Stuttgart. Am Rande Europas tobt seit mehr als einem Jahr der völkerrechtswidrige Angriffskrieg, den Russland in der Ukraine entfesselt hat. Der Konflikt zwischen China und Taiwan hat sich zugespitzt, die USA wenden sich eher von Europa ab und dem pazifischen Raum zu, und auch der fortschreitende Klimawandel verschärft die globalen Interessenkonflikte. Die Beispiele, dass die internationale Lage in den vergangenen Jahren komplizierter geworden ist, mehren sich, und die Entwicklung ist auch in Baden-Württemberg spürbar. Für die Landesregierung und den Städtetag ist das ein Grund, sich auf ihrer Ebene jetzt erst recht um die internationale Zusammenarbeit zu bemühen.
Koordinationsstelle geschaffen
Deshalb wurde, zu 90 Prozent vom Land finanziert, für zunächst zwei Jahre eine Koordinationsstelle geschaffen, die helfen soll, Städtepartnerschaften auf- und auszubauen. Sie gelten im Staatsministerium als besonders effizientes, bürgernahes und nachhaltiges Instrument der internationalen Zusammenarbeit. Was sich seit der Geburtsstunde der deutsch-französischen Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gerade in Baden-Württemberg auf diesem Feld entwickelt hat, kann sich sehen lassen. Von Aalen, das „jumelée“ („verzwillingt“) mit Saint-Lô (Normandie) ist, bis Zuzenhausen, das mit der zentralungarischen Stadt Nagykovácsi verpartnert ist, hat der Rat der Gemeinden und Regionen Europas in seiner Datenbank 1252 Städtepartnerschaften baden-württembergischer Kommunen registriert. Im Lauf der Jahrzehnte wurde nicht nur ein Netzwerk mit europäischen Städten und Gemeinden aufgebaut. Auch Bande in die USA, Afrika und Asien sind längst normal.
„Die Stelle dient vor allem der Vernetzung, Qualifizierung und Beratung von kommunalen Akteuren und zivilgesellschaftlichen Partnerschaftsvereinen“, heißt es im Staatsministerium. Zwei regionale Schwerpunkte haben Staatsministerium und Städtetag für die Koordinationsstelle gesetzt: Es geht vorrangig um die Ukraine und den Donauraum sowie um Burundi.
Viele Kommunen im Land wollen sich laut Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, beim Wiederaufbau der Ukraine engagieren. Seit Kriegsbeginn sei die Zahl der Städtepartnerschaften mit der Ukraine bundesweit von 70 auf 136 gestiegen. „Der Wiederaufbau kann zwar erst nach Ende des Kriegs beginnen“, sagt er. „Aber wo jetzt akuter Mangel herrscht, liefern Städte Generatoren, Wasserleitungen, Medikamente oder Klinikbetten. Viele Feuerwehren im Südwesten sind da sehr aktiv.“
Schwerpunkt Ukraine
Seit Kriegsausbruch sind auch Kommunen im Südwesten im Sinne der Nothilfe Solidaritätspartnerschaften mit ukrainischen Partnern eingegangen, die vom Bundesentwicklungsministerium gefördert werden. Dem Staatsministerium geht es darum, die Ukraine-Partnerschaften weiterzuentwickeln und mit der von der EU geförderten und von der Landesregierung aktiv unterstützten Donauraumstrategie zu vernetzen. Im Blick auf Russland hat der Ukraine-Krieg inzwischen auch erste Indizien geliefert, dass Städtepartnerschaften Krisen überdauern können. „Ich kenne in Baden-Württemberg keinen Fall, wo die Partnerschaft mit einer russischen Stadt aufgegeben wurde“, erklärt Ralf Broß vom Städtetag. „Aber viele wurden auf Eis gelegt.“
Den Ausbau der Partnerschaft mit dem ostafrikanischen Burundi hat Grün-Schwarz im Koalitionsvertrag vereinbart. „Wir haben das Glück, dass wir mit der seit den 80er Jahren gewachsenen Partnerschaft zwischen Burundi und Baden-Württemberg eine entwicklungspolitische Basis haben, die krisenbewährt, effizient und zuverlässig ist“, sagt Staatssekretär Rudi Hoogvliet.
Nun, wo sich in Burundi politisches Tauwetter abzeichnet, will das Land die Chance zur Vertiefung nutzen. Ziel sei mehr Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Hoogvliet sieht ein breites Netz an Partnerschaften als idealen Ausgangspunkt für gelebte Entwicklungszusammenarbeit. Sie wirkten als „ Labor für Ideen, schaffen Raum für Begegnung und Austausch und aktivieren zivilgesellschaftliche Kräfte.“
Zentrale Datensammlung im Internet
Fast 7000 Städtepartnerschaften mit deutschen Kommunen sind im Laufe der Jahrzehnte entstanden.
Informationen dazu gibt es im Internet unter www.rgre.de/.
In der Datensammlung findet sich eine Liste der bereits bestehenden Partnerschaften sowie eine derjenigen Kommunen und Regionen, die in Deutschland auf Partnersuche sind.
Sie ist alphabetisch nach Staaten geordnet und reicht von Algerien bis Vietnam. red
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