Polizei

Wie oft schießt die Polizei?

Bundesweit steigt die Zahl der tödlichen Schüsse aus Dienstwaffen. In Baden-Württemberg weist die Statistik jedoch in eine andere Richtung

Von 
Christine Bilger
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Die Dienstwaffe der Polizei soll möglichst im Holster bleiben. © Imago/Marius Bulling

Stuttgart. Polizistinnen und Polizisten sind froh, wenn sie am Ende ihrer Dienstzeit ihre Waffe zurückgeben, ohne sie auch nur einmal benutzt haben zu müssen. Doch immer wieder kommt es zu Situationen, in denen Einsatzkräfte keine andere Lösung mehr sehen, als ihre Waffe zu benutzen. Erschreckenderweise hat die Zahl dieser Einsätze deutschlandweit zuletzt zugenommen, wie die Deutsche Presse-Agentur bei der Auswertung von Polizeiberichten erhoben hat. Im Jahr 2024 haben demnach Polizeibeamte im Dienst bislang deutlich mehr tödliche Schüsse abgegeben als in den Jahren zuvor.

Immer wieder stoppt die Polizei Messerangriffe mit Schüssen

Seit Januar starben bundesweit 17 Menschen bei Schusswaffengebrauch durch die Polizei. Unter ihnen war der 18-jährige Österreicher, der am 5. September auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München geschossen hatte, bevor er von der Polizei getötet wurde.

In der Mehrheit der anderen Fälle fielen die tödlichen Schüsse in Situationen, in denen die Beamten auf Männer oder Frauen trafen, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder wegen psychischer Erkrankungen bereits in Behandlung waren. Mehrere der Menschen, die bei einem Polizeieinsatz erschossen wurden, führten Messer bei sich.

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Veröffentlicht
Von
Anne-Béatrice Clasmann
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Laut einer Statistik der Fachzeitschrift „Bürgerrechte & Polizei“ gab es zuletzt 1999 eine so hohe Zahl von Menschen, die von der Polizei getötet wurden. Damals starben im gesamten Jahr 19 Menschen. Im Jahr 2023 gab es demzufolge zehn Tote, nach elf Toten im Jahr 2022 und acht Toten im Jahr 2021.

Wie ist die Statistik für Baden-Württemberg?

In Baden-Württemberg bestätigt sich dieser Trend nicht, wie eine Anfrage unserer Zeitung an das Innenministerium des Landes ergab. Zahlen für das noch laufende Jahr 2024 gibt das Ministerium zwar nicht heraus. Doch „die Gesamtzahl der Schusswaffengebräuche gegen Personen befindet sich seit vielen Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau“, teilt Pressesprecher Patrick Knapp mit. 2023 waren es sieben Einsätze, dabei starben zwei Menschen. Ebenfalls sieben Schüsse aus Polizeiwaffen wurden 2022 auf Menschen gerichtet, aber niemand starb. Bei acht Schüssen im Jahr 2021 kam eine Person ums Leben. Einen Ausreißer nach oben in der Statistik stellt das Jahr 2020 dar, als es zu 13 Einsätzen mit Schusswaffengebrauch im Land kam. Es starben acht Personen. 2019 waren es neun Einsätze mit zwei Toten.

„Der Einsatz der dienstlichen Schusswaffe erfolgt als Ultima Ratio unter Beachtung der hohen gesetzlichen Vorgaben“, fügt Ministeriumssprecher Patrick Knapp hinzu. Es muss sicher sein, dass alle anderen Einsatzmittel nicht ausreichen würden, um eine gefährliche Situation zu beenden.

Ein Beispiel, das der Polizei in Baden-Württemberg noch schmerzlich präsent ist, ist der Einsatz in Mannheim, bei dem ein junger Polizist ums Leben kann. Ein Mann hatte den Polizeibeamten mit einem Messer angegriffen und so schwer verletzt, dass er wenig später im Krankenhaus starb. Ende Mai hatte der Täter am Rande einer Kundgebung den Beamten angegriffen. Ein anderer Polizist schoss daraufhin auf den Messerstecher. Dieser wurde dabei zwar schwer verletzt, die Ärzte konnten sein Leben jedoch retten. Er ist nun in Untersuchungshaft, bis der Strafprozess wegen des Angriffs beginnt.

Erst vor wenigen Tagen lief eine Situation bei einer Kontrolle in Heubach (Ostalbkreis) aus dem Ruder. Ein Betrunkener sollte kontrolliert werden, weil zwei Frauen ihn angezeigt hatten, er habe sie verfolgt. Auf einem Supermarktparkplatz fuhr er einen Polizisten an, den er auf die Motorhaube nahm. Die Beamten entschieden sich, den 23-Jährigen mit der Schusswaffe zu stoppen – und zielten auf die Autoreifen.

In Oberkirch im Ortenaukreis starb im August ein Mann, der in einem psychischen Ausnahmezustand gewesen sein soll, durch Kugeln aus einer Polizeipistole. Er war mit einem Messer auf die Einsatzkräfte losgegangen. Im April starb ein 31-jähriger Mann in Mannheim beim Polizeieinsatz durch einen Schuss. Die Polizei war gerufen worden, weil der mit einer Machete bewaffnete Mann in der Bibliothek der Universität Mannheim randaliert hatte.

In Stuttgart wurde im Jahr 2019 ein Mann erschossen, als ihn die Polizei nach einer Unfallfahrt in Stuttgart-Vaihingen stellte. Er war auf die Beamten mit einem Schwert losgegangen. Davor war im November des Jahres 2013 im Stuttgarter Osten ein Mann gestorben, der die Polizei durch einen Anruf auf sich selbst aufmerksam gemacht hatte. Er sagte, er werde losziehen und jemanden erschießen. Als die Polizei ihn stellen wollte, ging er mit einer Waffe in der Hand auf sie zu – ein Beamter schoss und traf, da der Mann sich bewegte, statt in das Bein des Mannes in dessen Bauch.

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