OB-Stichwahl

Wer zieht die Frankfurter Grünen-Wähler auf seine Seite?

Am Sonntag tritt CDU-Mann Uwe Becker gegen den Sozialdemokraten Mike Josef an

Von 
Gerhard Kneier
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Uwe Becker (l.) und Mike Josef geben sich nach der ersten Runde der Frankfurter OB-Wahl Anfang März die Hand. © Boris Roessler/dpa

Frankfurt. Viereinhalb Monate nach der Abwahl des umstrittenen Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann wird am Sonntag in der Stichwahl sein Nachfolger bestimmt. Dass es ein Mann sein wird, steht schon fest, die einzig aussichtsreiche Kandidatin der Grünen schied bereits im ersten Wahlgang am 5. März aus. Ob aber der hessische Europa-Staatssekretär und Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker von der CDU oder der einst als Kind einer syrischen Flüchtlingsfamilie nach Deutschland gekommene Mike Josef von der SPD künftig an der Stadtspitze steht, gilt als völlig offen. Der Wahlabend könnte spannend werden.

Der 53-jährige CDU-Mann Becker, der dem Frankfurter Magistrat bis zu seiner Abwahl 2021 lange als Stadtrat, Kämmerer oder Bürgermeister angehörte, lag unter den 20 Kandidaten des ersten Wahlgangs mit 34,5 Prozent überraschend klar vorne. Der 40 Jahre alte Sozialdemokrat Josef, amtierender Planungs- und Sportdezernent der Stadt, folgte mit 24,0 Prozent an zweiter Stelle. Obwohl die Grünen im Frankfurter Stadtparlament die stärkste Partei sind, hatte ihre Kandidatin Manuela Rottmann mit 21,3 Prozent das Nachsehen und steht jetzt nicht mehr auf dem Stimmzettel.

Von beiden verbliebenen Kandidaten heftig umworben werden aber die Wählerinnen und Wähler der Grünen, die am Sonntag den Ausschlag geben könnten. Becker hat inzwischen offiziell seine indirekte Drohung zurückgenommen, er könnte den Grünen als Oberbürgermeister die Zuständigkeit für das Verkehrsdezernat im Magistrat entziehen, wozu er laut hessischer Gemeindeordnung das Recht hätte. Dass die Rathauskoalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt dem Autoverkehr in Frankfurt zu viele Steine in den Weg lege, hatte er zuvor mehrfach beklagt.

Augenmerk auf Mobilität

In der zweiten Wahlkampfrunde hebt Becker jetzt stärker sein Eintreten für Klimaschutz und erneuerbare Energie hervor, macht auch nicht mehr so stark Front gegen die grün-geführte Koalition, sondern zeigt sich kooperationsbereit. Auch Josef setzt stark auf die Grünen-Wähler und plakatiert „sozial, ökologisch, vielfältig“ als Slogan. Als spannend galt zwei Wochen lang die Frage, ob die Grünen zur Stichwahl eine Empfehlung für einen der beiden Kandidaten abgeben würden.

Am Montag lösten sie das Problem salomonisch: Der Parteivorstand gab selbst keine personelle Wahlempfehlung ab, betonte aber: „Wir wollen Frankfurt bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts klimaneutral machen, das geht nur mit einem Stadtoberhaupt, das uns hilft umzusteuern. Frankfurt als vor allem autofreundliche Stadt – das ist ein Konzept des letzten Jahrhunderts.“ Besonderes Augenmerk legen die Grünen demnach auf das Mobilitätsdezernat, wie sie das Verkehrsressort nennen, und äußern „die große Sorge, dass ein zukünftiger Oberbürgermeister, der nicht der Koalition angehört, hier die geplanten Projekte blockieren könnte“.

Wem das immer noch nicht deutlich genug ist, der liest in einer Erklärung der Grünen-Stadtverordnetenfraktion unumwunden die Empfehlung für die Wahl von Josef, der den Koalitionsvertrag mitunterschrieben und „mit uns Grünen, FDP und Volt schon bisher sehr gutzusammengearbeitet“ habe. Auch Volt und Linke hatten Josef ihre Unterstützung zugesagt, noch mehr freute sich der SPD-Kandidat über die Empfehlung des „Bahnbabos“, eines besonders bei jungen Wählern populären Straßenbahnfahrers, der als Einzelbewerber in der ersten Wahlrunde mit 5,1 Prozent Vierter wurde.

Sehr viel weniger willkommen ist Josef zweifellos, dass ausgerechnet vor der Stichwahl wieder einmal die Affäre um die Arbeiterwohlfahrt (Awo) seiner Partei zu schaffen macht, die Ex-OB Feldmann kurz vor Weihnachten die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Vorteilsnahme eingebracht hat. Dessen ehemaliger Büroleiter wurde jetzt angeklagt, weil er seiner Schwester zu einem Job bei der Awo verholfen haben und der Organisation im Gegenzug Wohlwollen signalisiert haben soll. Als Leiter des städtischen Hauptamts wurde er inzwischen abgelöst, auch als Vorsitzender eines SPD-Ortsvereins trat er zurück.

Kein zweiter Feldmann

Die CDU brachte aber einen umfangreichen Fragenkatalog dazu im Stadtparlament ein und sieht ein willkommenes Wahlkampfgeschenk. Josef betont, mit ihm gebe es keine Korruption, und erinnert daran, dass er sich als Frankfurter SPD-Chef für die Abwahl Feldmanns eingesetzt hat. CDU-Kandidat Becker präsentiert sich derweil als Mann des Neuanfangs und verspricht, der Stadt die Würde wiederzugeben. Wer auch immer von beiden Kandidaten gewählt wird: Er wird wohl kein zweiter Feldmann sein und ständig eitel die Amtskette tragen.

Korrespondent

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