“

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