Pandemie

Letztes Wort bei Gerichten?

Der hessische Landtag streitet erbittert über Corona-Untersuchungsausschuss

Von 
Gerhard Kneier
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AfD-Fraktionschef Robert Lambrou (r.) mit Andreas Lichert. © Arne Dedert/dpa

Wiesbaden. Die AfD war sehr zuversichtlich: Der gestrige Mittwoch sollte für sie ein großer Tag werden, wollte sie doch erstmals im Hessischen Landtag einen Untersuchungsausschuss durchsetzen. Und das zum Thema Corona-Maßnahmen, die die Partei seit langem als Anschlag auf Grund- und Menschenrechte anprangert. Doch auch nach dem zwischenzeitlichen Beiseiteräumen mehrerer Hürden gelang das Vorhaben nicht. Alle anderen Parteien verwiesen den umfangreichen Einsetzungsantrag der AfD erst einmal zur Weiterbehandlung an den Hauptausschuss. Grund: Ein von CDU und SPD beauftragter Gutachter hält ihn in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig. Und diese Zweifel solle die AfD durch entsprechende Überarbeitung des Antrags ausräumen.

Schon einen Tag nach der Landtagswahl im Herbst vergangenen Jahres kündigte die hessische AfD selbstbewusst an, sie werde nunmehr einen Corona-Untersuchungsausschuss im Landesparlament durchsetzen. Mit 18,4 Prozent der Stimmen und 28 der 133 Landtagssitze war sie stark genug geworden, das dafür nötige Quorum von 20 Prozent der Abgeordneten zu erfüllen. Doch erst nahm die AfD einen Mandatsträger wegen Neonazi-Kontakten Abgeordneten nicht in die Fraktion auf. Und dann verließ auch noch ein anderer Parlamentarier von sich aus die Partei, deren radikalen Kurs er nicht mehr mittragen wollte. Folge: Mit somit nur noch 26 Abgeordneten hatte die AfD nun doch nicht mehr die für das Quorum erforderlichen 27 Mitglieder.

Dem schaffte die Partei Abhilfe, indem sie den Abgeordneten Sascha Herr doch noch als Mitunterzeichner des Antrags gewann, mit dem sie wegen rechtsextremer Kontakte zuvor jegliche Zusammenarbeit abgelehnt hatte. AfD-Fraktionschef Robert Lambrou wies in der höchst gereizten Landtagsdebatte am Mittwoch darauf hin, dass seine Partei auch alle anderen Abgeordneten mit der Bitte angeschrieben hatte, sich dem Antrag anzuschließen. Dass nur der fraktionslose Herr dazu bereit war, könne man nicht der AfD anlasten. Jetzt müssten wohl die Gerichte das letzte Wort haben, denn seine Partei bestehe auf dem Untersuchungsauftrag.

AfD-Antrag an den Hauptausschuss verwiesen

Ingo Schon von der CDU und Lisa Gnadl von der SPD bekräftigten dagegen die verfassungsrechtlichen Zweifel müssten vor einer Einsetzung des Untersuchungsausschusses erst ausgeräumt werden. Die AfD habe die Gelegenheit, dies durch entsprechende Änderungen des Antrags selbst zu erreichen. Mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP wurde der Einsetzungsauftrag schließlich an den Hauptausschuss überwiesen, um sich mit den verfassungsrechtlichen Zweifeln zu befassen. Nur die AfD und ihr Mitantragsteller Herr stimmten dagegen, der aus der AfD ausgetretene Abgeordnete Dirk Gaw enthielt sich der Stimme.

Mit der entsprechenden Prüfung des AfD-Antrags hatten CDU und SPD den renommierten Juristen Butz Peters beauftragt, der auch als Buchautor über die RAF und ehemaliger Moderator der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY...“ bekannt ist. Die Fraktionschefs Ines Claus (CDU) und Tobias Eckert (SPD) zitierten vor Journalisten aus seinem Gutachten. Danach hält zum einen der Umfang des in 43 Punkten aufgelisteten Prüfungsauftrags einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. So wolle die AfD die Tätigkeit etwa das Robert-Koch-Instituts in Berlin und der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder untersuchen. Beide seien aber nicht dem Land Hessen unterstellt. Claus äußerte die Vermutung, die AfD wolle den Hessischen Landtag als Ersatz für den Bundestag benutzen.

Moniert hat der Jurist auch die Unbestimmtheit wichtiger Punkte, etwa die in die Corona-Bekämpfung involvierten „Akteure“ oder einen Verstoß gegen das „Antizipationsverbot“, also dass im Text Ergebnisse der Untersuchung benannt würden, bevor diese überhaupt begonnen habe.

Korrespondent

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