Kurioses

Wenn die Regierung von Baden-Württemberg beschenkt wird: In der "Schatzkammer" des Landes

Für Kinder ist an Weihnachten Bescherung, für den Ministerpräsidenten das ganze Jahr: Auf Auslandsreisen und bei Besuchen im Land bekommt Winfried Kretschmann Dutzende Geschenke im Jahr. Was passiert damit?

Von 
David Nau
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Geschenke an die Landesregierung Baden-Württemberg werden in einem speziellen Raum in der Villa Reitzenstein gelagert © Bernd Weißbrod/dpa

Stuttgart. Was haben ein Ritterhelm, eine hölzerne Bärenstatue aus dem russischen Ural und die Boxhandschuhe von Regina Halmich gemeinsam? Sie alle sind Geschenke, die Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in den vergangenen Jahren überreicht bekam.

Und sie alle lagern in der «Schatzkammer» der Landesregierung, die eigentlich so gar nicht nach einer Schatzkammer aussieht. In dem kleinen fensterlosen Raum, der von der hochherrschaftlichen Bibliothek in der Villa Reitzenstein abgeht, flimmern Röhrenlichter an der Decke, die Wände sind vollgestellt mit schlichten Metallregalen, auf denen hunderte Präsente aus mehreren Jahrzehnten lagern: Bücher, Gemälde, Pokale, Plaketten und vieles mehr.

Boxhandschuhe von Regina Halmich

Während sich die meisten Menschen vor allem an Weihnachten und am Geburtstag über Geschenke freuen können, wird der Ministerpräsident das ganze Jahr über beschenkt. Bei Auslandsreisen tauschen Besucher und Gastgeber traditionell Geschenke aus, bei vielen Terminen im Land werden Kretschmann kleine Aufmerksamkeiten oder Erinnerungen überreicht.

Berühmte Boxandschuhe: Das Geschenk von Boxerin Regina Halmich an die baden-württembergische Landesregierung. © Bernd Weißbrod/dpa

Die Boxhandschuhe brachte Regina Halmich etwa 2013 mit nach Stuttgart, als die mehrfache Weltmeisterin den Verdienstorden des Landes verliehen bekam. Seither baumeln die roten Handschuhe in der Schatzkammer im Staatsministerium am Regal - inklusive Signatur und «schlagkräftigen Grüßen aus Karlsruhe».

Tombola bei der Weihnachtsfeier der Regierung

Hier werde vor allem eingelagert, was einen gewissen Wert habe - protokollarisch oder auch politisch und zeithistorisch, erklärt eine Sprecherin der Regierungszentrale. «Es geht da nicht allein um den materiellen, sondern auch um den ideellen Wert.»

Im Jahr seien das etwa 20 bis 30 Gegenstände. Den Rest, etwa Werbegeschenke von Unternehmen oder auch viele Bücher, können zum Teil die Mitarbeiter des Staatsministeriums ergattern. Bei der Weihnachtsfeier gebe es fast jedes Jahr eine Tombola und eine Versteigerung, sagt die Sprecherin. Häufig kämen mehr als 1000 Euro für einen guten Zweck zusammen.

Kanonenkugel aus Stahl als Geschenk

Nicht unter dem Hammer kam bei den Feiern ein kurioses Geschenk aus älteren Zeiten. In einer Holzkiste lagert eine kiloschwere Kanonenkugel aus Stahl.

Welcher Ministerpräsident sie wann überreicht bekam, ist nicht mehr nachvollziehbar. Vermutlich stammt sie aus der Ära von Lothar Späth, der von 1978 bis 1991 regierte - darauf deutet eine Inventarnummer hin. Sonst sind die meisten Geschenke aus der Amtszeit von Kretschmann, der seit 2011 Hausherr in der Villa Reitzenstein ist.

Auch Museen haben Interesse an Präsenten

Aus der Regierungszeit von Erwin Teufel findet sich so gut wie nichts mehr in der Schatzkammer. «Da muss schon vieles in Museen gewandert sein», sagt die Sprecherin.

Das Staatsministerium arbeite dazu auch immer wieder mit dem Haus der Geschichte zusammen, das die Gegenstände im Geschenke-Raum von Zeit zu Zeit sichte und prüfe, ob etwas von zeithistorischem Wert dabei sei.

Eine Figur, die dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann nachempfunden ist, lagert in einem Raum in der Villa Reitzenstein. © Bernd Weißbrod/dpa

Andere Bundesländer gehen anders vor. In Brandenburg versteigerte die Landesregierung jüngst rund 180 Protokollgeschenke, die mehrere Ministerpräsidenten im Laufe der Zeit bei Auslandsreisen bekommen hatten. Darunter eine japanische Puppe, eine chinesische Vase oder Silbermünzen, die der armenische Präsident überreicht hatte.

Öffentlichkeit soll beteiligt werden

Dieses Vorgehen hält man auch in Baden-Württemberg für eine charmante Idee. «Das kann man sich mal überlegen», sagt die Sprecherin des Staatsministeriums. Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass wichtige Gegenstände nicht in Privatsammlungen verschwänden. «Es ist schon wichtig, Gegenstände von zeithistorischer Bedeutung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, etwa in Museen», sagt die Sprecherin.

Noch mehr Geschenke an Winfried Kretschmann: Ein Helm für die Baustelle Stuttgart 21 (l-r), ein Helm einer Rüstung und ein Teddybär © Bernd Weißbrod/dpa

«Es gibt natürlich Geschenke, die einen sehr persönlichen Charakter haben und dann auch als persönliches Geschenk überreicht werden», erklärt die Sprecherin. Unter welchen Bedingungen diese angenommen werden dürfen, ist klar geregelt: Wenn die Geschenke mehr als 150 Euro wert sind, haben Mitglieder der Regierung diese dem Ministerrat «zur Genehmigung anzuzeigen». Tabu sei die Annahme etwa, wenn die Amtsführung beeinträchtigt werde oder der Eindruck der Befangenheit entstehe.

Essbares wandert in die Kantine

Bei ess- sowie trinkbaren Präsente dürfte das wohl eher selten der Fall sein, diese kommen meist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute. Bekomme Kretschmann bei einem Termin zum Beispiel eine Kiste Äpfel geschenkt, wandere die meist in die Kantine oder werde verteilt, etwa an Mitarbeiter. «Das lässt sich ja nun nicht einlagern», sagt die Sprecherin.

Manche Geschenke liegen dem Ministerpräsidenten auch so sehr am Herzen, dass sie sein Büro in der Villa Reitzenstein zieren. Besonders in Ehren hält der studierte Biologe Kretschmann zum Beispiel das Modell einer eher unansehnlichen neu entdeckten Wespenart, die eine junge Stuttgarter Forscherin im April dieses Jahres ihm zu Ehren «Aphanogmus kretschmanni» nannte.

Vom «größten Tag in meinem Leben» sprach Kretschmann damals. Und auch heute, sagt seine Sprecherin, schwärme er noch immer wieder von dem Geschenk. (lsw)

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