Mannheim. Während Ärzte, Apotheker und andere Berufe aus dem Gesundheitswesen als „systemrelevant“ gelten, kämpft eine weitere wichtige Berufsgruppe in einigen Bundesländern immer noch um diesen Status – Bestattungsunternehmen. Die Corona-Krise erschwert ihnen ihre alltägliche Arbeit. Ihrer Rolle als Trauerbegleiter für Hinterbliebene können sie nicht nachgehen, wie sie es gerne möchten.
„Über unser Handwerk wird ungern gesprochen, weil wir in der traurigen Situation des Lebensweges unterwegs sind“, sagt Christian Jäger, Geschäftsführer des Bestatterverbands Rheinland-Pfalz. „Aber jemand muss sich darum kümmern, dass die Verstorbenen pietätvoll, hygienisch einwandfrei und ohne Gefährdung aller Beteiligten beigesetzt werden.“ Dazu benötigten Bestatter Schürzen, Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel – auch, wenn sie keinen Corona-Infizierten beisetzen. „Hier ist das Bestatterhandwerk nicht als systemrelevant anerkannt. Deshalb haben wir derzeit auch keinen Zugang zu diesen Materialien“, sagt der Rheinland-Pfälzer. In vielen Betrieben herrsche Knappheit. „Der freie Markt ist leergefegt. Die Lage ist für unsere Mitglieder unsicher und bedrohlich.“ Gleiches gelte auch für Mitglieder des Landesbestatterverbands Hessen, sagt Vorstandsmitglied Dominik Kracheletz.
Obwohl das Gewerbe in Baden-Württemberg als „kritische Infrastruktur“ und damit systemrelevant gelte, „gestaltet sich die Materialbeschaffung derzeit als schwierig“, sagt der baden-württembergische Landesinnungsmeister Frank Friedrichson. „Wir haben zwar über die Landratsämter die Möglichkeit, Material anzufordern. Da wir am Ende der Kette stehen, werden wir aber auch zuletzt berücksichtigt.“ Derzeit helfen sich die Betriebe gegenseitig aus und die Innung Bestattungsgewerbe steht auch für Nicht-Mitglieder als Ansprechpartner bereit.
„Besonders schwer haben es aber die Angehörigen“, sagt Friedrichson. Die Branche muss seit dem Virus umdenken, denn Trauerzeremonien sind heute nicht mehr so umsetzbar, wie es für die Angehörigen am besten wäre. Zwar ist eine Aufbahrung nicht untersagt, doch können Hinterbliebene nur noch auf Abstand oder nur einzeln Abschied nehmen, statt gemeinsam zu trauern.
Beerdigung mit Abstand
Es gilt als sicherer, dies alleine oder im kleinsten Kreise zu tun. In einigen Kommunen bleibt jedoch selbst der letzte Blick in das geliebte Gesicht aus.
„In Mannheim ist es so, dass der Sarg oder die Urne etwa eine Stunde, bevor die Trauergesellschaft eintrifft, beigesetzt wird“, sagt Axel Hahn, Trauerbegleiter und Betriebsleiter des Bestattungsinstituts Bühn in Mannheim. Damit soll das Infektionsrisiko gering gehalten werden, auch für die Friedhofsmitarbeiter. „Aus Infektionsschutzgründen ist das nachvollziehbar, doch nimmt man den Trauernden damit den elementaren Akt des Abschiednehmens. Denn dazu ist die Beerdigungszeremonie da.“
Er glaubt, dass es auch für Mannheim Alternativen gäbe, bei denen die Angehörigen bei der Beisetzung anwesend sind und den Mindestabstand einhalten können. „Wir haben bis zu 70 Prozent Feuerbestattungen. Wenn wir diese humaner gestalten könnten, wäre das schon eine Menge.“ Viele verschieben die Urnenbestattung auch um vier bis zehn Wochen, in der Hoffnung, dass sich der Alltag bis dahin wieder normalisiert. Verstirbt ein Corona-Infizierter, wird er in eine Bergungshülle verbracht und die Abschiednahme entfällt. „Der Verstorbene wird dann möglichst direkt bei der Überführung in den Sarg gelegt. Dabei tragen wir volle Schutzausrüstung“, sagt Bestatter Bühn.
Trauerfeiern finden nun grundsätzlich nicht mehr in der Kirche, in Trauerhallen oder auf dem Aussegnungsplatz statt, sondern draußen direkt am Grab. „Für viele ist das aber wichtig“, meint Friedrichson. „Wenn der Pfarrer in der Halle neben dem Sarg steht und trostspendende Worte spricht, ist es etwas ganz anderes als am Grab. Die Zeremonie verliert das Feierliche.“
So normal wie möglich
„Die Angehörigen müssen derzeit viel durchmachen“, findet Hahn. „Wir möchten alles ermöglichen, damit sie möglichst gut Abschied nehmen können.“ Deshalb werde auch draußen Musik gespielt, das Grab mit Blumen geschmückt und ein Bild des Verstorbenen aufgestellt.
- Erd- und Urnenbestattungen sowie Totengebete dürfen nur unter freiem Himmel durchgeführt werden.
- Die Teilnehmerzahl ist dabei begrenzt: Es dürfen fünf Personen anwesend sein sowie weitere teilnehmende Personen, die in gerader Linie verwandt sind (Eltern, Kinder, Großeltern) oder in häuslicher Gemeinschaft miteinander leben. Außerdem sind deren Ehepartner und Lebenspartner gestattet.
- Freunde, Nachbarn und Bekannte sind ausgeschlossen. jeb
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