Berlin. Es ist das Vorzeigeprojekt der bisherigen Arbeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) – und deshalb besonders umstritten. Am Freitag beschloss das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf der Regierung für 2023. Erstmals nach drei Jahren soll darin die Schuldenbremse wieder gelten. So dürfte für viele erwünschte Vorhaben kein Geld mehr da sein.
Während der Etat dieses Jahres noch auf Vorgaben der alten Regierung beruhte, gestaltet Lindner den Bundeshaushalt für 2023 selbst. Gemäß seinem Versprechen, die Schuldenbremse im Grundgesetz nach Corona und trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine einzuhalten, soll die Neuverschuldung im Vergleich zu 2022 drastisch um 122 Milliarden Euro abnehmen. Die Ausgaben sinken um rund 50 Milliarden Euro auf insgesamt 445 Milliarden.
„Wir haben heute die finanzpolitische Zeitenwende begonnen“, sagte der Finanzminister. Kritik kommt von mehreren Seiten. „Der Haushalt ist ein reiner Schönwetterhaushalt und wird beim ersten Windstoß in sich zusammenfallen“, erklärte Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Opposition im Bundestag.
Aber auch in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP selbst stößt der Finanzminister auf gewissen Widerspruch. Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler monierte: „In Krisenzeiten ist Sparpolitik das falsche Instrument“. Der Ukraine-Krieg werde „schwerwiegende finanzielle Folgen haben“. SPD-Chefin Saskia Esken erklärte: „Über die Schuldenbremse oder andere Wege der Finanzierung werden wir in der Koalition sprechen müssen.“
Bereits im Hinblick auf 2022 läuft die Debatte, ob zusätzliche Entlastungen der Bevölkerung angesichts der Inflation und Mehrausgaben wegen eines möglichen russischen Gasboykotts nötig sind. Lindner sagte dazu: „Neue Haushaltsmittel stehen in diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung.“ Man solle die bisher beschlossenen Entlastungen erstmal wirken lassen. „Eine vierköpfige Familie, in der beide Elternteile arbeiten, wird mit EEG-Umlage, Kinderbonus und Arbeitnehmerzuschuss allein mit über 1000 Euro entlastet“, so der Finanzminister.
DGB kritisiert „Spardiktat“
Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Gewerkschaftsbundes DGB sprach dagegen von einem „Spardiktat“. Bei den Grünen wird ein weiterer Nachtragshaushalt für 2022 nicht ausgeschlossen, sollte sich die Lage weiter zuspitzen. Ähnliche Fragen stellen sich für 2023, nur dass sie wegen der Schuldenbremse dann schwerer zu beantworten sein werden. Sie wage „keine Vorhersage, ob wir die Schuldenbremse nächstes Jahr einhalten können“, sagte etwa Familienministerin Lisa Paus (Grüne).
Einen gewissen Spielraum hat der Finanzminister jedoch in den Haushaltsentwurf eingebaut. Es gibt ein Polster von etwa 14 Milliarden Euro, davon rund neun Milliarden als „globale Mindereinnahme“. In diesem Posten sind geringere Steuereinnahmen einkalkuliert, die unterschiedliche Ursachen haben können. „Es wird 2023 ein weiteres Entlastungspaket geben“, sagte Lindner. „Die Regelsätze der Grundsicherung werden in jedem Fall nach oben angepasst.“
Außerdem erhielten „alle Steuerzahler eine Entlastung bei der kalten Progression“. Ob diese Bereinigung der inflationsbedingten Steuererhöhung allerdings wirklich kommt, ist noch nicht ausgemacht. Einige Politiker von SPD und Grünen lehnen sie ab, da Privathaushalte mit hohen Einkommen am stärksten profitierten.
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