Untersuchungsausschuss

Landtag zieht Schlussstrich

Abschlussbericht zum Anschlag von Hanau enthält Entschuldigung bei den Angehörigen der Opfer

Von 
Gerhard Kneier
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Angehörige der Opfer des rassistischen Attentats von Hanau halten auf der Besuchertribüne des Hessischen Landtags Fotos in die Höhe. © Arne Dedert/dpa

Wiesbaden. Bei seiner letzten regulären Sitzung in der alten Wahlperiode hat der Hessische Landtag am Dienstag einen Schlussstrich unter die parlamentarische Aufarbeitung des rassistischen Attentats von Hanau im Februar 2020 gezogen. Die Abgeordneten debattierten kontrovers, aber weitgehend ohne Polemik über den Abschlussbericht des dazu eingesetzten Untersuchungsausschusses.

Im Vorwort werden die Angehörigen der neun Mordopfer mit ausländischen Wurzeln um Entschuldigung dafür gebeten, dass es den staatlichen Stellen nicht gelungen ist, diese „davor zu schützen, Opfer eines rassistischen Anschlags zu werden“. Der Ausschuss hatte in 42 Sitzungen insgesamt 84 Zeugen und zwölf Sachverständige angehört, um mögliches Behördenversagen vor, bei und nach dem Anschlag aufzuklären. Bei dem hatte am 19. Februar 2020 ein rassistisch motivierter Deutscher an zwei Tatorten in Hanau neun Menschen erschossen, bevor er schließlich in seiner Wohnung auch die eigene Mutter und sich selbst tötete.

Die Ausschussmehrheit kam zu dem Ergebnis, dass der Anschlag nach den bis dahin über den Täter vorliegenden Informationen nicht hätte verhindert werden können. Der CDU-Abgeordnete Michael Ruhl sagte als Berichterstatter, die psychische Erkrankung des Attentäters und seine rassistische Gesinnung hätten bei den Morden zusammengewirkt. Er begrüßte, dass weite Teile des Abschlussberichts in einem parteiübergreifenden Konsens verabschiedet wurden. Allerdings haben SPD, FDP und AfD zu einigen Punkten und Die Linke insgesamt zu dem Bericht abweichende Sondervoten abgegeben.

Notruf funktionierte nicht

In seiner letzten Landtagsrede bemängelte der FDP-Politiker Jörg Uwe Hahn vor allem, dass die Verantwortung für den nicht funktionierenden Notruf bei der Polizei an dem Abend nicht klar benannt wurde. Dass der Anschlag nicht hätte verhindert werden können, sei dagegen „richtig, aber frustrierend“.

Die SPD-Abgeordnete Heike Hofmann bemängelte darüber hinaus, die Betreuung der Opfer und ihrer Angehörigen nach der Tat sei unzureichend gewesen, ihnen sei am Morgen eine Art Liste der Toten verlesen worden ohne eine professionelle Betreuung.

Mehrere Redner nannten in der Landtagsdebatte immer wieder die vollen Namen aller neun Todesopfer, während eine Reihe der Familienangehörigen auf der Besuchertribüne saßen und die Landtagssitzung live verfolgten. Dass der Umgang mit den Angehörigen verbessert werden muss, räumte auch die Grünen-Abgeordnete Vanessa Gronemann ein, die zudem die verschlossene Tür des Notausgangs kritisierte. Für die machte CDU-Mann Ruhl als Berichterstatter die Stadt Hanau verantwortlich.

Der AfD-Abgeordnete Dirk Gaw nannte es einen Fehler, dass der Bericht in den Wahlkampf gezogen worden sei, sonst wäre eine vollständig gemeinsame Fassung möglich gewesen. Linken-Fraktionschefin Elisabeth Kula äußerte sich am kritischsten zu dem Bericht, der von Auslassungen und einem „Persilschein“ für die hessische Polizei geprägt sei.

Ernst war es im Wiesbadener Landtag zuvor bereits geworden, als die israelische Generalkonsulin zu Beginn der Sitzung beim Gedenken an die Opfer des Hamas-Angriffs auf ihre Landsleute am 7. Oktober sprach. Unter starkem fraktionsübergreifenden Beifall versicherte ihr Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU), Hessen stehe in „unverbrüchlicher Solidarität“ an der Seite Israels. Sie schäme sich für Hass und Antisemitismus bei Demonstrationen in Deutschland. Generalkonsulin Talya Kador-Fresher bekräftigte das Ziel Israels, die Hamas zu vernichten. Der Kampf gelte aber der Terrororganisation und nicht der palästinensischen Zivilbevölkerung, fügte sie hinzu.

Erst gegen Ende der Landtagssitzung stand am Abend fest, dass es doch noch nicht die letzte des alten Landtags sein würde, bevor sich der neugewählte am 18. Januar kommenden Jahres dann mit seiner neuen Mehrheit aus CDU und SPD konstituiert. Die AfD beantragte nämlich eine dritte Lesung des von CDU, SPD, Grünen und FDP gemeinsam eingebrachten neuen Abgeordnetengesetzes. Damit kommt es in der kommenden Woche noch zu einer Sondersitzung.

Höhere Bußgelder

Das neue Gesetz soll unter anderem Bußgelder bis zu 3000 Euro für Abgeordnete einführen, die beharrlich die Ordnung oder Würde des Parlaments verletzen. Zudem sollen die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz künftig gewählt und nicht mehr automatisch nach Parteiproporz benannt werden.

CDU-Fraktionschefin Ines Claus sagte unter Anspielung auf die AfD, Parteien, die selbst vom Verfassungsschutz überwacht werden, sollten dem Vertrauensgremium nicht angehören.

Korrespondent

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