Pandemie

Trotz Corona zurück an den Arbeitsplatz in der Klinik?

Angesichts der akuten Personalnot in vielen Krankenhäusern sind die Quarantäneregeln für Beschäftigte gelockert worden

Von 
Jan Georg Plavec
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In den ersten Krankenhäusern sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz, die sich erst kürzlich mit Corona infiziert hatten. © Marijan Murat/dpa

Stuttgart. Wegen der angespannten Personallage lassen erste Kliniken im Land Mitarbeiter weniger als eine Woche nach dem positiven PCR-Test wieder ins Haus. Das ergibt eine Umfrage dieser Zeitung. Mehrere Häuser erklärten, entsprechende Regeln im Einzelfall umzusetzen, darunter die Rems-Murr-Kliniken und die Filderklinik. Der Klinikverbund Südwest und das Klinikum Stuttgart wollen die Regel nur im Notfall anwenden.

Just das berichten derzeit aber nur wenige Kliniken. „Durch covidbedingten Personalausfall kommt es in den letzten Wochen nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Deutschland zu einer Belastung in kritischen Bereichen wie den Notaufnahmen und Intensivstationen“, sagt Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart. Dass mehr als die Hälfte der Intensivstationen derzeit nur im eingeschränkten Betrieb arbeitet, „macht uns Sorgen“, sagt Gernot Marx, der Chef der Intensivmedizinervereinigung Divi: „Wir haben aber gerade Sommer. Da wurden in den letzten zwei Jahren verschobene Operationen nachgeholt und Personal ist in den Urlaub gegangen, um neue Kraft zu tanken“.

2022 ist das nicht möglich. Schuld ist die Corona-Sommerwelle, die Patienten und Klinikpersonal gleichermaßen erfasst. Zwar erkranken Infizierte nicht schwerer als in der ebenfalls von der Omikronvariante getriebenen Frühjahrswelle. Doch der hohe Krankenstand „führt dazu, dass Krankenhäuser immer wieder Bereiche abmelden und Operationen verschieben müssen“, sagt Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

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Das gilt bundesweit genauso wie in Baden-Württemberg. „Auf ausdrücklichen Wunsch der Krankenhäuser“ hatte die Landesregierung daher vor einer Woche die Quarantäneregeln für coronainfiziertes Klinikpersonal gelockert. Statt wie bisher nach 15 Tagen in Isolation dürfen sie nun schon am sechsten Tag nach einem positiven PCR-Test wieder arbeiten, sofern sie keine „typischen Symptome“ mehr aufweisen, heißt es aus dem Sozialministerium.

„Meistens sind die erkrankten Mitarbeiter nach sechs Tagen aber nicht symptomlos“, sagt eine Sprecherin des Klinikums Esslingen. Keine Symptome zu haben bedeute außerdem nicht, dass man keine Viren mehr in sich trage, betont Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart. Das zeigten Tests von symptomlos Infizierten. Er schlägt daher vor, dass Klinikmitarbeiter sich freitesten können, dann aber unter einer bestimmten Viruslast bleiben müssen.

Im Stuttgarter Marienhospital handhabt man es bereits so: Mitarbeiter mit sehr niedriger Viruskonzentration würden nach 24 Stunden nachuntersucht, alle anderen heimgeschickt, berichtet Matthias Orth vom Institut für Laboratoriumsmedizin. Alles andere sei unverantwortlich, weil das Krankenhaus sonst schnell in der Haftung wäre – „abgesehen auch von der moralischen Schuld“.

Die Krise der Gesundheitsversorgung hat sich über Wochen langsam aufgebaut. In Stuttgart sei die Lage in den Notaufnahmen derzeit „ein Drama“, sagt der Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses, Mark Dominik Alscher: „Mitten im Sommer haben wir Engpässe, das gab es noch nie. Was das wohl für den Herbst bedeutet?“

Das fragen sich jetzt viele. Eine Möglichkeit wäre, die Quarantänepflicht ganz aufzuheben, wie es kürzlich Andreas Gassen gefordert hatte, der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Das würde dann auch für Klinikpersonal gelten. „Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, ist der Vorschlag von Herrn Gassen durchaus ein Ansatz, über den man diskutieren sollte“, sagt die Sprecherin der Filderstädter Filderklinik, Marleen Job.

Viele sind ausgebrannt

Mark Dominik Alscher hält dagegen nichts von der Idee. Auf keinen Fall dürften Infizierte mit vulnerablen Gruppen in Kontakt kommen.

Die gelockerte Quarantänepflicht mag gegen akuten Personalmangel helfen. Die Folgen von mehr als zwei Jahren Pandemie lindert sie nicht. Ein Sprecher der Rems-Murr-Kliniken berichtet, viele Mitarbeiter seien ausgebrannt. Corona macht krank – entweder akut oder weil nun nicht einmal mehr im Sommer Zeit zum Durchschnaufen bleibt.

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