Weingarten. Spaniens König Juan Carlos hat eins, CDU-Chef Friedrich Merz ebenfalls, Astronaut Alexander Gerst sowieso. Sie alle könnte Ernst Steinhauser direkt aus seiner Dachgeschosswohnung im oberschwäbischen Weingarten kontaktieren – wenn er denn wollte und seine prominenten Gesprächspartner mit Rufzeichen ihre Geräte einschalten würden. Stattdessen spricht der 59-Jährige über seine selbstgebaute Antenne auf dem Dach sonntagvormittags aber lieber mit Mitstreitern aus dem Ravensburger Ortsverband der Funkamateure. „Da meldet sich eigentlich immer einer.“
Steinhauser ist einer von rund 2600 Hobbyfunkern aus Baden-Württemberg, die im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC) organisiert sind. Im Alter von 15 Jahren habe ihn die Leidenschaft gepackt, sagt der Netzwerktechniker. „Als der erste Funkspruch durchkam, war ich total nervös.“ Angefangen habe er damals mit einem Handfunkgerät, dann habe er an einer Elektronikschule seine Lizenz erworben und später den Digitalfunk für sich entdeckt.
Inzwischen hat er mit Zustimmung seiner Frau eine eigene „Funkbude“ in seiner Wohnung eingerichtet – mit einer ganzen Reihe an Geräten. „Der Trend geht zum Zehntgerät“, sagt Steinhauser und lacht. „Mit den Jahren hat man dann vieles oft auch mehrfach.“ Basteln, sammeln, verstehen und dann sehen, wie etwas funktioniert – das sei das, was das Funken als Hobby ausmache, sagt er. „Wir haben einen im Ortsverband, der sendet Funkwellen zum Mond, die dort reflektiert werden und irgendwo auf der Erde wieder ankommen. Dann kommt der zum Beispiel in Brasilien raus – und dann freut der sich.“
Mit Ausrüstung auf Berggipfel
Erde-Mond-Erde-Verbindungen nennen Funker das. Sie sind aber nur ein kleiner Teil dessen, womit man sich als Funkamateur beschäftigen kann. Von Wettbewerben im Schnell-Morsen übers Anfunken aller europäischen Länder bis zum Aufbau von „Hamnet“, einer eigenen Version des Internets, sind die Technik-Begeisterten aktiv. Wer gern draußen unterwegs ist, wandert mit Funkausrüstung auf Berggipfel, von denen noch nie gesendet wurde, und „aktiviert“ sie für andere Funker. Wer dort erfolgreich funkt, kann dann eine QSL-Karte erhalten – eine Art Sammelkarte mit der Bestätigung einer erfolgreichen Verbindung.
Doch obwohl Fähigkeiten im Bereich der Elektrotechnik und der Informationstechnologie heute wohl so gefragt sind wie nie, kämpfen die Funkamateure mit Nachwuchssorgen. „Wir sehen das ja auch in anderen Verbänden und Vereinen“, sagt Steinhauser, selbst eins von vier Vorstandsmitgliedern im DARC. „Wir dürfen das nicht schönreden.“ In den kommenden Jahren rechne der Verband damit, dass die Zahl von derzeit rund 33 000 Mitgliedern bundesweit sinken werde. „Mit Morsen erreicht man heute natürlich fast keine Jugendlichen mehr.“
Andere Felder funktionieren da besser als Mitgliederwerbung – zum Beispiel der Kontakt zur internationalen Raumstation ISS. Vor gut vier Jahren stellten die Ravensburger Funkamateure für Schüler in Weingarten die Verbindung aus der Schulturnhalle zum deutschen Astronauten Alexander Gerst im All her. Wenig später trat einer der Schüler in den Ortsverband ein.
Sichtbar helfen will etwas weiter südlich am Bodensee ein Verein mit seiner Funktechnik im Katastrophenfall. Dafür wurde ein Pick-up-Truck für rund 10 000 Euro zu einer mobilen Funkzentrale umgebaut, die unter anderem via Funk und Satellitenverbindung nach außen kommunizieren, einen Internet-Hotspot für die Bevölkerung bieten und bis zu eine Woche ohne zusätzlichen Strom oder Treibstoff auskommen kann. Beteiligt sind Hobbyfunker in Friedrichshafen, Lindau, Ravensburg und Markdorf. Der DARC sieht darin ein Leuchtturmprojekt.
Rufzeichen von der Netzagentur
Ob man beim Aufbau solch ausgefeilter Technik überhaupt von Funkamateuren sprechen kann? Klar, sagt Ernst Steinhauser. „Von uns macht das ja niemand beruflich.“ Mit dem Begriff „Amateurfunker“ tue er sich dagegen schwer. Das Wort vermittle den Eindruck, die Hobbyfunker wüssten nicht allzu viel über ihre Tätigkeit. „Aber wer die Funklizenz gemacht hat, der hat echtes Know-how“, sagt Steinhauser. „Da muss man wirklich lernen.“
Nur dann bekommt man von der Bundesnetzagentur ein Rufzeichen zugewiesen – so wie bisher rund 70 000 andere deutsche Funker auch. Diese Buchstaben-Zahlen-Kombination könne man zwar auch ändern lassen, sagt Steinhauser. „Aber in der Regel hat man das ein Leben lang.“
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